Amerikanische Hedgefonds haben ein gutes Jahr hinter sich: Wachsendes Anlagevermögen, große Erfolge mit ihren Kampagnen, Attacken selbst gegen führende Konzerne wie Apple und PepsiCo. Jetzt schauen sich die Treibjagd-Investoren nach neuen Ufern um, denn der starke Dollar verleiht ihnen zusätzliche Munition. Je stärker der Greenback, desto mehr Kaufkraft haben sie in Übersee.
Seit Juni hat der Dollar gegenüber dem Euro 10 Prozent zugelegt. Würde einer der US-Aktivisten jetzt fünf Prozent der BASF-Aktien erwerben, müsste er dafür 320 Millionen Euro weniger aufwenden als zur Jahresmitte. Bei Daimler würde dieser Aktivist 360 Millionen Euro weniger investieren. Der Einstieg bei einem kanadischen Publikumsunternehmen wäre jetzt 6,7 Prozent billiger, ein Kauf in Großbritannien 8,1 Prozent günstiger.
Der Euro-Raum bietet US-Aktivisten aber nicht nur überdurchschnittliche Wechselkursanreize. Hinzu treten auch ein auch Nachholbedarf bei der Aufspaltung von Firmen sowie Börsenkurse, die gegenüber den US-Indizes hinterher hinken. Mehr noch: Traumatisiert von der anhaltenden Schuldenkrise und hartnäckig schwachen Absatzmärkten, sind viele Firmen mehr als zuvor bereit für einen radikalen Strategiewechsel.
Erste Anzeichen dafür, dass die US-Aktivisten sich in Richtung Europa in Marsch setzen, gibt es spätestens seit Oktober 2013. Da sorgte Bill Ackman, der Gründer des New Yorker Hedgefonds Pershing Square, mit einem Vortrag an der Oxford University für Aufsehen. Eine Invasion der Aktivisten in Europa „steht vor der Tür“, prophezeite er damals. Ein Jahr später, im Oktober 2014, brachte Ackman dann seinen neuen europäischen Fonds an der Euronext in Amsterdam an die Börse. Mit minus 12 Prozent am ersten Handelstag war das Debüt des Aktivisten ein klassischer Fehlstart. Aber es war ein Startschuss, und der hallte durch ungezählte Vorstandsetagen auf dem Kontinent.
Jan Weber, der in London europäische Kunden von Morgan Stanley auf den Ansturm von Aktivisten vorbereitet, berichtete kürzlich, dass sein Team allein in den beiden vorangegangenen Quartalen mindestens fünfzig Anfragen europäischer Publikumsfirmen bekommen hat. Sie alle wollen sich beizeiten gegen mögliche Attacken aktivistischer Hedgefonds vorbereiten.
Die Spezialisten bei der Wirtschaftskanzlei „FTI Consulting and Hedge Fund Research“ in der US-Hauptstadt Washington berichten, dass 40 Prozent der aktiven US-Fonds mögliche Kampagnen außerhalb Nordamerikas prüften. Großbritannien ist dabei ein traditionell bevorzugtes Ziel. Doch immer mehr Länder auf dem Alten Kontinent tauchen auf dem Radarschirm auf.
Daniel Loeb, der Chef des einflussreichen Hedgefonds Third Point, ist in diesem Sommer nicht nur in den argentinischen Öl-Konzern YPF und in den mexikanischen Immobilien-Trust Fibra Uno eingestiegen. Er erwarb auch Anteile am niederländischen Life-Science-Unternehmen Royal DSM. Beim Industriekonzern ThyssenKrupp, der während seiner Krise 2013 unter anderem um die Milliarden amerikanischer Hedgefonds geworben hatte, wurde erst vor wenigen Wochen Jens Tischendorf, ein Partner beim Hedgefonds Cevian Capital, für den Aufsichtsrat vorgeschlagen. Cevian hält rund 15 Prozent der ThyssenKrupp-Anteile.
Ebenfalls in diesem Jahr stieg Elliott Associates bei der britischen Supermarkt-Kette „Wm Morrison“ ein. Der Hedgefonds-Investor schätzt allein den Wert die Immobilien der Kette auf das Doppelte der Marktkapitalisierung. Der Hedgefonds „Spring Owl“, geführt von dem früheren Bear-Stearns-Analysten Jason Ader, erwarb 5,2 Prozent der Anteile am britischen Online-Spieleanbieter „Bwin.Party.“
Mit den Aktivisten expandieren auch deren Anwälte und Berater nach Europa. Bereits im April meldete Schulte Roth & Zabel (SRZ), eine der führenden Kanzleien mit Aktivisten-Know-how, dass sie ihre Präsenz in Großbritannien ausbaut. „Wegen der anhaltend hohen Renditen im Aktivistensektor, nehmen die Investoren zunehmend Großbritannien und Kontinentaleuropa ins Visier, und wir sind gut aufgestellt, diese Nachfrage zu bedienen“, sagte SRZ-Partner Marc Weingarten anlässlich der Bekanntgabe der Expansion.
Mit offenen Armen werden die Aktivisten aus Nordamerika in Europa jedoch nicht empfangen. Topmanager in Europa sind es gewöhnt, mit aktiven Investoren in kleiner Runde und hinter verschlossenen Türen neue Wege zu erörtern – wenn überhaupt. „Aktivisten bereitet man in Europa einen frostigeren Empfang als in den USA“, sagt Charles Jacobs, ein Partner bei der Kanzlei Linklaters, „der durchschnittliche europäische CEO hat weniger Bedürfnis sich mit kleineren Investoren einzulassen, und institutionelle Investoren auf dieser Seite des Atlantiks verdächtigen die Aktivisten, kurzfristige Interessen zu verfolgen.“
Dennoch haben es Aktivisten schon vor Jahren in Europa zumindest vereinzelt zu beachtlichen Erfolgen gebracht. 2005 wurde etwa Chris Hohn berühmt. Der Gründer des Hedgefonds TCI half, die Übernahme der London Stock Exchange durch die Deutsche Börse zu vereiteln.
Nicht immer lief es indes so gut. Der Hedgefonds Elliott Management holte sich 2009 beim Schweizer Biotechunternehmen Actelion mit einer Abstimmungsniederlage unter den Aktionären ein blaues Auge. Und die Investmentexperten von Knight Vinke aus Monaco holten sich 2013 eine Abfuhr bei der UBS, nachdem es einen Verkauf des Investment Banking gefordert hatte.
Die Finanzkrise 2008 und das anschließende Schuldendrama in Europa durchkreuzten den ersten Anlauf der nordamerikanischen Aktivisten, nach Europa zu expandieren. Doch jetzt steht der zweite an. Dass es diesmal für die transatlantischen Treibjagd-Investoren besser läuft, davon sind dennoch nicht alle Beobachter und Insider überzeugt. „Es gibt keinen richtigen Referenzrahmen in Europa“, sagt Troy Gayeski. Er ist Senior Partner bei SkyBridge, ein US-Fonds, der in Hedgefonds investiert: „Die Story in Europa macht Sinn, weil die Kurse den USA hinterher laufen und sich das Management auf Deals zu fokussieren beginnt. Aber weil es noch keine Historie gibt, sind wir nicht besonders zuversichtlich, dass es diesmal klappt“, sagt Gayeski.
Skeptisch ist auch Joseph Oughourlian, geschäftsführender Direktor beim Hedgefonds Amber Capital. Mit Blick auf die aggressivere Herangehensweise der nordamerikanischen Investoren sagt er, „eine vorschlagende, Konsens suchende Herangehensweise ist in Europa erfolgreicher als Aktivismus. Einen aggressiven Brief an den Vorstand zu schreiben, bringt Sie hier nicht weiter, egal wie gut sie Ihren Vorstoß begründen.“ Viele Insider weisen auch auf die fragmentierte europäische Landkarte hin, wenn es um die Regulierung der Börsen und die Bestimmungen zur Corporate Governance geht.
Doch Erfolge der Aktivisten sind auch hier nicht zu übersehen. Der Hedgefonds TCI drängte schon seit dem Sommer 2013 das damalige EADS-Management zum Verkauf der Anteile am Flugzeughersteller Dassault Aviation. TCI hielt im August 2013 mehr als ein Prozent der EADS-Aktien. Erst vor wenigen Wochen kündigte Airbus den Verkauf von Anteilen an Dassault für fast 800 Millionen Euro an. Der Anteil am französischen Unternehmen sinkt von 46 auf 42 Prozent. Mitte kommenden Jahres soll der Anteil um weitere 10 Prozent zurückgefahren werden.
Auch mit Blick auf die Spinoff-Welle, die Aktivisten in den USA maßgeblich angeschoben haben – siehe Hewlett-Packard und Ebay – beginnt sich in Europa bereits vor dem großen Ansturm etwas zu bewegen. Bayer kündigte im September an, sein Plastikgeschäft 2015 an die Börse zu bringen. Und Reckitt Benckiser gab im Juli bekannt, dass es sein pharmazeutisches Geschäft durch ein IPO oder einen Verkauf abspalten wird.
Eine Studie von JP Morgan mit dem Titel „Das Klopfen an der Tür“, bilanzierte die jüngste geografische Neuorientierung der Aktivisten so: „Es gibt mehr Kapital, das eine begrenzte Zahl von Firmen in den USA jagt, das hilft, die Aktivität in Europa anzuheizen.“ Historisch sei Europa für Aktivisten aus Nordamerika weniger attraktiv gewesen, doch diese Investoren würden jetzt „neue Jagdgebiete erkunden.“ Mit 43 Prozent der Aktivität von 2010 bis zum zweiten Quartal 2014 ist Großbritannien laut der Studie klar das wichtigste Ziel in Europa gewesen. Es folgten Frankreich, die Schweiz und Deutschland, das der 6,7 Prozent der Aktivisten-Kampagnen auf sich vereinte.