Die Frankfurter Festhalle bietet im Mai dieses Jahres einige Höhepunkte des Unterhaltungswesens. Am 16. Mai treten die „Männer ohne Nerven“ auf, die Werbung verspricht ein „A-capella Highlight“ zum Preis von 14,20 Euro für die günstigsten Tickets. Doch es geht noch billiger: Die Deutsche Bank lädt für den 25. Mai in die Festhalle ein für aktuell nicht mal 8 Euro pro Eintrittskarte. Leider war der Name „Männer ohne Nerven“ bereits vergeben, die Deutsche Bank nennt ihr Event nüchtern "Hauptversammlung“. Pech haben lediglich die Besucher, die ihre Eintrittskarten, vulgo Aktien, schon sehr viel früher erworben haben, sagen wir mal im Jahr 2012, als Paul Achleitner an die Spitze des Aufsichtsrats stürmte. Damals mussten sie noch deutlich mehr bezahlen.
Doch ein Highlight dürfen die Besucher ganz sicher erwarten, vor allem die Aktionäre, die seit Jahren darauf warten, dass die in den Hauptversammlung vom Aufsichtsratsvorsitzenden und vom jeweils amtierenden Vorstandchef angekündigten Versprechungen endlich Wirklichkeit werden und der Wert ihrer Aktien vielleicht auch mal steigt. Im vergangenen Jahr versuchte es Achleitner mit Durchhalteparolen. „Die Gleise sind gelegt, jetzt muss der Zug Geschwindigkeit aufnehmen“.
Aktionäre, die Achleitners blumige Worte so verstanden, als gehe es bei der Deutschen Bank nun im ICE-Tempo voran, wurden eines Besseren belehrt. Die Gleise hatten eher etwas von einer Mischung aus Achterbahn und Geisterbahn: In den vergangenen zwölf Monaten ging der Aktienkurs des einst stolzen Geldhauses um mehr als 33 Prozent in die Knie. Wer noch länger engagiert war, musste noch heftiger leiden. Die Drei-Jahres-Bilanz liegt bei minus 43 Prozent, die Fünf-Jahres-Bilanz gar bei minus 73 Prozent.
Keine Frage, Achleitners Wirken bei der Deutschen Bank ist für die Aktionäre ein Desaster. Knapp 28 Milliarden Euro Aktionärskapital hat er in seiner Amtszeit verbrannt. Doch er hat es in den vergangenen Hauptversammlungen immer wieder geschafft, die verbliebenen Aktionäre zu begöschen.
Und diesmal? Mit den üblichen Parolen kann der amtierende Oberaufseher die Aktionäre sicher nicht bei der Stange halten. Also muss ein neues Manöver her: Die Verhandlungen über ein Bündnis mit der Commerzbank. Die Gespräche laufen, die teuren Berater, Investmentbanker und Rechtsanwälte tüfteln auf Kosten der Aktionäre beider Institute an dem Bauplan für den neuen Finanzkrösus, doch jetzt schon scheint klar: Auf dem Deal liegt kein Segen.
Die Berliner Politik, von etlichen Medien voreilig zum Initiator der Fusionspläne gekürt, erklärt klipp und klar, sie halte sich da raus. Für Kanzlerin Merkel sind die Bündnisgespräche der Banken eine „absolut private“ Angelegenheit der Unternehmen, „das können und müssen die Akteure selbst bewerten“. Andrea Enria, Chef der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank, hat explizit seine Skepsis zu Protokoll gegeben. Kontra kommt auch vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Und die Arbeitnehmervertreter beider Institute sind sowie so gegen den Deal.
Die Aktionäre werden voraussichtlich noch vor der Hauptversammlung erfahren, ob Vorstand und Aufsichtsrat den Zusammenschluss mit der Commerzbank überhaupt noch vollziehen wollen. Vielleicht wird der Deal ja vorher noch abgesagt. Denn selbst Großaktionäre halten wenig von einem Bündnis. Philipp Hildebrand, Vize-Verwaltungsratschef des an beiden Banken beteiligten Vermögensverwalters Blackrock, erklärte kürzlich, dass ein Zusammenschluss „nicht funktionieren würde“. Und an der Börse ist der Deal auch schon lange durchgefallen. Seit Ankündigung der Verhandlungen am 17. März hat die Aktie der Deutschen Bank trotz der sogenannten Fusionsphantasie sogar verloren, von 8,20 Euro auf zuletzt 7,75 Euro. Gewiss, ohne die Fusionsphantasie wäre der Kurs womöglich noch stärker gefallen. Die Zahlen des ersten Quartals jedenfalls sind enttäuschend. Das gilt vor allem für die einstige Vorzeigesparte Investmentbanking, deren Erträge weiterhin rückläufig sind.
Die Quartalszahlen sind vor allem aber ein Signal, das ein paar Kostensenkungen hier und kosmetische Korrekturen am Geschäftsmodell, die Institutschef Christian Sewing sie vorgenommen hat, nicht ausreichen. Die Deutsche Bank braucht ganz offensichtlich eine umfassende Restrukturierung. Sie muss Abschied nehmen von den alten Träumen, ein erfolgreicher Global Player im Kapitalmarktgeschäft sein zu wollen (was sie schon lange nicht mehr ist), wenn nicht noch mehr Geld der Aktionäre verbrannt werden soll.
Als wäre das nicht schon genug, kommt jetzt auch noch der Unicredit auf der Innenbahn und meldet Kaufinteresse an der Commerzbank an. Wie auch immer man die Italo-Offerte bewerten mag: Sie dürfte die Verhandlungsposition der Deutschen Bank gegenüber der Commerzbank nicht gerade verbessern.
Und als ob die Aktionäre nicht schon genug strapaziert sind: Obendrein bastelt die Bank an einer weiteren Kapitalerhöhung, wie die „Financial Times“ kürzlich geschrieben hat. Bis zu zehn Milliarden könnten es werden. Skandalös eigentlich, wo Vorstandschef Sewing und sein Oberaufseher Achleitner in den vergangenen Monaten doch stets beteuert haben, die Bilanz der Bank sei so sauber wie seit Jahrzehnten nicht. Skandalös sind auch die Folgen: Die Altaktionäre werden weiter verwässert, enteignet durch Mismanagement.
Ob mit oder ohne Bündnis – zur Tagesordnung können die Aktionäre nicht zurückkehren. Gewiss, für acht Euro Eintritt ist man mit Würstchen, Kartoffelsalat, Kaffee und Kuchen auf den ersten Blick nicht schlecht bedient. Aber die Aktionäre sind Eigentümer, es ist ihre Bank! Sie sollten den Organen des Instituts klarmachen, dass sie ihre Aktionärsrechte wahrnehmen und die Zukunft der Deutschen Bank nicht nur Finanzcowboys a la Cerberus überlassen. Sondern Aufsichtsräten und Vorständen, die das Geldhaus so aufstellen, dass es irgendwann mal wieder Werte schafft.
Die Deutsche Bank braucht dafür einen Neustart, und zwar ganz oben, an der Spitze des Aufsichtsrats.