Für Anleger war die Entwicklung der RWE-Aktie in den vergangenen Jahren eine einzige Katastrophe – mit dem Kurs ging es stetig Richtung Süden. Trotz der Erholung seit der Trump-Wahl liegt das Papier noch mehr als 80 Prozent unter dem Höchstkurs von Anfang 2008. Zum Vergleich: Der Leitindex Dax legte in der gleichen Zeit um rund 50 Prozent zu.
Bereits seit vielen Jahren macht dem Essener Versorgerriesen bereits die Energiewende zu schaffen. Besonders stark ins Schlingern brachte RWE aber der von der Bundesregierung nach dem Atomunfall in Fukushima auf 2022 vorverlegte Ausstieg aus der Kernenergie. Das war 2011. Schneller als befürchtet stand das Geschäftsmodell, mit dem der Konzern noch einige Jahre lang gutes Geld verdienen wollte, auf der Kippe. Die Unternehmensleitung um den damaligen Vorstandschef Jürgen Großmann ging auf die Barrikaden und forderte vom Bund eine Entschädigung für die früher als ursprünglich angepeilt abgeschalteten Anlagen.
Inzwischen hat RWE ebenso wie Eon und Vattenfall einen Teilsieg errungen: Das Bundesverfassungsgericht urteilte im September 2016, dass dem Unternehmen eine Entschädigung zustehe. Die Bundesregierung müsse das Atomausstieg-Gesetz bis Mitte 2018 ausbessern, so die Verfassungsrichter. Konkret soll der Bund einen Ausgleich für die Strommengen bezahlen, die beim ersten Atomausstieg 2002 zugesichert worden waren – und die RWE nun nicht mehr produzieren kann.
Weiterhin keine Dividende
Wie sehr der Atomausstieg und die damit beschleunigte Energiewende RWE in Bedrängnis gebracht haben, zeigt die Tatsache, dass der Energieriese für das Geschäftsjahr 2015 erstmals keine Dividende zahlte. Darunter hatten auch etliche eh schon klamme Kommunen im Ruhrgebiet zu leiden: Den Städten, die rund 25 Prozent an RWE halten, entgingen rund 150 Millionen Euro. Bereits in den Vorjahren hatten die Kommunen hohe Abschreibungen auf ihre Aktienbestände vornehmen müssen.
Zwar hat die RWE-Aktie ihren Abwärtstrend gestoppt und sich in den vergangenen Monaten sogar moderat erholt, eine Dividende wird es jedoch für Stammaktionäre auch für das Geschäftsjahr 2016 nicht geben. Denn der Essener Konzern verbucht den größten Verlust der Unternehmensgeschichte: Unterm Strich steht beim Essener Unternehmen ein Minus von satten 5,7 Milliarden Euro für das vergangene Jahr. Bereits 2015 hatte das Unternehmen einen Verlust von 170 Millionen Euro eingefahren. Verhagelt haben RWE den Gewinn zum einen außerplanmäßige Abschreibungen in Höhe von 4,3 Milliarden Euro auf den deutschen Kraftwerkspark sowie Anlagen in Großbritannien, den Niederlanden und in der Türkei. Hauptgrund für die notwendigen Anpassungen sind geänderte Erwartungen für die künftige Entwicklung der Großhandelspreise für Strom. Zum anderen war eine Erhöhung der Kernenergierückstellungen notwendig, um den mit der Bundesregierung vereinbarten Atomkompromiss erfüllen zu können. Zum 1. Juli 2017 zahlt RWE 6,8 Milliarden Euro in den neuen staatlichen Atomfonds.
Ab 2017 soll es wieder besser laufen
Kommt RWE wieder auf die Beine, sodass sich auch der Aktienkurs weiter erholen und in Zukunft wieder eine Dividende gezahlt werden kann? Ja, sagt Konzernschef Martin Schmitz. Erstes Signal: Der um Sondereffekte bereinigte Überschuss im Geschäftsjahr 2016 fiel mit rund 800 Millionen Euro besser aus als von RWE zuvor veranschlagt, im laufenden Jahr visiert der Versorger ein bereinigtes Nettoergebnis zwischen 1,0 und 1,3 Milliarden Euro an. Zwar werde das traditionelle Kerngeschäft, die Stromerzeugung, in Zukunft immer weniger abwerfen. Kompensieren ließen sich diese Rückgänge aber durch ein stark verbessertes Tradinggeschäft sowie bessere Ergebnisse bei der Ökostrom-Tochter Innogy, an der RWE weiterhin rund 75 Prozent hält.
Wie realistisch ist der Ausblick? In den vergangenen Jahren ist der Großhandelspreis für Strom teilweise auf nur noch 20 Euro je Megawattstunde gefallen. Zu diesem Preis lässt sich kaum ein Kraftwerk rentabel betreiben, zumal die Anlagen wegen des Vorrangs von Ökostrom insgesamt immer seltener laufen. Zwar hat sich der Preis zwischenzeitlich wieder etwas erholt – Preise von mehr als 30 Euro sind aber am Terminmarkt langfristig unwahrscheinlich. Ob RWE diese Einbußen mit dem Kauf und Verkauf von Strom und Rohstoffen dauerhaft kompensieren kann, steht in den Sternen.
Viel hängt in der Tat von der Entwicklung bei Innogy ab. Doch auch Innogy kann kaum die langjährigen Versäumnisse von RWE im Bereich der erneuerbaren Energien aufholen. Ab 2018 senkt die Bundesagentur die Garantie-Renditen für Netzbetreiber. Die niedrigeren Netzrenditen bedrohen das Geschäft von Innogy. Gleichzeitig sind viele Produkte, von denen Innogy profitieren möchte, noch nicht marktreif. Oder sie haben sich – wie beispielsweise die Ladesäule für Elektroautos – schlicht noch nicht durchgesetzt. Verpasst Innogy den Anschluss, leidet auch RWE. Besonders dann, wenn beispielsweise die Dividende einmal bedroht sein sollte.
Versorgungssicherheit: Politik muss sich bekennen
Noch sind die Anlagen von RWE unentbehrlich für eine zuverlässige Stromversorgung in Deutschland. Die Einspeisung von Strom aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen ist wetter- und tageszeitbedingt äußerst volatil. Und wirtschaftliche Speicher, die an windstarken Tagen etwa große Mengen an Windenergie für die Überbrückung einer Windflaute speichern könnten, gibt es noch nicht. Auf der einen Seite garantieren die Kohle- und Gaskraftwerke von RWE daher die Versorgungssicherheit, indem sie dringend benötigte „Reserveenergie“ zur Verfügung stellen. Auf der anderen Seite sind sie politisch nicht gewünscht und rechnen sich kaum noch. Bereits in Kürze steht in Brüssel eine Neuausrichtung des Emissionshandels auf der Tagesordnung. Beschließt die EU eine Verteuerung der Kohlendioxid-Zertifikate, droht RWE weiteres Ungemach. Dann werden sich aber auch die Politiker in Deutschland entscheiden müssen, wie wichtig ihnen das Thema Versorgungssicherheit ist.