Es dürfte eine der größten Zäsuren in der deutschen, wenn nicht der europäischen Industriegeschichte werden: Der Eon-Konzern – aktuell größter privater Energiekonzern der Welt – hat am Sonntag Abend seine Aufspaltung bekanntgegeben.
Zugleich hat der Düsseldorfer Konzern eine Wertberichtigung in einer Größenordnung von 4,5 Milliarden Euro „aufgrund veränderter Marktbedingungen“ im laufenden Quartal publik gemacht.
An den Kapitalmärkten muss man wohl etwas von dem Aufspaltungsplan geahnt haben – und auch darin große Hoffnung legen. Denn der Börsenkurs des Unternehmens hat seit dem 17. November um mehr als 15 Prozent zugelegt, heute geht es kurz nach Handelsstart um 10 Uhr nochmal um gut 3 Prozent höher.
Die Marktkapitalisierung beträgt dem entsprechen aktuell rund 28 Milliarden Euro. Die „wirtschaftliche Nettoverschuldung" wurde vom Unternehmen in der Bilanz für das erste Halbjahr mit 33,3 Milliarden Euro angegeben.
In einer Pressemeldung auf der Webseite des Konzerns zu der sensationellen Entscheidung heißt es, der Aufsichtsrat von Deutschlands größten Versorger habe die radikale Strategieänderung bereits abgesegnet: Die neue Konzernstrategie wird in der Meldung so skizziert.
„Eon konzentriert sich auf erneuerbare Energien, Energienetze und Kundenlösungen und spaltet die Mehrheit an einer neuen, börsennotierten Gesellschaft für konventionelle Erzeugung, globalen Energiehandel und Exploration & Produktion ab.“
Die Größenordnung beider zukünftiger Gesellschaften: Eon werden nach Konzernangaben rund 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugeordnet, der „neuen Gesellschaft“ rund 20.000. Der größere Eon-Brocken behält offenbar seinen Sitz in Düsseldorf, der kleinere wird in der Region „Rhein-Ruhr“ sein Hauptquartier finden.
Insider sind sich im Klaren darüber, dass damit ein Rennen um den Konzernsitz des kleineren Eon-Brockens zwischen Düsseldorf und Essen eröffnet wird, wo die derzeitige Eon ebenfalls stark vertreten ist.
Insider, die nicht zitiert werden wollen, äußerten in ersten Reaktionen die Vermutung, dass der größere künftige Eon-Konzernteil sich unter anderem deshalb auf die Energienetze fokussieren will, um für deren weiteren Ausbau im Zuge der Forcierung erneuerbarer Energieträger und der wachsenden dezentralen Einspeisung gerüstet zu sein.
Dieser Eon-Teil will sich offenbar selbst als der Technologietreiber unter den beiden Eon-Teilgesellschaften verstehen.
Eon wird in dieser neuen Aufstellung laut Unternehmensangaben rund 33 Millionen Kunden haben. Die drei Geschäftsfelder sollen weiterentwickelt werden. Hierfür sollen bereits 2015 die Investitionen um rund 500 Millionen Euro gegenüber den bislang für 2015 geplanten 4,3 Milliarden Euro hochgefahren werden.
Ein besonderer Schwerpunkt soll der Ausbau der Windenergie in Europa sowie in ausgewählten, aber noch nicht konkret benannten weiteren Zielmärkten sein. Das Photovoltaik-Geschäft soll ebenfalls intensiviert werden.
Mit Blick wachsende Dezentralisierung der Stromproduktion heißt es: „Die Energieverteilnetze in den europäischen Heimatmärkten und auch in der Türkei werden zu intelligenten Netzen modernisiert, damit die Kunden neue Produkte und Dienstleistungen rund um das Thema Energieeffizienz und dezentrale Erzeugung einsetzen können.“
Die Branche ist aufgrund der Meldung über den radikalen Umbau des Konzerns in heller Aufregung. Gerätselt wird vor allem über mögliche Käufer für Anlagen und Beteiligungen, die Eon womöglich noch abstoßen möchte, sofern sie nicht in der sogenannten „Neuen Gesellschaft“ aufgehen werden.
Erste Namen wurden noch in der Nacht genannt, darunter der Staat, oder die russische Gazprom. Kein anderer klassischer Energiekonzern werde konventionelle Kraftwerke im größeren Rahmen übernehmen. Bestätigungen waren nicht zu bekommen.
Deutschlands Investoren stehen jetzt offenbar vor folgenden Veränderungen bei Eon: Der jetzige Konzern wird schon im ersten Schritt gleich die Mehrheit der Kapitalanteile an der neuen Gesellschaft abspalten; die aktuellen Aktionäre der jetzigen Eon SE erhalten dann diese Anteile quasi in ihr Depot gebucht.
Die verbleibenden Minderheitsanteile will Eon „marktschonend über einen mittelfristigen Zeitraum“ an der Börse verkaufen.
Die Erlöse davon sollen dem größeren Eon-Brocken zugutekommen, der ja weiterhin Eon heißen wird. Diese Düsseldorfer Eon soll so „schrittweise weitere finanzielle Spielräume für künftige Wachstumsinvestitionen“ erhalten, teilte der Konzern mit. Dafür schultert dieser Eon-Teil auch alle Kapitalmarktverbindlichkeiten des heutigen Eon-Konzerns.
Die Anteilsbesitzer der „neuen Gesellschaft“ sollen zudem eine Gesellschaft mit „ausreichend großer Kapitalausstattung“ erhalten, um von Kreditwächtern ein Investment-Grade-Rating zu erhalten.
Eon verschafft sich dazu offenbar auch Spielraum, indem es den ebenfalls bekannt gegebene Verkaufserlös des jetzigen Eon-Spaniengeschäfts an die australische Investmentbank Macquarie in Höhe von 2,5 Milliarden Euro auch zur Stärkung dieser „neuen Gesellschaft" einsetzen kann.
Der Verkauf von Anteilen in Italien wird offenbar zusätzlich erwogen. Mehr noch: Explorations-Aktivitäten und Anlagen in der Nordsee würden strategisch geprüft.
Ebenfalls wichtige für die Anleger: Vorhandene Rückstellungen für den Abriss und die Entsorgung sowohl konventioneller Anlagen als auch der Eon-Atommeiler sollen „durch die bilanzielle Ausstattung der neuen Gesellschaft in vollem Umfang abgedeckt“ sein.
Der jetzige Eon-Konzern hatte für das dritte Quartal einen Nettoverlust von 90 Millionen Euro berichtet, weil ein schwächerer russischer Rubel sowie niedrigere Energiepreise die Erträge schmälerten. Eine außerplanmäßige Abschreibung im Umfang von 4,5 Milliarden Euro, vor allem auf Anlagen in Südeuropa, wird demzufolge im laufenden Jahr einen „bedeutenden Verlust“ ausweisen.
„Wir sind überzeugt, dass es notwendig ist, auf dramatisch veränderte weltweite Energiemärkte, technische Innovationen und weiter gefächerte Kunden-Erwartungen mit einem mutigen Neuanfang zu reagieren“, so Vorstandschef Johannes Teyssen in einer ersten Stellungnahme.
Das bisher breite Geschäftsmodell von Eon werde den neuen Herausforderungen nicht mehr gerecht. Deshalb wolle der Konzern sich radikal neu aufstellen. Eon wolle sich künftige Wachstumspotenziale aus der Umgestaltung der Energiewelt erschließen.
Deutschlands Abkehr von der Atomenergie – und sein Schwenk zu erneuerbaren Trägern – hat zu einem deutlichen Ausbau der Wind- und Solar-Energie geführt und die Tarife, die wegen der schwachen Konjunktur in Europa ohnehin unter Druck standen, weiter nach unten gezwungen.
Eon sieht sich gezwungen, auf dem Heimatmarkt Kapazitäten zu verringern und global zu expandieren, wofür der Konzern Anlagen und Beteiligungen verkauft.