„Aus unserer Sicht ist Ströer nicht das Unternehmen, wofür es der Markt anscheinend hält“ – das war das Statement des US-Hedgefonds Muddy Water, der den Kölner Konzern und seine Aktionäre erschüttert hat. Binnen Stunden rauschte der Aktienkurs des MDax-Konzerns zweistellig ins Minus. Noch am 27. April 2016 steht ein Minus von 25 Prozent auf den Kurstafeln, der Kurs pendelt um die 44,20 Euro.
Hinter der Attacke des Hedgefonds Muddy Water steht der US-Investor Carson Block, sein Investmentvehikel ist bekannt für Short-Strategien an der Börse. Und auch im Ströer-Fall hält Muddy Water offenbar Short-Positionen. Zumindest mit denen dürfte er nach dem Ströer-Kurssturz schon Geld verdient haben. Anders als die Ströer-Aktionäre.
Der Kurssturz zwischen dem 21. April 2016, dem Tag der Muddy-Water-Attacke, und dem heutigen 27. April 206, hat den Börsenwert des Unternehmens erheblich gedrückt. Die Marktkapitalisierung von Ströer fiel in diesem Zeitraum um 541,7 Millionen Euro auf rund 2,45 Milliarden Euro.
„Die Tatsache, dass einige Anleger auf fallende Kurse setzen, ist nicht verboten. Das passiert im In- und Ausland. Eine gute Abwehrstrategie ist, dass Vorstand und Aufsichtsrat für alle sichtbar jegliches Agieren und die Strategie des Unternehmens transparent machen. Der Vorstand muss die Lufthoheit in der Kommunikation besitzen“, sagte dazu Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) der Zeitschrift Aktionär.
Als intransparent gilt in den Augen von Muddy Water beispielsweise die Firmenkonstruktion von Ströer. Einige Gesellschaftsformwechsel haben offenbar den Argwohn der US-Investoren auf sich gezogen. So hat sich der MDax-Konzern in den vergangenen Jahren etwa von einer AG in eine SE und dann eine KGaA gewandelt. Auch dass die Ehefrau eines der Ströer-Familiengesellschafter im Aufsichtsrat einer Holding des Unternehmens sitzt, kritisieren die Amerikaner.
Zudem stoßen sie sich an dem Zahlenwerk von Ströer, da der Konzern seine Geschäftsprognosen auf Basis von operativen Zahlen präsentiert. Und nicht aufbauend auf den IFRS-Regeln. „Operative Zahlen sind immer höher als Zahlen auf IFRS-Basis. Für uns ist das aber eine adäquate Vorgehensweise, da sie einen besseren Blick auf die Geschäftsentwicklung ermöglichen und wir damit einen vernünftigen Schätzwert erhalten“, sagte Christoph Schlienkamp, Chefanalyst des Bankhauses Lampe dem Aktionär.
Operativ läuft es für die Kölner allerdings ordentlich. Wozu auch der jüngste Wandel hin zum Digitalgeschäft beigetragen hat. Denn Ströer war einst als Vermarkter von Außenwerbung gestartet. Wobei sich das Unternehmen wie sein schärfster Konkurrent, der französische Wettbewerber JCDeceaux, darauf spezialisiert hatte, auf eigene Kosten Straßenbahn- und Bushaltestellen sowie andere städtische Stadtmöblierungen zu errichten, sich gleichzeitig aber die Vermarktungsrechte für die so entstehenden Werbeflächen zu sichern.
Dabei hat das Unternehmen auch immer wieder Wettbewerber übernommen und wurde so zum deutschen Branchenprimus für Außenwerbung.
Spätestens seit 2012 hat sich der Fokus indes stark hin zur digitalen Vermarktung bewegt. Im Dezember 2012 gab der damals noch im SDax gelistete Konzern bekannt, sich an vier Online-Werbevermarktern zu beteiligten. Namentlich am Marktplatz Adscale sowie drei Töchter von Media Ventures, dem außerhalb der Ströer SE & Co. KGaA agierenden Investmentunternehmen von Aufsichtsrat und Anteilseigner Dirk Ströer, Sohn des Unternehmensgründers Heinz Ströer. Das Transaktionsvolumen lag damals bei rund 50 Millionen Euro.
Es folgten weitere Übernahmen und Beteiligungen, die das Profil der Ströer Media AG als Online-Vermarkter schärften. Wobei der Konzern vor allem auf Akquisitionen setzt, die selbst durch das Unternehmen vermarktbar sind, ihm Zugriff auf Werbetechnologie sichern oder die Vermarktungsreichweite Ströers erhöhen.
So wurden unter anderem Onlineportale wie Stayfriends (rund 16 Millionen Euro), regionale Werbevermarkter wie RegioHelden (rund 15,8 Millionen Euro), Technologie-Startups wie Conexus (rund 10 Millionen Euro) und Omnea (rund 4,5 Millionen) akquiriert.
Den bislang größten Deal unterschrieb das Unternehmen im August 2015, als Ströer sich mit der Deutschen Telekom auf den Verkauf des Internetportals T-Online und des Werbevermarkters Interactive Media einigte. Aktien im Gegenwert von rund 300 Millionen Euro gab der MDax-Konzern dafür an den Dax-Konzern ab.
„Die Transaktion markiert den Beginn einer neuen Ära für unser Unternehmen“, sagte Ströer-Vorstandschef Udo Müller bei der offiziellen Verkündung des Deals. Und das wohl zu Recht. Denn Ströer Digital stieg inklusive der Telekom-Tochter Interactive Media zum reichweitenstärksten Werbevermarkter Deutschlands auf, noch vor Branchengrößen wie United Internet Media (GMX, Web.de), Axel Springer (Bild, Die Welt) oder SevenOne Media (ProSieben, Sat1).
Das klassische Kerngeschäft mit den traditionellen Billboards wird dem Konzernvorstand zufolge im Geschäftsjahr 2016 weniger als 15 Prozent des Konzernumsatzes ausmachen, die Online-Werbung hingegen mehr als 40 Prozent.
In der jüngsten Stellungnahme Ströers zu den Anschuldigungen des Hedgefonds Muddy Waters und im Ausblick auf die aktuelle Geschäftsentwicklung heißt es im Übrigen: „Die aktuelle Geschäftsentwicklung im laufenden Jahr sowie der Ausblick stehen im krassen Widerspruch zu den von Muddy Waters Capital getätigten Unterstellungen. Im ersten Quartal 2016 wird Ströer seine eigene Guidance von 10% organischem Wachstum mit 11,5% klar übertreffen.“