Amerikas große Publikumsfirmen sind seit Jahren mehr Geldautomaten als Job-Produzenten. Die Unternehmen im amerikanischen S&P 500-Index verwenden im laufenden Jahr laut Bloomberg 95 Prozent ihrer Gewinne für Aktienrückkäufe und Dividenden. Im ersten und dritten Quartal des Jahres wurde sogar mehr Geld an die Aktionäre ausgeschüttet, als verdient.
In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Anteil des Cashflows, der für Rückkäufe von Aktien verwendet wurde, dann auch fast verdoppelt. Der Prozentsatz, der für Investitionen eingesetzt wurde, ging indes zurück. Kurzum: Der Höhenflug der Aktien an der Wall Street lebte von der Substanz der auszahlenden Firmen. An der Börse freuen sich die Anleger dennoch – zumindest jene mit kurzfristigem Anlagehorizont.
Zu schön sind die Zahlen. In den 12 Monaten bis Oktober dieses Jahres stieg die Dividenden-Ausschüttung im S&P 500 um 11,3 Prozent an. Seit fünfzehn Quartalen klettern dem Datenerheber FactSet zufolge die Dividenden je Aktie mit zweistelligen Raten. In diesem Zeitraum hat auch das Wachstum der Dividenden schneller zugelegt als der Gewinn je Aktie. Ausnahme war einzig der Rohstoffsektor. Dort sank die Dividende je Aktie im Schnitt um 6,6 Prozent.
Die jüngste Dividendenerhöhung mit weltweiter Strahlkraft kam vom Mischkonzern General Electric. Der Siemens-Rivale hob am 14. Dezember seine Dividende um 5 Prozent an. GE gilt jetzt als der Industriewert mit der höchsten Dividendenrendite im S&P. Und John Butters, dienstältester Gewinn-Analyst bei FactSet, erwartet für die kommenden zwölf Monate einen weiteren Anstieg von durchschnittlich 8,3 Prozent. Wobei Finanztitel mit 14,8 Prozent und Konsumgüterkonzerne mit 10,3 Prozent die Liste anführen sollen.
Der Dividenden-Aufschwung war in 2014 somit enorm breit. Von 421 Firmen im S&P 500, die Dividenden zahlen, haben in den vergangenen zwölf Monaten 337 die Ausschüttungen erhöht. Das war eine Rate von 80 Prozent.
Auch rebellische Investoren haben dabei ihre Finger im Spiel. So hatte etwa der Aktivist Nelson Peltz 2013 bekannt gegeben, ein Aktienpaket von einem Prozent an DuPont zu halten. Peltz erklärte die Aktie des nach Monsanto zweitgrößten Saatgutherstelllers der Welt für unterbewertet. Anfang des Jahres gab das Unternehmen daraufhin ein Rückkaufprogramm im Umfang von fünf Milliarden Dollar bekannt. Die Dividende wurde im Juli von 45 auf 47 Cent je Aktie und Quartal angehoben.
Auch der texanische Immobilientrust Crown Castle kündigte mit Wirkung von diesem Dezember 2014 eine Dividende von 82 Cent je Aktie an, was einer Rendite von 4,3 Prozent entspricht. Crown Castle war erst im Oktober vom Hegefonds Corvex Management gedrängt worden, die Dividende zu erhöhen oder frisches Kapital aufzunehmen und Aktien zurückzukaufen. Corvex wird von Keith Meister geführt, einem ehemaligen Zögling von Hedgefonds-Legende Carl Icahn.
Ein weiteres Beispiel: Bill Ackman, der Gründer von Pershing Square, hatte im November 2014 für 1,5 Milliarden Dollar Anteilscheine des Tiergesundheitskonzerns Zoetis gekauft und verlangt seitdem, das Unternehmen solle mehr tun, um seinen Wert zu erhöhen. Vor wenigen Tagen, also Ende Dezember 2014, kündigte Zoetis an, seine Dividende im ersten Quartal des kommenden Jahres 2015 um 15 Prozent anzuheben.
Seitdem die Börsenkurse in diesem Herbst und Winter 2014 wieder heftiger schwanken und die amerikanische Notenbank Fed sich mehr Zeit mit ihrer in Aussicht gestellten Zinswende lassen will, schenken die Anleger und Investoren den Dividenden zusätzliche Aufmerksamkeit.
Websites und Blogs in Nordamerika und Europa geben verstärkt Tipps über die vermeintlichen Dividenden-Gewinner 2015 ab. Angeheizt wird die Phantasie vom immer noch rasch wachsenden Barvermögen der führenden Publikumsfirmen.
Laut Capital Economics hat sich das Barvermögen der US-Unternehmen in den vergangenen zwölf Jahren versechsfacht. Demnach sollen allein im Ausland mehr als zwei Billionen Dollar Gewinne geparkt sein. Bei der leisesten Andeutung einer Steuersenkung der Regierung Obama könnte ein beträchtlicher Teil des Kapitals zurück in die USA fließen und der seit fünf Jahren währenden Rally neuen Schub verleihen.
Die Börsenfirmen hatten im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise damit begonnen, die Dividenden zu kürzen und Bares zu horten. Die Aktionäre beklagten sich wenig darüber, weil die Aktienkurse schier ohne Unterlass stiegen. Doch jetzt haben viele Beobachter den Eindruck, dass sich die lange Rally erschöpft.
Die Rufe nach höheren Ausschüttungen dürften daher noch lauter werden. „Wir hatten viel zu lange eine Bunkermentalität“, sagt der Gründer und Chef des Hedgefonds Ironfire Capital, Eric Jackson, „die Aktivisten werden mit Blick auf die Dividenden nun lauter werden.“
Zu spüren bekommen hat das bereits der weltweit größte Energiekonzern Exxon Mobil. Aktivisten, angeführt vom aktiven Vermögensverwalter Arjuna Capital und einer Gruppe, die sich „As You Sow“ nennt, verlangen, dass Exxon mehr an die Aktionäre ausschüttet.
In teure neue Ölfelder zu investieren, steht hingegen nicht auf der Agenda dieser Investoren. Denn im schlimmsten Fall, so die Argumentation, würden die Rohstoffe nicht mehr vollständig ausgebeutet werden können, weil die Umweltauflagen immer größer werden und die Förderkosten steigen.
Ein entsprechender Antrag wurde bei Exxon eingereicht. „Dieser Vorstoß stellt völliges Neuland dar“, sagt die Arjuna-Direktorin für Research und Investor Relations, Natasha Lamb, „Exxon sollte lieber Kapital an die Anteilseigner ausschütten, als die Ressourcen der Investoren zu riskieren.“
Exxon hat in den vergangenen vier Quartalen 11,4 Milliarden Dollar Dividenden ausgeschüttet und weitere 13 Milliarden für den Rückkauf von Aktien ausgegeben.