Wenn Klein- und Großaktionäre um die Firmenzukunft ringen, geht es beizeiten hoch her. Die jüngsten Beispiele: Celesio und Rhön. Während der Pharmagroßhändler bereits im Sinne der neuen Großeigner umgebaut wird, hat der Krankenhausdienstleister seit wenigen Tagen mal wieder eine Aktionärsklage am Hals.
Dabei hatte die Rhön-Klinikum AG nach einem beispiellosen Machtkampf mehrerer Großaktionäre erst Mitte Juni 2014 auf der Hauptversammlung einen geplanten Aktienrückkauf beschlossen.
Außerdem sollte Ludwig Georg Braun in den Aufsichtsrat einziehen – ausgerechnet jener Mann, der sich zuvor diverse juristische Auseinandersetzungen mit Rhön geliefert und sich in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratschef des Medizintechnikkonzerns B. Braun eine Sperrminorität bei der Rhön-Klinikum AG gesichert hatte.
So wollte er die geplante Übernahme von Rhön durch Fresenius verhindern. Erst im zweiten Anlauf gelang dann der Deal: Fresenius kaufte für rund drei Milliarden Euro 40 Kliniken und damit zwei Drittel des Kerngeschäfts des Rhön-Konzerns.
Seither ist der Rhön-Aktienkurs stark gestiegen; mit einer Kapitalausschüttung von 1,7 Milliarden Euro will das Unternehmen seine Aktionäre zudem am Verkaufserlös beteiligen. Auf der Hauptversammlung übten gleichwohl einige Kleinaktionäre heftige Kritik an der Nominierung Brauns. „Der will seine Plasmabeutel hier verkaufen – darum geht es doch“, sagte ein Rhön-Aktionär.
Andreas Schmidt von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) fragte: „Wurde der Frieden mit Braun mit höheren Preisen oder Nebenabreden bezahlt?“ Da Rhön Produkte von B. Braun bezieht, sehen viele Anteilseigner darin einen Interessenkonflikt.
Mitte Juli 2014 folgte dann die Klage eines unbekannten Anteilseigners gegen die HV-Beschlüsse. Nun kann der Aktienrückkauf möglicherweise nicht wie geplant umgesetzt werden, die Mittel müssten dann als Dividende ausgeschüttet werden.
Sonderbehandlung für Großaktionäre, Trittbrettfahrten für Kleinaktionäre – auch im Fall des Pharmahändlers Celesio steckt von allem etwas. US-Konkurrent McKesson hält Ende Juli 2014 inzwischen knapp 76 Prozent der Anteile am deutschen Wettbewerber und wird das Unternehmen aller Voraussicht nach von der Börse nehmen.
Die bisherige Celesio-Chefin Marion Helmes wurde nach der jüngsten Hauptversammlung Mitte Juli inzwischen vom langjährige McKesson-Manager Marc Owen ersetzt.
Doch Einigkeit unter den Aktionären sieht auch im Fall des Tabelttengroßhändlers Celesio anders aus. Zwar konnten sich zunächst alle Aktionäre darüber freuen, dass der aktivistische Hedgefonds Elliott mit seinem Einstieg McKesson zwang, den Kaufpreis von 23 auf 23,50 Euro je Aktie zu erhöhen – vor der Kaufofferte lag der Kurs bei 17 Euro.
Dass sich Elliott im zweiten Zug die Celesio-Wandelanleihen teuer abkaufen ließ, um McKesson über den Umweg des Großaktionärs Haniel zu seinen mindestens 75 Prozent Stimmrechten zu verhelfen, goutierten die Kleinaktionäre hingegen weniger.
„Elliot ist ganz klar bevorzugt worden durch das Gebot für die Wandelanleihe, weil sie dort überproportional investiert waren“, sagt SdK-Vorstand Daniel Bauer. Es gehöre ins Gesetz aufgenommen, dass nicht nur alle Aktionäre gleich behandelt werden müssten, sondern auch Aktionäre und Halter von Wandelanleihen.
Entgegenkommen dürfte den Kleinaktionären wiederum, dass Ende Mai 2014 auch noch ein Hedgefonds namens Magnetar auf eine höhere Abfindung spekuliert und bereits mit Klage droht, sollte McKesson Celesio von der Börse nehmen und die aktivistischen Aktionäre herauskaufen.
So vielschichtig die Lage bei Rhön und Celesio ist, so zeigen doch beide Fälle: Theorie und Praxis unterscheiden sich im Aktienrecht mitunter deutlich. Was die Angelsachsen schlicht als „one share, one vote“ bezeichnen und auch im deutschen Aktiengesetz verankert ist, sieht in der Realität oft anders aus.
Das fängt damit an, dass sich meistens gerade einmal die Hälfte des stimmberechtigten Kapitals auf Hauptversammlungen einfindet. Und selbst von den anwesenden Aktionären nicken viele die Tagesordnungspunkte nur pflichtbewusst ab, statt die Pläne von Vorstand und Aufsichtsrat kritisch zu hinterfragen.
Selbst die personell stark aufgestellten großen Kapitalanlegestellen DWS, Union, Deka und AGI müssen sich nach wie vor die Frage stellen lassen, ob sie auf Hauptversammlungen nicht eine zu passive Rolle spielen.
Hinzu kommt seit Oktober vergangenen Jahres ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH), das es Unternehmen deutlich erleichtert, sich per Vorstandsbeschluss – also ohne die HV zu befragen – und ohne Abfindung zu zahlen, von der Börse zurückzuziehen. Vor allem Kleinaktionäre verlieren dabei Rechte und Geld, Großaktionäre jedoch profitieren.
Ein Beispiel sind die Marseille-Kliniken, deren Kurs einbrach, nachdem der Vorstand im Juni den geplanten Rückzug von der Börse mitgeteilt hatte. Die einzigen Käufer in solchen Fällen sind in der Regel die Großaktionäre, die anders als Kleinaktionäre keinen großen Wert darauf legen, ob die Aktien jederzeit handelbar sind.
Ein weiteres Problem für Kleinaktionäre sind Berufskläger. Seit Jahrzehnten bestritt diese kampferprobte Gruppe die Bühnen verschiedener Hauptversammlungen, um eigene Belange durchzusetzen. Regelmäßig fechten sie HV-Beschlüsse an, um deren Umsetzung zu blockieren. Ihren Widerstand kann der Vorstand dann oft nur mit größeren Geldbeträgen brechen.
Der Gesetzgeber hat zwar im Jahr 2009 versucht, die Berufskläger in die Schranken zu weisen, doch so ganz will dies nicht gelingen. Ihre Zahl soll sogar gestiegen sein.
Wenn dann aus einer zunächst als feindlich eingestuften Übernahme zudem plötzlich eine freundliche wird, ist das für Minderheitsaktionäre nicht immer nachvollziehbar, etwa wenn der Kaufpreis nur geringfügig verbessert wurde.
Schließlich gibt es eine Vielzahl von Methoden, den Vorstand zu überzeugen: gut dotierte Beraterverträge, goldene Fallschirme, lukrative Posten samt stattlichem Aktienpaket am übernehmenden Unternehmen.
Dennoch kann das Engagement von institutionellen Investoren am Ende auch Vorteile für kleine Kapitaleigner bringen.
So können zum Beispiel bei Übernahmen oft erst Großaktionäre oder opportunistische Finanzinvestoren, die auf eine Paket- oder Kontrollprämie bestehen, einen höheren Preis erzwingen. Denn sie haben meist mehr Verständnis für die Fusionsvorteile und können daher genauer abschätzen, wo die wirkliche Schmerzgrenze des Käufers liegt.
Da von einer höheren Offerte alle Aktionäre profitieren, wirkt die Kritik an der Rolle von Finanzinvestoren bei Übernahmeschlachten daher zuweilen auch überzogen. Gerade der Fall Celesio zeigt, dass es hier um ein freies Kräftemessen aller Beteiligten geht. So musste auch der Hedgefonds Elliot letztlich von seinen Maximalforderungen abweichen, um die Übernahme nicht platzen zu lassen.
Und auch im Fall Rhön sei – bei aller Kritik an möglichen Nebenabreden mit Ludwig Georg Braun – nicht alles schwarz-weiß, sagt auch SdK-Vorstand Bauer: Man müsse jetzt zwar sehen, wie es mit dem verkleinerten Unternehmen weitergehe. “Aber der Verkauf der Kliniken an Fresenius war mit Blick auf den Kurs durchaus erfreulich für die Kleinaktionäre.“