Das ausklingende Jahr 2014 ist für sie schon nicht schlecht gelaufen. Doch 2015 könnte das goldene Jahr der Aktivisten werden: Aggressive Treibjagd-Investoren wie Carl Icahn, Daniel Loeb und Bill Ackman dürfen im kommenden Jahr zwar nicht mehr so viel Verzinsung auf ihre Kampagnen erwarten, dafür aber größere Deals und stärkeren Einfluss.
Das geht aus der jüngsten Umfrage hervor, die die New Yorker Kanzlei Schulte Roth & Zabel zusammen mit dem Analyse-Unternehmen Mergermarket unter Finanzmanagern durchgeführt hat. Demnach sagen 98 Prozent aller Befragten Finanzprofis für die kommenden 12 bis 24 Monate eine Zunahme der Kampagnen aktivistischer Investoren vorher. Mehr als die Hälfte der Banker, Fondsmanager und anderen Vermögensverwalter erwartet sogar eine „deutliche“ Zunahme.
„Im Augenblick sieht es einfach nach fortgesetztem Wachstum für die Aktivisten aus“, sagt Marc Weingarten, Partner bei Schulte Roth & Zabel. Die Prognose ist kaum überraschend. Investoren und Anleger haben den aktivistischen Hedgefonds in den ersten neun Monaten des Jahres zusätzliche 10,8 Milliarden Dollar anvertraut. Das berichtet der Datenspezialist Hedge Fund Research (HFR) in Chicago.
Bis Anfang November 2014 stieg der Mittelzufluss in den Aktivistenfonds der Branchendatenbank eVestment zufolge sogar auf 14 Milliarden Dollar. Immer öfter bieten Hedgefonds hochqualifizierte Kandidaten auf, wenn sie eigene Leute in den Aufsichtsrat einer Zielfirma befördern wollen.
Erfolge, wie im Falle von Ebay, das auf Drängen von Carl Icahn seine PayPal-Sparte abspalten will, sorgen für eine wachsende Anziehungskraft. Und schließlich: Die Renditen, die aktive Hedgefonds mit ihren Kampagnen für Aktienrückkäufe, Strategiewechsel, Sparmaßnahmen und neue Aufsichtsräte erzielen, machen sie für Anleger in Zeiten von Minizinsen attraktiv.
Wobei sich zuletzt allerdings auch die Aktivisten dem Zinsniveau annäherten: Vor zwei Jahren erzielten sie der HFR-Datenbank zufolge eine durchschnittliche Verzinsung von 20,9 Prozent, im vergangenen Jahr 16 Prozent. Im laufenden Jahr bis September schmolz die Rendite auf unter 4 Prozent ab.
Dieser Renditeschwund hat verschiedene Gründe. Weil immer mehr Anlagekapital in unterbewertete und schlecht geführte Firmen gelenkt wird, gehen den Aktivisten langsam die Ziele aus. So stürzen sie sich immer häufiger auch auf Investments, die nicht so viel abwerfen. Je größer die Ziele der Aktivisten, desto schwieriger wird es auch, die gestellten Forderungen durchzusetzen.
Außerdem: In immer mehr Fällen schließen sich traditionelle Fonds, etwa Pensionsfonds, den Aktivisten an. Doch diese haben mehr Geduld und können auf Ergebnisse warten.
In manchen Fällen haben 2014 die Aktivisten sogar bis nach der Hauptversammlung gewartet, bis sie ihre Forderungen an den Vorstand der attackierten Firma formulierten. Zudem treffen die Hedgefonds immer öfter auf Vorstände und Aufsichtsräte, die ähnlich denken wie die Renditerebellen selbst. Die Manager justieren in vorauseilendem Gehorsam ihre Strategie oft schon neu, bevor die Aktivisten überhaupt anklopfen.
Einige Firmen, wie Google und Facebook, haben beizeiten ihre Kapitalstruktur entsprechend auf mögliche Attacken eingestellt. Beide Unternehmen haben die Mehrheit der Stimmen auf die Konzernführung übertragen.
Welche Industrien die Aktivisten auf dem Kieker haben, scheint kein Geheimnis zu sein. In der Umfrage von Schulte Roth & Zabel nennen 86 Prozent der Befragten die Finanzdienstleister, 62 Prozent von ihnen tippen auf Industriewerte, vor allem die Chemie. Der Startschuss für 2015 ist in Wirklichkeit längst erklungen.
Im Oktober 2014 offenbarte Daniel Loeb ein Aktienpaket von Amgen zu besitzen, und er forderte eine Aufspaltung des Pharmaunternehmens. Bei Apple hat Aktivist Carl Icahn einen Zielkurs von 200 Dollar verkündet – knapp dem doppelten der aktuellen Notierung. Und bei Ebay hat er sich als sechstgrößter Aktionär mit der Forderung nach einem PayPal-Spinoff durchgesetzt. Dieser steht für 2015 an.
Selbst McDonald’s, der weltgrößte Burgerbrater, ist Wall Street-Insidern zufolge inzwischen auf den Radarschirmen der Aktivisten aufgetaucht. McDonald’s sieht neuerdings verletzbar aus, weil es an der Börse geringer bewertet wird als einige seiner Wettbewerber, und weil die Burgerkette mit viel Bargeld und wenig Schulden glänzt.
Die Marktkapitalisierung von 90 Milliarden Dollar ist für McDonald’s schon längst kein zuverlässiger Schutzschild gegen die renitenten Eindringlinge der Hedgefonds mehr.
Der Aktivist Nelson Peltz hat sich mit PepsiCo, das er aufspalten will, indes ein noch größeres Ziel vorgenommen. Pepsi bringt es bei aktuellen Kursen auf einen Marktwert von 145 Milliarden Dollar. Das Unternehmen – seither noch stärker an Kurspflege interessiert – hat versprochen, bis 2016 satte 20 Milliarden Dollar an die Aktionäre auszuschütten. Etwa ein Viertel des Geldes ist bereits geflossen.
Solange die Zinsen niedrig bleiben, dürfte auch die Welle der Fusionen und Übernahmen weiterrollen. Schon jetzt ist sie so groß wie zuletzt 2007. Selbst steigende Zinsen würden die M&A-Welle nicht zum erliegen bringen, sagen Experten. Denn das Muster der Übernahmen hat sich seit 2007 zum Teil stark verändert.
„Damals haben Firmen einfach andere Firmen gekauft, um den Preis in die Höhe zu treiben“, sagt Mitch Eitel, Partner in der Kanzlei Sullivan & Cromwell. Jetzt aber würden die Deals strategisch angepackt, und sehr gut durchdacht.
Und weil die Zahl der möglichen Zielfirmen in den USA langsam schwindet, rückt Europa verstärkt in das Visier der Treibjagd-Investoren. „In den USA gibt es ein Gedränge“, sagt Gary Weis, der Leiter für Übernahmen und Fusionen in den nordischen Ländern bei JP Morgan Chase, „daher sehen Investoren in Europa jetzt mehr Chancen, in europäischen Firmen zusätzlichen Wert zu generieren.“