„Don‘t Cry for me Argentina“ – der 36 Jahre alte Ohrwurm aus dem Musical Evita holt heute das südamerikanische Land ein. Ohne Einigung mit seinen Anleihegläubigern, die bei der vorherigen Staatspleite im Jahr 2001 einen Schuldenschnitt ablehnten, droht Argentinien in diesen Stunden erneut ein Staatsschuldentrauma. Einer, der dabei keine Träne für Argentinien vergießt, ist der Milliardär Paul Singer. Denn mit seinem 25 Milliarden Dollar schweren Hedgefonds Elliott Management gilt Singer als genau der Mann, der Argentinien über das Kliff stoßen könnte.
„Wir wären in der Lage, das ganze Problem an einem Nachmittag vom Tisch zu bringen“, hatte Singer zu Jahresbeginn beim Weltwirtschaftsforum in Davos vollmundig gesagt. Jetzt, sechs Monate später, steht die Lösung immer noch aus. Warum, das haben wir hier im aktionaersforum vor wenigen Tagen beschrieben.
Setzt sich Singer in letzter Sekunde gegen Argentinien durch, dann dürfte er einen der größten Erfolge erzielt haben, die je ein Investor gegen ein Land vor Gericht für sich verbuchen konnte – und bekommt zusammen mit den anderen “Holdouts“, die den Schuldenschnitt aus dem Jahr 2001 ablehnen, die addierten 1,3 Milliarden Dollar, die ihnen dann laut Richterspruch zustehen.
Singers Kampf gegen Argentinien ist typisch für die Methode, mit der der ausgebuffte Harvard-Anwalt sein Geld verdient. Der 69-Jährige mit dem gepflegten weißen Bart und der runden Brille sieht zwar wie ein gutmütiger, geduldiger Professor aus. Doch wo er auftaucht, beschleunigt sich der Puls, so wie jetzt in Buenos Aires.
Singer und seine Fonds kaufen seit vier Jahrzehnten Anleihen, von denen niemand mehr erwartet, dass sie je in vollem Umfang zurückgezahlt werden. Dann setzt der Mann, der Psychologie studierte bevor er die Harvard Law School besuchte, eine juristische Kriegsmaschinerie in Bewegung, vor der sich alle fürchten.
Singer kämpft verbissen wie ein Terrier in Gerichtssälen um die vollständige Rückzahlung billig gekaufter Wackelanleihen. Mit großem Erfolg, wie sich zeigt. Elliott Management hat seit der Gründung durch Singer – der dem Fonds seinen Mittelnamen „Elliott“ gab – bis in das laufende Jahr 2014 hinein eine jährliche Rendite von 14 Prozent erzielt.
Singer ist nicht nur gut qualifiziert für seinen juristischen Kreuzzug. Er scheut auch vor keiner Konfrontation zurück. Auf die US-Notenbank schimpft er regelmäßig und heftig für ihre exzessive Geldpolitik. Und für die Republikaner in Washington ist der stramm konservative Geschäftsmann zu einer wichtigen Spendenquelle aufgestiegen.
Singer begann mit dem Kauf von Argentinien-Anleihen, als niemand mehr die maroden Schuldscheine anfassen wollte. Seitdem kämpft er mit allen juristischen Raffinessen darum, sein Geld zurück zu bekommen. Eines seiner Husarenstücke war die Einschaltung der Gerichtsbarkeit von Ghana, um vorübergehend ein argentinisches Kriegsschiff zu konfiszieren.
Elliott ist im Kampf gegen Argentinien nicht alleine. Einer der anderen bekannten Holdouts, der Hedgefonds Aurelius Capital Management, wurde von einem ehemaligen Mitarbeiter bei Elliott gegründet. Und es ist nicht das erste Mal, dass Paul Singer sich mit einer Regierung anlegt. Geld hat er bereits mit Wackelanleihen von Peru und der Republik Kongo gemacht.
Gegen Peru unterlag Singer zunächst vor Gerichten in New York und Belgien, konnte sich aber in der Berufung durchsetzen. Peru knickte nur zwei Tage vor der drohenden Pleite ein und gab kleinlaut nach. „Das sind sehr clevere und aggressive Leute“, sagt der Anwalt Mark Cymrot, ein Partner bei der Kanzlei Baker Hostetler in Washington über Elliott Management. Cymrot muss es wissen. Er vertrat Peru beim Anleihestreit gegen Paul Singer.
Singer kämpft an allen Fronten. Weil er aus kleinen Verhältnissen stammt, hat er das früh gelernt. Er wuchs in New Jersey gegenüber von New York auf. Sein Vater war Apotheker, seine Mutter Haushälterin. Bevor er 1977 den eigenen Hedgefonds startete, arbeitete er bei einer Investmentbank. Und Argentinien ist längst nicht sein einziges Ziel.
Singer kauft als Aktivist auch kleine Aktienpakete von Firmen, um deren Strategie zu beeinflussen und den Börsenwert zu steigern. Die größten Beteiligungen sind über 17 Millionen Aktien des New Yorker Öl-Konzerns Hess Corp. sowie kleinere Pakete bei Juniper Networks und der Twenty-First-Century Fox, die seit acht Jahren als führendes TV-Netzwerk in den USA gilt.
Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Singer für mehr als eine Milliarde Dollar Aktien des Datenspeicher-Spezialisten EMC erworben hat und jetzt 2 Prozent des Unternehmens hält. Der Hedgefondsmanager fordert von EMC die Abspaltung der Softwaresparte VMware. Die Aktie des Unternehmens ist in den vergangenen fünf Jahren um 94 Prozent gestiegen.
Erst am 24. Juli 2014 gab Elliott auch den Kauf von 6,7 Prozent der Anteile am Werbegiganten IPG bekannt. Zu der Gruppe gehören Agenturen wie McCann und FCB. Singers Wette zielt laut Experten auf die rasant wachsende Bedeutung von Online-Werbeplattformen wie Facebook und Google. Dies wird, so die Kalkulation des streitsüchtigen Aktivisten, die Agenturen zu Fusionen zwingen, um ihre Preismacht nicht zu verlieren.
Singers größtes Problem bleibt allerdings wohl seine Kontrahentin in Buenos Aires, Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner. Kritiker halten ihr vor, noch viel arroganter als Néstor Kirchner zu sein, ihr verstorbener Ehemann und Vorgänger im Präsidentenamt des südamerikanischen Landes.
Sie hat sich in den vergangenen Jahren stets auf jenen Teil der argentinischen Gesellschaft gestützt, der auch die Mehrheit in dem sozial tief gespaltenen Land zwischen arm und reich stellt: die weniger Begüterten. Und für die ist der Kampf gegen Singer auch eine Auflehnung gegen die Reichen dieser Welt, sagen Argentiniens Zeitungskommentatoren.
Singers Vermögen wird auf 1,5 Milliarden Dollar geschätzt. Kirchner könnte am heutigen 30.Juli 2014 den „technischen“ Default ihres Landes zur Selbstinszenierung riskieren, unken Pessimisten in der Finanzszene.