Erst wurde die Fibank in Bulgarien Ende Juni 2014 von einem Bankrun heimgesucht. Kurz darauf gerät in Portugal die Espírito Santo unter Druck, eine der größten Geldhäuser des Landes. Jetzt rätseln Experten über ein neues Banken-Zittern.
Der Hintergrund sind Zahlungsschwierigkeiten bei der Muttergesellschaft Espírito Santo International SA, einem undurchsichtigen Konglomerat, das Beteiligungen in der ganzen Welt unterhält. Inzwischen ist die Aktie ein Penney Stock, auch die Anleihen sind stark gefallen. Und Ratingagenturen haben in dieser Woche die Bonität des Instituts herabgestuft.
Manche Anleger rechnen offenbar mit dem Aus der Bank, obwohl das Institut – von der Notenbank bestätigt – mitgeteilt hat, über ausreichend Kapital zu verfügen, um mögliche Verluste der Muttergesellschaft auszuhalten. Kein Wunder, dass es Mitte Juli 2015 so aussieht, als würde sich die Angst vor einer neu aufflammenden europäischen Bankenkrise an den Märkten entfachen.
Anleger flüchten in vermeintliche sichere Anlagen, wie deutsche und amerikanische Staatsanleihen, Gold und US-Dollar. Selbst an den US-Aktienmärkten geht es zeitweise abwärts. Und nicht nur die Staatsanleihen Portugals, sondern auch die Spaniens und Italiens geraten unter Druck; Griechenland, das zur gleichen Zeit einen Bond begibt, muss dabei ebenfalls gehörig Abstriche machen.
Also alles zurück auf Los in der Eurokrise? „Eher nein“, schreiben die Analysten der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). „Vielmehr haben die Anleger diesen Anstoß wohl gebraucht, um zu realisieren: Erst wenn die Europäische Zentralbank im Oktober die Ergebnisse ihrer Bilanzüberprüfungen der europäischen Großbanken veröffentlicht, kann differenzierter über die Lage der Banken in der Peripherie geurteilt werden“.
Zudem seien europäische Staatsanleihen in den vergangenen beiden Jahren sehr gut gelaufen, ein guter Grund auch einmal zu verkaufen – eine längst überfällige Korrektur also in Zeiten billigen Geldes.
Anders als zu früheren Zeiten in der Finanzkrise hat die lokale Notenbank diesmal offenbar schnell genug reagiert, um die Märkte zu beruhigen: Rasch wird das Management der portugiesischen Bank ausgewechselt, worauf Anfang dieser Woche wieder Ruhe einkehrt, zwar nicht bei den Aktien der Bank, aber zumindest bei portugiesischen Staatsanleihen.
Auch ein Bankrun größeren Ausmaßes ist bislang ausgeblieben, eine Nachricht, die auch einige deutsche Sparer beruhigen dürfte: Wie die Fibank, so hat auch Espirito Santo hierzulande mit hohen Zinsen Spargelder eingesammelt.
Auch die Ratingagenturen geben inzwischen Entwarnung. Zwar bleibe das Bankensystem Portugals anfällig für Vertrauensverluste, schreiben die Experten von Fitch, gleichwohl seien die Probleme von Espírito Santo gut eingegrenzt worden. „Das Risiko für die großen portugiesischen Banken wie Banco BPI, Santander Totta, Millenium und Caixa Geral ist überschaubar, weil jede der Banken nur begrenzt von der Espirito Santo Gruppe abhängt“, schreibt Fitch.
Zudem profitierten die Banken auch von der weiterhin zugänglichen EZB-Refinanzierung. Die anhaltende Unsicherheit werde es den Häusern aus Europas Südländern allerdings erst einmal erschweren, noch vor dem Stresstest der Zentralbank frisches Eigenkapital aufzunehmen.
Darüber hinaus dürften die Refinanzierungskosten der Banken weiter stark schwanken: „Für dieses Jahr hatten wir damit gerechnet, dass sinkende Einlagenzinsen der Schlüssel für steigende Gewinne der portugiesischen Banken sind, aber solange die Unsicherheit anhält, wird sich das nicht verbessern“.
Auch Moody’s rechnet nicht mit weiteren Verwerfungen, etwa größeren Auswirkungen der Espírito-Santo-Probleme auf die Lage des früheren Krisenlandes. Diese hätte sich in den vergangenen Quartalen weiter verbessert. Selbst wenn Portugal die Bank stützen müsste, würde dies die nach wie vor hohe Staatsschuldenquote nicht weiter erhöhen, da das Land für solche Fälle bereits Reserven gebildet habe.
Fazit: Schon jetzt profitiert Portugal von einem zügig umgesetzten weitreichenden Reformprogramm.
Gleichwohl bleibt die Frage, ob Europas Bankensystem bereits wieder ausreichend stabil ist nach den Turbulenzen der Finanzkrise. Sicher: Die meisten Banken – auch die in den Krisenländern – sind sehr viel besser kapitalisiert, sie haben ihre Bilanzen geschrumpft und werden diesen Sommer erneut einem großen Stresstest unterzogen, bevor die EZB im November die Bankenaufsicht übernimmt.
Auch die Probleme von Espírito Santo sind wohl auf diesem Wege ans Licht gekommen, als nämlich im Mai die portugiesische Zentralbank ein Bilanzloch und Liquiditätsprobleme bei der Gruppe entdeckte.
Die Konsolidierung des europäischen Bankensektors aber ist noch nicht abgeschlossen und muss zügig weiter vorangetrieben werden. Das jedenfalls schreiben die Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Sie stehen damit stellvertretend für die herrschende Meinung vieler Beobachter:
„Der Bankensektor im Euroraum hat sich seit der Krise zwar stabilisiert, er bleibt aber sehr groß und verhältnismäßig schwach kapitalisiert“, heißt es in einer aktuellen DIW-Studie. Als Schwachstellen werden insbesondere die enge Verflechtung von Staats- und Bankenrisiken, Überkapazitäten und eine zu geringe Transparenz genannt.
Im Durchschnitt betrage die Bilanzsumme europäischer Banken das 20fache der Eigenmittel der Banken, während amerikanische Institute wesentlich besser dastünden. Vor allem in Italien und Spanien seien die Bankaktiva noch nicht in bestem Zustand – gemessen an den notleidenden Krediten in Relation zu den gesamten Krediten eines Bankensystems.
Auch Finanzierungsexperte Peter Barkow von Barkow Consulting sagt: „Es ist nach wie vor berechtigt, zu fragen, wie sicher das europäische Bankensystem ist“. Wer in Europas Banken investieren wolle, solle genau prüfen, wie profitabel und wie gut kapitalisiert das jeweilige Institut sei. „Aber selbst bei den Banken, die in diesen Punkten die besten Parameter aufweisen, können am Ende immer noch ein paar negativ überraschen“.
Die Aufseher würden Krisen nun zwar früher ersticken. Zwei Probleme seien jedoch noch nicht gelöst: „Man hat es versäumt, den Bankensektor konsequent zu restrukturieren. Es gibt also nach wie vor zu viele Banken in Europa. Außerdem geht es den Banken in der Regel erst wieder gut, wenn auch die Wirtschaft wächst, aber das ist bislang in Europa noch nicht der Fall.“