Die Richtung ist klar: Mit der angepeilten Übernahme des US-Saatgutriesens Monsanto will Bayer sein Geschäft auf die Agrarmärkte verlagern, um den weltweit größten Saatgut- und Pflanzenschutz-Konzern zu schaffen. Das ist Teil der neuen Strategie des Vorstands um Werner Baumann. Aktionäre und Analysten sind jedoch nicht restlos überzeugt: Ist das wirklich ein strategisch genialer Coup – oder bürdet sich der Dax-Konzern aus Leverkusen ein unkalkulierbares Risiko auf?
Derzeit prüfen die US-Behörden die anvisierte Fusion noch kartellrechtlich. Mit großen Widerständen ist allerdings nicht zu rechnen, da Monsanto vor allem in den USA tätig ist, während bei Bayer Europa und Asien im Fokus stehen. Lediglich bei einzelnen Gütern sind Überschneidungen möglich – mit kleinen Anpassungen lasse sich aber eine Monopolstellung vermeiden, so Konzernchef Werner Baumann. Rund 66 Milliarden US-Dollar plus Folgekosten hat Bayer für die Übernahme eingeplant – das wäre die bislang größte Auslandsakquisition eines deutschen Unternehmens. Zum Teil will Bayer die Kosten mit einer Kapitalerhöhung finanzieren.
Dass Bayer sich die Übernahme durchaus leisten kann, beweisen die Zahlen des Pharmakonzerns für das vergangene Geschäftsjahr: Das operative Ergebnis (EBITDA) stieg um 10,2 Prozent auf 11,3 Milliarden Euro. Der Nettogewinn legte ebenfalls um 10,2 Prozent auf 4,53 Milliarden Euro zu. Lediglich der Umsatz wuchs mit einem Plus von knapp 1,5 Prozent nicht sonderlich stark – trotzdem sind auch 46,76 Milliarden Euro ein Höchststand in der mehr als 150-jährigen Geschichte des Unternehmens.
Um weiter Geld in die Kassen zu spülen, hat Bayer jüngst insgesamt 22 Millionen Stück seiner Covestro-Aktien und damit insgesamt 10,9 Prozent seiner Anteile an der Kunststoff-Tochter an institutionelle Investoren verkauft – für je 66,50 Euro das Stück. Ein durchaus gutes Geschäft, denn 2015 hat Bayer die Covestro-Aktien selbst für jeweils 24 Euro an die Börse gebracht. Mittelfristig plant Bayer, sich komplett von Covestro zu trennen, kündigte Bayer-Finanzchef Johannes Dietsch an.
Was sind die Chancen, was die Risiken?
Mit der Übernahme von Monsanto käme Bayer im Agrargeschäft auf einen Umsatz von mindestens 23 Milliarden Euro im Jahr – so viel setzen beide Konzerne in diesem Sektor derzeit zusammen um. Durch die Fusion erwartet Bayer Synergieeffekte in Milliardenhöhe. Eigentlich müssten Aktionäre und Analysten sich also freuen. Restlos überzeugt davon, dass die Fusion sich so auszahlt wie von Bayer in Aussicht gestellt, sind aber nicht alle von ihnen. Immer wieder verweisen Analysten auf das Beispiel Daimler-Chrysler: Das auch aufgrund unterschiedlicher Unternehmenskulturen gescheiterte Bündnis habe gezeigt, dass transatlantische Bündnisse keinesfalls einfach zu managen seien.
Ein anderer Kritikpunkt ist die angeschlagene Reputation von Monsanto: Seit Jahren sorgt der US-Konzern mit gentechnisch manipulierten Produkten für Aufsehen. Ein wichtiges Produkt ist außerdem der Unkrautvernichter Glyphosat, dessen Zulassung in der EU zuletzt auf der Kippe stand, weil das Mittel als möglicherweise krebserregend gilt. Im März 2017 sprach die EU-Chemikalienagentur das Mittel vom Krebsverdacht frei. Umweltschutzorganisationen werfen Monsanto jedoch vor, angeblich unabhängige Studien zu Glyphosat beeinflusst zu haben. Der Streit dürfte sich hinziehen und je nach Ausgang das Image von Monsanto im Zweifel weiter beschädigen.
Andere Kritiker monieren die künftige Marktposition von Bayer und Monsanto: Zwar gelinge Bayer mit der Fusion der durchaus strategisch sinnvolle Umbau vom chemisch-pharmazeutischen Mischkonzern zum Spezialisten rund um die Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze. Die große Marktmacht gehe aber voraussichtlich zu Lasten von Verbrauchern und Landwirten. Außerdem trage der Deal angesichts des hohen Kaufpreises von 128 US-Dollar je Monsanto-Aktie nur Früchte, wenn sich der Markt für Saatgut und Agrarchemikalien in den nächsten Jahren überdurchschnittlich gut entwickle. Angesichts der derzeitigen Schwächephase sei das überhaupt nicht selbstverständlich. Eine einzige große Wette also?
Analysten raten zum Kauf
Die Bayer-Aktie steht aktuell bei einem Kurs von rund 107 Euro. Das durchschnittliche Kursziel aller von Bloomberg befragten Analysten liegt bei knapp 112 Euro. Zum Kauf der Aktie raten 15 der befragten Analysten, 13 Analysten empfehlen die Halteposition, zwei Aktienexperten halten einen Verkauf für die beste Option. Damit überwiegen aus Sicht der Analysten die Chancen.
Die Commerzbank etwa belässt in einer aktuellen Analyse ihre Einstufung für Bayer auf „Buy“mit einem Kursziel von 119 Euro. Es sei sinnvoll, dass der Pharma- und Chemiekonzern auch nach der angekündigten Anteilsreduzierung an der Kunststofftochter Covestro die Mehrheit behalten wolle, schreibt Analyst Daniel Wendorff. Mit dem aus dem Teilverkauf resultierenden Erlös von rund 1,5 Milliarden Euro könnte die Kapitalerhöhung für die Monsanto-Übernahme geringer als bislang erwartet ausfallen.