Es ist eine Meldung der Nachrichtenagentur Reuters, die Deutschlands führenden Börsenplatz Frankfurt am Main elektrisiert und die Kurse steigen lässt: Die Deutsche Börse, Betreiber des Frankfurter Marktplatzes und Dax-Mitglied, verhandele mit der London Stock Exchange über eine Fusion. Die Deutsche Börse hat dies mittlerweile bestätigt.
Nach Angaben der beiden Börsen streben die Marktplatzbetreiber in Frankfurt und London tatsächlich einen Zusammenschluss an. Heraus kommen würde der mit Abstand bedeutendste europäische Börsenplatzbetreiber, und bei dem soll die Deutsche Börse dann den Ton angeben: Sie erhielten 54,4 Prozent an dem gemeinsamen Konzern, sofern es tatsächlich zu der Fusion käme.
Grund für die Führungsrolle der Deutschen Börse dürfte der erheblich größere Firmenwert des deutschen Fusionspartners sein. So kommt die Deutsche Börse am heutigen 23. Februar 2016 auf eine Marktkapitalisierung von etwa 14,75 Milliarden Euro, die Londoner bringen es umgerechnet auf etwa 10,2 Milliarden Euro, und das eingerechnet der heutigen Kursschübe.
Der Aktienkurs des Dax-Unternehmens stieg binnen Minuten nach Bekanntwerden des Vorhabens um rund 7 Prozent auf etwa 82 Euro. Die Aktien der LSE schossen sogar um 14 Prozent in die Höhe. Die Anleger jedenfalls scheinen das Vorhaben also vorerst zu unterstützen.
Erfahrene Investoren allerdings erinnern sich an die vielen vergeblichen Versuche in der Vergangenheit, mit denen die Deutsche Börse unter anderem nach den Londonern zu greifen versucht hatte. Unter Börsenchef Werner Seifert etwa musst sich die Deutsche Börse im Jahr 2005 einem organisierten Widerstand des britischen Übernahmeziels geschlagen geben.
Die Frankfurter waren Finanzinvestoren um den britischen Hedgefonds TCI unterlegen, die das Übernahmemanöver der Deutschen Börse durchkreuzt hatten. Zu der Gruppe der Widersacher zählten damals auch der New Yorker Hedgefonds Atticus sowie die Capital Group.
Im Mai 2005 trat deshalb der damals amtierende Deutsche-Börse-Chef Werner Seifert zurück, und auch der Deutsche-Börse-Aufsichtsratschef Rolf Breuer nahm zum Jahresende 2005 seinen Hut. So hatten Hedgefonds wohl erstmals in der deutschen Börsengeschichte den Chef eines Dax-Konzerns aus dem Amt getrieben. Die Nachfolger Seiferts, dem damals stets so gemütlich Pfeife rauchenden Frankfurter Börsenchef, ließen es dennoch nicht damit bewenden.
So geriet im Mai 2006 die Vierländerbörse Euronext ins Visier der Frankfurter – dieses Mal scheitert der damalige Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni. Der versuchte stattdessen im April 2011 dann den Zusammenschluss der Deutschen Börse mit dem weltweit berühmtesten Börsenbetreiber, der New York Stock Exchange. Doch auch dieses Vorhaben scheiterte.
Trotz aller möglicher Zugeständnisse an die Wettbewerbsbehörden wollte die EU-Kommission der Elefantenhochzeit nicht zustimmen. Sie durchkreuzte die angestrebte Megafusion der Deutschen Börse mit der New Yorker NYSE schließlich im Jahr 2012.
Nun also will es der neue Deutsche-Börse-Chef Karsten Kengeter wissen. Er ist erst seit Sommer 2015 im Amt, hat in der Zeit bis zum Frühjahr 2016 aber schon eine Reihe kleiner Übernahmen geschafft. Und er hat sich nun eben wieder das Zusammengehen mit der Londoner Börse LSE ausgeguckt.
Kengeter ist erfahrener Investmentmanager. Er hat elf Jahre lang für die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs gearbeitet – einer der internationalen Top-Adressen für Übernahmen und Fusionen. Ob die Erfahrung dieses Mal reichen wird?
Am 23. Juni 2016 werden die Briten über den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union abstimmen.