Das Modehaus Gerry Weber stellt sich neu auf. Grund sind die am Donnerstag, 26. Februar 2016, bestätigten Jahreszahlen. Demnach stieg der Umsatz im Geschäftsjahr 2014/115 zwar auf 920,8 Millionen Euro. Die Zuwächse waren allerdings lediglich der 2014 erfolgten Übernahme der Frauenmodekette Hallhuber geschuldet. Im bisherigen Kerngeschäft mit den Marken Gerry Weber, Taifun und Samoon bilanzierte der SDax-Konzern hingegen einen Rückgang der Erlöse um 5,4 Prozent auf 805,6 Millionen Euro.
Auch beim operativen Ergebnis (Ebit) erlebt der Konzern einen Rückschlag. So sank das Ebit von 108,9 Millionen Euro auf 79,3 Millionen Euro. Die Ebit-Marge ging von 12,8 Prozent auf 8,6 Prozent zurück.
Dass der Konzern auf diese schwachen Zahlen reagieren würde, hatte er bereits Ende Januar angekündigt. Jetzt hat Vorstandssprecher Ralf Weber, Sohn des Firmengründers Gerry Weber, im Zuge einer Pressemitteilung auch die Eckpunkte für das geplante Sanierungsprogramm genannt, das vom Unternehmen als "Fit4Growth" betitelt wird:
Ralf Weber und seinem Vorstandsteam zufolge wird die Neuausrichtung in den kommenden 18 bis 24 Monaten abgeschlossen sein. Ab dem dritten Jahr, so das Ziel, werde das Unternehmen „in eine Phase nachhaltig profitablen Wachstums übergehen“.
Bis dahin müssen die Aktionäre der Gerry Weber AG allerdings zurückstecken. Denn die Konzernführung schlägt eine Dividende von nur noch 0,40 Euro pro Aktie vor – in den zwei Jahren zuvor waren es je 0,75 Euro. Und Besserung ist zunächst nicht in Sicht, auch nicht bei der Entwicklung des Gerry-Weber-Aktienkurses:
Am heutigen 26. Februar 2016 fällt die Notierung stark um rund 8 Prozent auf etwa 11,95 Euro. Damit hat sie auf Einjahressicht nahezu 65 Prozent ihres damaligen Werts eingebüßt.
Trösten können sich die Anleger bestenfalls damit, dass der Umbau der Gerry Weber AG in eine Zeit fällt, in der auch andere kriselnde deutsche Modeketten versuchen, sich neu auszurichten. Stella Ahlers, Vorstandschefin der gleichnamigen Firmengruppe Ahlers, mit Marken wie Pierre Cardin, Otto Kern und Baldessarini, sagte dem Handelsblatt jüngst: „Der deutsche Markt ist herausfordernd.“
Das mag auf den ersten Blick überraschen. Steigt doch die Bevölkerungszahl hierzulande, und die Konsumenten haben vergleichsweise viel Geld zum Ausgeben in der Tasche – dank vielfach steigender Reallöhne und Sparen beim Tanken, seit die Spritpreise in ungeahnte Tiefen gefallen sind. Doch speziell die hiesigen Modeketten tun sich derzeit schwer.
Grund dafür sind nach Herstellerangaben zum einen hohe Rabattschlachten. Denn in vielen Boutiquen hingen zuletzt Winterartikel, die bei den vergleichsweise milden Wintertemperaturen in 2015 und zum Jahresbeginn 2016 weniger Käufer als erhofft gefunden haben. Ein Problem, das schon im zweiten Winter hintereinander auftritt.
Zudem haben nicht wenige deutsche Modeunternehmen Probleme, gegen die teils weit größere internationale Konkurrenz bestehen zu können. Ob Esprit, Tom Tailor oder Gerry Weber: Der Druck des spanischen Modegiganten Inditex mit seiner Marke Zara oder des schwedischen Modemultis H&M setzt den heimischen Anbietern zu.
Weder produzieren die deutschen Ketten wie Esprit, Tom Tailor oder Gerry Weber glamouröse Hingucker für das oberste Preissegment, noch Massenware zu ausgesprochenen Billigpreisen. Zudem können sie oft nur schwer mit dem schnellen Kollektionswechsel von H&M, Inditex oder dem irischen Billiganbieter Primark Schritt halten.
Diese bringen in immer kürzeren Abständen neue Waren in ihre Läden. Und hängen bleibt dort nur, was schnell gut läuft. Deshalb sind bei den Branchengrößen mittlerweile Kollektions-Wechsel alle zwei Wochen problemlos möglich – anders als bei manch deutschem Modeunternehmen, auch wenn die dieses Problem längst zu lösen versuchen.
Zudem denken die deutschen Modemittelständler darüber nach, ihr Heil verstärkt auf Auslandsmärkten zu suchen. „In Frankreich verkaufen wir unsere Marke Pierre Cardin auf 24 Flächen in den Filialen von Galeries Lafayette“, sagte beispielsweise Ahlers-Vorstandschefin Stella Ahlers dem Handelsblatt. Sie erwäge auch, die hauseigene Topmarke Baldessarini in den USA zu verkaufen. Die deutsche Modeholding Bugatti aus Herford hat bereits einen Showroom in New York eröffnet.
Die neue Internationalisierung ist vielfach allerdings auch eine Ausweichstrategie. Denn das Russlandgeschäft, das für viele mittelständische deutsche Modeketten einst Umsätze sicherte, ist zusammengesackt: Seit die Handelssanktionen gegen Russland infolge des Krim-Kriegs verhängt worden sind, tun sich deutsche Modeunternehmen in Russland entsprechend schwer.
Nach eigenen Angaben musste beispielsweise Bugatti bei den Bestellungen für die Herbst/Winter-Kollektion 2015 aus Russland einen Einbruch um rund 40 Prozent hinnehmen. „Den Umsatz, den wir in Russland verloren haben, müssen wir durch Geschäft in vielen anderen Ländern ausgleichen“, zitiert das Handelsblatt den Geschäftsführenden Bugatti-Gesellschafter Klaus Brinkmann. Beispielsweise in den USA.
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