Die Management-Turbulenzen bei der weltgrößten Anleihe-Fondsgruppe Pimco haben Spuren hinterlassen. Bei Pimco selbst, wo zahlreiche Pensionsfonds ihre Anlagen überprüfen, im gesamten Bondmarkt, aber auch bei der Allianz, zu der Pimco seit dem Jahr 2000 gehört.
Allein im September, als Pimco-Mitbegründer Bill Gross nach 43 Jahren abrupt den Hut nahm, wurden 23,5 Milliarden Dollar aus dem Flaggschiff, dem Total Return Fund (TRF) abgezogen. Rumort hatte es da aber längst. Denn schon im Januar hatte sich – ebenfalls völlig abrupt – Co-CEO Mohamed El-Erian verabschiedet.
Das Wall Street Journal berichtete kurz darauf von einer wütenden Auseinandersetzung zwischen Gross und El-Erian.
Mit einem Anlagevermögen von fast zwei Billionen Dollar ist Pimco unbestritten der Hecht im Karpfenteich der Bondmärkte. Das im September abgezogene Kapital macht daher lediglich ein Prozent des verwalteten Vermögens in den vielen Fonds der Gruppe aus. Pimco kann diese Delle gut wegstecken, vorausgesetzt der Aderlass lässt nach.
Wie kolossal Pimco ist, zeigt ein Vergleich: Das verwaltete Vermögen von 1,97 Billionen Dollar ist etwa die Hälfte größer als das addierte Bruttoinlandsprodukt von Afrika. Doch gerade wegen dieser Größe schlagen die Turbulenzen um die Fondsgruppe in der gesamten Branche Wellen.
Immerhin war der Mittelabfluss im September den Analysten des Branchendienstes Morningstar zufolge in absoluten Zahlen der größte, der je in der Bondbranche registriert wurde.
Pimco ist jetzt auf Schadensbegrenzung bedacht. Während Konkurrenten wie DoubleLine Capital und einige ETF-Bondfonds vom Ungemach beim Wettbewerber profitieren, bemüht sich das Unternehmen in Konferenzschaltungen mit institutionellen Investoren und mit Auftritten in TV-Sendern wie CNBC, die Wogen zu glätten.
„Wir sind zuversichtlich, dass die ganz überwiegende Mehrheit der Investoren weiter mit Pimco arbeitet, während wir demonstrieren, warum wir den Ruf als einer der führenden Investment-Manager der Welt erworben haben“, erklärte Pimco Anfang Oktober.
Dennoch bleiben Vertrauensverlust und Zweifel. Pimco selbst hat in einem Statement Ende September „fundamentale Differenzen" zwischen Bill Gross und dem Rest der Pimco-Führung eingeräumt. Es ging um die künftige Ausrichtung und Strategie.
Das weist auf Unruhe hin, in einer Branche, in der „Langeweile“, also Stabilität, das vielleicht größte Anlagevermögen ist.
Seit einiger Zeit war auch die Performance der von Gross geführten Fonds – wie der TRF, der Pimco Unconstrained Bond, der Select Unconstrained und der Old Mutual Total Return – in der Diskussion.
In den vergangenen drei Jahren erzielte der jetzt zu Janus gewechselte Manager im Schnitt eine Rendite von 9,11 Prozent, gegenüber 14 Prozent im US-dominierten Anleihesektor insgesamt. Die vier Jahrzehnte währende Erfolgsserie, die Pimco in ein Kult-Finanzvehikel verwandelt hatte, ist im laufenden Jahrzehnt abgerissen.
Seit 2010 hat der Total Return Fund nicht mit dem Index, den er abbilden soll, Schritt gehalten.
Auf der Finanzseite Investopedia wird gerätselt, ob dies das Resultat eines schwächeren Managements ist oder eher Zufall. Wenn die nachlassende Performance Zufall wäre, so die brisante Schlussfolgerung, dann wären die soliden Ergebnisse der Vorjahre vielleicht auch ein Zufallsprodukt.
Im Klartext: Das Management hat seinen Teil beigetragen. Das dürfte der Grund sein, warum Insidern zufolge jetzt einige große Fonds, vor allem Pensionsfonds, Pimco auf der Watchlist für eingehende Beobachtung haben.
Das Branchenmagazin Pensions & Investments zitiert den Geschäftsführer des gleichnamigen Investmentberaters, Robert DiMeo, mit den Worten, der Abgang von Gross stelle „eine große Missachtung für Klienten und Kollegen dar“ Ganz klar, aus diesen Worten spricht Enttäuschung.
Sein jüngst gezeigtes Verhalten stehe nicht im Einklang mit dem langjährigen Ruf als brillanter Investor, wird Gross in der Zunft vorgeworfen. Dramen und drastische Entscheidungen seien genau das, was die großen Investoren in der Branche nicht haben wollten.
Dass sich binnen neun Monaten gleich zwei Führungspersönlichkeiten von Pimco verabschiedet haben, wird demnach in der Branche als „eine tumultartige Periode von Personalangelegenheiten“ gewertet.
Wie wichtig Pimco vor allem für große US-Fonds ist, zeigen ein paar andere Beispiele.
Das Teachers‘ Retirement System (TRS) im Bundesstaat Illinois lässt bei Pimco für neun maßgeschneiderte Strategien insgesamt drei Milliarden Dollar verwalten, was 6,6 Prozent des gesamten Anlagevermögens bei TRS entspricht. Es gibt dem Vernehmen nach „keine Pläne“, die Beziehung zu Pimco zu beenden.
Der Bondfondsriese ist auch einer der drei Topverwalter für die Pensionskasse der städtischen Beamten von Phoenix, die 2,2 Milliarden Dollar anlegen müssen. Das Florida State Board of Administration, das die Ersparnisse der Beamten in dem Rentnerparadies verwaltet, ist dagegen nicht so loyal wie TRS. Es will seine Einlagen bei Pimco „reduzieren“.
Dass Pimco angesichts der Turbulenzen und der Kapitalabflüsse seinen VIP-Status an der Wall Street verliert, ist jedoch unwahrscheinlich. Die schiere Größe machte das Unternehmen zu einem Powerhaus für Investoren. Die Banken verdienen prächtig an den Geschäften mit Pimco.
Doch Händler, die Transaktionen für das Haus arrangieren, oder Verkäufer, die Pimco-Bonds vertreiben, müssen heftigen Preisdruck aushalten. Pimco wird dank seiner Größe und Bedeutung stets bedacht, wenn es wichtige Emissionen gibt, selbst wenn es spät in einen Deal einsteigt.
Die enorme Größe hat aber auch Nachteile. Kritiker bemerken, dass Pimco auf eine Größe angeschwollen ist, ab der es schwierig wird, die gesetzten Benchmarks zu schlagen.
Für die Allianz, die Anfang Oktober das Vorstandsmitglied Oliver Bäte zum Nachfolger von Michael Diekmann an der Spitze des Konzerns berufen hat, wird Pimco vorerst noch eine Baustelle bleiben, bis das neue Führungsteam eingespielt ist und wieder mehr Ruhe einkehrt.
Dass dies bis zum 6. Mai 2015 geschieht, wenn Bäte als neuer Vorstandschef übernimmt, ist fraglich. Pimco wieder auf Kurs zu bringen und die Abflüsse einzudämmen, dürfte sogar die erste und größte Herausforderung des neuen CEO sein.
Wie sehr die Allianz unter Druck steht, sieht man am Aktienkurs. Der hat seit Ende September 14 Prozent eingebüßt. Pimcos neuer CIO und Gross-Nachfolger Daniel Ivascyn hat seinem Lebenslauf zufolge jedenfalls das Zeug, erfolgreich in die übergroßen Fußstapfen zu treten. Ivascyn hat bisher den 38 Milliarden Dollar umfassenden Income Fund mitgemanagt.
Laut Bloomberg hat der Fonds in den vergangenen drei Jahren fast durchgehend die Vergleichsfonds abgehängt. 2013 wurde Ivascyn von Morningstar zum Anleihe-Fondsmanager des Jahres gekürt. Nach der Finanzkrise setzte er erfolgreich auf hypothekenbesicherte Wertpapiere.