Ihr Handeln gleicht oft einem Spiegelbild der Weltwirtschaft. In Branchen, in denen sich aktivistische Investoren einkaufen, läuft es meist aktuell nicht rund. In Nordamerika haben die Rebellen unter den Anlegern nun eine neue Branche für sich entdeckt.
In jüngster Zeit rücken neben Banken vor allem Öl- und Gasfirmen in ihr Visier, und die Wucht dieser Richtungsänderung macht sich in der Branche schwer bemerkbar: Seit Beginn des Jahrzehnts hat sich im Energiesektor die Zahl der Aktivisten-Kampagnen glatt vervierfacht.
Der Anstieg fällt in der Energiebranche Nordamerikas somit doppelt so stark aus wie im Schnitt aller Industrien, und längst sind auch große Konzerne der Branche nicht mehr vor den neuen Aktionären mit ihrer ganz eigenen Agenda sicher. Denn drei Viertel aller Energiefirmen mit mehr als zehn Milliarden Dollar Kapitalisierung zählen bereits Aktivisten zu ihren Aktionären.
Das verrät Steven Goodman, der beim Headhunter und Berater Egon Zehnder diese Industrie betreut. „Aufsichtsräte in der Energiewirtschaft wechseln schneller ihre Stühle als je zuvor, und wenn es nach den Aktivisten geht, war das noch nicht alles“, schreibt Goodman mit Kollegen seines Hauses in einer Analyse.
Für die drastische Zunahme an Kampagnen in der US-Öl- und Gas-Industrie gibt es laut Goodman eine inneramerikanische Erklärung.
Weil Amerikas Aktionäre generell gegenüber risikoreicheren internationalen Projekten ihrer Manager weniger Toleranz zeigen als in der Vergangenheit, haben viele US-Firmen begonnen, sich auf Engagements in Nordamerika zu konzentrieren. Das gilt auch für die Öl- und Gasindustrie. Die aber erlebte in den USA zuletzt einen unerwarteten Boom durch Fracking und Schiefergasausbeutung.
Die Folge: Dort wurden Fachkräfte knapp, Löhne, Landpreise und Materialkosten stiegen – und die Gewinnmargen der Energiekonzerne schmolzen dahin. Das wiederum rief die Aktivisten auf den Plan.
Die rebellischen Aktivisten sahen die unbefriedigenden Gewinne als Gelegenheit zum Angriff auf die Konzerne. Und ihre Attacken scheinen Erfolg zu haben: Ein Drittel der neuen Aufsichtsräte in Nordamerikas Energiefirmen, die ins Visier der Aktivisten geraten sind, wurden zuletzt bereits von den attackierenden Neuanteilseignern nominiert.
Das klingt mehr nach Mongolensturm als nach geduldigem Marsch durch die Institutionen.
Ein Beispiele dafür ist der Einstieg von Carl Icahn beim kanadischen Öl- und Gas-Förderer Talisman Energy vor einem halben Jahr. Zwei Monate nach Bekanntgabe der Beteiligung im Oktober 2013 hatte Icahn schon die Zusage für zwei Sitze im Aufsichtsrat, und die Vorgehensweise dabei scheint immer sehr ähnlich zu sein. Und das, obwohl Icahn nur 6 Prozent der Aktien des Unternehmens besessen hatte. Kein Einzelfall.
Star-Aktivisten wie Icahn beispielsweise investieren in der Regel nur so viel Kapital wie unbedingt nötig, um beim Zielunternehmen den Aufsichtsrat umzubauen, einen Strategiewechsel einzuleiten, oder umfangreiche Aktienrückkäufe zu erzwingen.
Den eigentlichen Hebel setzen sie an, wenn sie sich mit anderen Fonds verbünden, PR-Schlachten anzetteln, oder im Hintergrund Lobbyarbeit betreiben – oder Gerichte einschalten. Ihre Erfolge gehen dann nicht selten über die Besetzung wichtiger Konzerngremien hinaus.
Die Aktivisten haben in Amerikas Ölbranche beispielsweise im Vorjahr niedrigere Manager-Saläre erzwungen. Das Argument der rebellischen Anteilseigner dabei: Aufgrund des hohen Kostendrucks in der Energiebranche Nordamerikas bleibe unter dem Strich weniger vom Geschäft übrig als in der Vergangenheit, Investitionen seien nicht mehr so üppig verzinst.
Deshalb müssen auch die Manager zumindest kurzfristig kürzer treten. Und prompt knüpfen die Energieproduzenten nun auf Druck der Aktivisten und der mit ihnen kooperierenden Proxy-Firmen ihre Managergehälter mehr an langfristige Incentives wie Aktien und Optionen als in der Vergangenheit.
Neben den Firmen der amerikanischen Energiebranche spüren noch zwei weitere Branchen, wie sehr sich aktivistische Investoren seit geraumer Zeit in ihre Geschäfte einmischen. Im Pharmasektor beispielsweise hat sich der Third Point-Fonds von Daniel Loeb 2,5 Millionen Aktien von Actavis geschnappt; das Unternehmen entwickelt und produziert Marken-Arznei und Generika.
Loeb hofft auf Erträge, wenn striktere Kostenkontrolle im Gesundheitswesen Actavis mehr Geld in die Kassen spült.
Das vielleicht bekannteste Beispiel aus dem Pharmasektor ist allerdings wohl die gemeinsame Attacke von Valeant Pharmaceuticals und Starinvestor Bill Ackman gegen den Botox-Hersteller Allergan.
Ordentlich durcheinander gewirbelt werden von Aktivisten derzeit aber auch die Immobilien-Trusts, die sich auch noch selbst zur Zielscheibe für aktivistische Attacken gemacht haben. Denn viele von ihnen haben sich in jüngster Zeit in börsennotierte Trusts umgewandelt und damit die Angriffsfläche für Investoren vergrößert. Deren Chance hat sich dann auch schnell geboten.
Weil viele dieser Immobilienfirmen die Zeiten der Minizinsen zur Finanzierung riesiger Übernahmen genutzt haben, droht ihnen bei wieder steigenden Zinsen unter Umständen finanzielle Schwierigkeiten. Genau diese Gefahr nutzen jetzt die Aktivisten als Argument für ihre Kampagnen bei den Immobilienfirmen.
Der Marcato-Fonds beispielsweise hat jüngst 2,4 Prozent der Aktien des ARCP-Trusts übernommen und diesen für „zu viele Übernahmen in zu kurzer Zeit“ kritisiert. Kein Wunder:
ARCP hat in nur zwei Jahren Konkurrenten zum Preis von 15 Milliarden Dollar aufgekauft. Und erst im März dieses Jahres haben der Immobilien-Tycoon Sam Zell und der Hedgefonds Corvex Management begonnen, im Vorstand des Common Wealth-Trusts aufzuräumen. Die Meinungen über das schroffe Vorgehen sind geteilt.
„Aktivisten tendieren dazu, konstruktiv zu sein, weil ihre Interessen sich mit denen von Aktionären überschneiden“, sagt Dirk Aulabaugh, der Researchdirektor bei den Green Street Advisors. „Aktivisten tauchen nicht bei Firmen auf, die gut geführt sind“, sagt er.
Doch nicht alle stimmen zu. „Aktionäre führen keine Firmen, das ist sehr destruktiv“, ereifert sich Debra Cafaro, die Vorstandschefin beim Immobilien-Trust Ventas. „Ein klein wenig Aktivismus ist gesund“, räumt sie ein, „doch das kann schnell außer Kontrolle geraten.“
Ein Beispiel dafür könnte, je nach Sichtweise, der Trian-Fonds von Nelson Peltz sein. Er setzte Amerikas Chemie- und Gesundheitskonzern DuPont dermaßen unter Druck, dass dieser sich von seinen Veredlungschemikalien-Sparte trennte, um die Renditen zu steigern. Zeitgleich drängt Aktivist Daniel Loeb bei Dow Chemical auf die Abspaltung der Geschäfte mit Rohstoff-Chemikalien.
Dass die Aktivisten auch in Europa so brachial vorgehen wie in den USA, wird von einigen Experten bezweifelt, darunter von Stephen Griggs, dem führenden kanadischen Aktivisten, der dem aktionaersforum vor wenigen Tagen ein Interview gab.
Auch die Analystin Heidi Vesterinen bei Exane PNB Paribas sagt für Europa etwas verhaltenere Kampagnen der Treibjagd-Investoren vorher. Wichtigster Grund: Striktere Governance-Regeln hierzulande als in Nordamerika und auch eine andere Investorenkultur.
Dennoch: Auch in der europäischen Chemieindustrie sollte man vor rebellischen Investoren auf der Hut sein, sofern die Lageeinschätzung des schwedischen Aktivisten-Fonds Cevian Capital zutrifft. Dessen Partner Harlan Zimmerman gibt an, dass „einige Aktivisten derzeit europäische Firmen durchleuchten.“
Cevian, mit einem Anlagekapital von 15 Milliarden Dollar hochgerüstet, hält selbst bereits einen Anteil am britischen Chemieunternehmen Alent.