Sattgrüne Wiesen und reich wogende Äcker, die Pflanzen kräftig wachsend: Vieles gedeiht üppig, wenn mit Kali gedüngt wird, einer mineralischen Verbindung mit hohem Kalium-Gehalt. Derart gepäppelte Gewächse bringen Bauern höhere Erträge, entsprechend begehrt ist der Kalidünger. Und das Geschäft damit.
Jetzt ist der Kalidüngerhersteller K+S selbst begehrt, der deutsche Dax-Konzern.
Das Unternehmen Potash aus Kanada, die Nummer drei des weltweiten Kalimarkts, will K+S kaufen. 41 Dollar pro Aktie hat Potash aus der Provinz Saskatchewan für K+S in Aussicht gestellt, die selbst Nummer sechs auf dem Weltmarkt ist. Potash würde lieber heute als morgen mit der Due Diligence beginnen, jener Phase also, in der sich die Kanadier einen Blick in die Geschäftsbücher von K+S sichern, um Überraschungen vorzubeugen.
Doch bis das angekündigte Übernahmeangebot vorliegt, der Kauf gar vollzogen und der Schriftzug des Milliardenunternehmens K+S von den Kurstafeln der Deutschen Börse verschwunden ist, dürfte noch reichlich Kalidünger abgebaut werden. Denn Vorstand und Aufsichtsrat von K+S haben die Potash-Ankündigung „nach sorgfältiger Prüfung und Abwägung der Gesamtumstände“ am 2. Juli 2015 abgelehnt. K+S-Chef Norbert Steiner bezeichnete die Offerte in einer Videobotschaft als „zu niedrig.“
Allein das neue Bergwerk, das K+S in der kanadischen Provinz Saskatchewan – vor der Haustür von Potash – plant, sei mit 11 Euro pro Aktie zu bewerten und habe ein Potenzial von 21 Euro.
Unter dem Strich spiegele die vorgeschlagene Transaktion dann auch nicht den Wert von K+S wider und sei daher nicht im Interesse des Unternehmens und seiner Aktionäre, führte Steiner weiter aus. Außerdem habe Potash trotz Nachfrage keine verbindliche Zusage für die weltweit mehr als 14.000 Arbeiter und Angestellten von K+S gemacht.
Potash reagierte prompt und unterstrich weiteres Interesse an K+S. Am angekündigten Preis pro Anteilsschein von 41 Euro änderten die Kanadier indes nichts. Der Aktienkurs von K+S legte dennoch im Tagesverlauf des 3. Juli 2015 zwischenzeitlich um mehr als 6 Prozent auf 39,25 Euro zu.
Aktionäre stellen sich nun die Frage, ob die Kanadier ihr Angebot bei Vorlage doch nachbessern und Verträge zur Standort- und Beschäftigungssicherheit unterzeichnen. Auch eine feindliche Übernahme steht im Raum. In einem solchen Fall gibt es in der Regel keine Zugeständnisse und Vereinbarungen mehr.
In beiden Fällen stehen die Chancen für ein aufgestocktes Angebot nach Einschätzung von Experten nicht schlecht: „Die langfristig guten Wachstumschancen des Kasseler Salz- und Düngemittelkonzerns sind im gegenwärtigen Kursniveau noch nicht ausreichend reflektiert“, schrieb beispielsweise Nils-Peter Gehrmann am Tag der Potash-Erwiderung, Analyst der Privatbank Hauck & Aufhäuser.
Potash jedenfalls versucht nicht zum ersten Mal, K+S zu übernehmen. Schon im Jahr 1997 wollten die Kanadier das Unternehmen vom damaligen Mehrheitseigentümer BASF kaufen. Die Ludwigshafener und Potash waren sich bereits handelseinig, dann aber schritt das Bundeskartellamt ein und untersagte den Kauf. Die Begründung lautete, durch einen solchen Erwerb werde eine marktbeherrschende Stellung von K+S auf dem deutschen Kalimarkt verstärkt.
Die BASF wurde daraufhin beim damaligen Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) vorstellig, der aber die beantragte Ministererlaubnis versagte. Rexrodt sah keine Vorteile für das Gemeinwohl, wenn die Fusion zustande käme. Die BASF verkaufte schließlich schrittweise Anteile an Finanzinvestoren. Daher ist die heutige Aktionärsstruktur von K+S von hohem Streubesitz geprägt.
Der Freefloat, wie ihn die Deutsche Börse definiert, bestand am Tag der Übernahmeankündigung zu 37 Prozent aus privaten und zu 63 Prozent aus institutionellen Investoren. Lediglich der Finanzinvestor Blackrock besitzt seit dem 27. März 2015 mit 4,38 Prozent der K+S-Aktien einen Anteil oberhalb der gesetzlichen Meldeschwelle.
Genau dieser breite Streubesitz macht die kommenden Wochen spannend. Denn wer weiß, wie hoch die Kanadier in ihrem zweiten Übernahmeversuch gehen werden? Und wann die Anteileigner ins Nachdenken kommen, eine Offerte anzunehmen?
Unklar ist dann auch, wie sich gegebenenfalls das Kartellamt positioniert. Noch wollen sich die Beamten gegenüber irx.eu, dem aktionaersforum, zwar nicht äußern. Sollten sie aber erneut über den Fall urteilen, wäre die Lage auf dem Kalimarkt für sie wieder ein maßgebliches Entscheidungskriterium. Und die ist derzeit alles andere als entspannt.
Trotz guter Perspektiven ist der weltweit etwa 20 Milliarden Dollar schwere Markt für Kalidünger seit zwei Jahren aus dem Takt geraten. Im Jahr 2013 kündigte die Nummer eins der Branche, die Uralkali aus Russland, ihr Vermarktungskartell mit der Nummer zwei, der Belaruskali aus Weißrussland.
Die beiden Branchenriesen hatten über Jahre die Preise künstlich hoch gehalten, nach Aufkündigung der Kartellvereinbarung rasselten die Kalipreise weltweit in den Keller: Noch im Jahr 2008 kostete eine Tonne Kali dann auch bis zu 1000 Dollar. Doch nach dem Auseinanderbrechen des russisch-weißrussischen Kalikartells sackte der Preis teils unter 300 Dollar je Tonne Kali. Ein herber Rückschlag für die Rohstoffunternehmen.
Zwar haben sich die Notierungen seitdem wieder etwas erholt, von den einstigen Höchstständen sind sie jedoch noch weit entfernt. Gerade die Uralkali flutet den weltweiten Markt weiter. Und zumindest mittelfristig droht noch mehr Kali auf den Markt zu drängen:
In der Nachbarschaft der Kanadier in Saskatchewan entwickelt ausgerechnet K+S seine große Legacy-Mine mit einem möglichen Ausstoß von bis zu drei Millionen Tonnen im Jahr. Das ist nicht nur viel, die Folgen wären für Potash auch nicht direkt zu kontrollieren. Denn K+S gehört nicht dem Kalikartell namens Canpotex an, in dem sich Potash und die Unternehmen Mosaic und Agrium zusammengeschlossen haben – um den osteuropäischen Marktführern Uralkali und Belaruskali Paroli zubieten.
Entsprechend groß könnte deshalb das Interesse von Potash sein, das zusätzliche Kaliangebot aus der Legacy-Mine erst gar nicht unkontrolliert auf den Markt drängen zu lassen. Durch eine vorbeugende Übernahme von K+S würde den Kanadiern die Kontrolle über die Preise auf dem Kalimarkt nicht noch weiter entgleiten.
Die Angst jedenfalls vor anhaltendem Preisdruck treibt in der Branche nicht nur Potash um, sondern auch die Beamten dessen Heimatprovinz Saskatchewan. Denn die Region streicht im Jahr mehr als eine Milliarde Euro Schürfgebühren und Steuern bei Potash ein.
Der starke politische Einfluss auf das kanadische Unternehmen und dieselbe Furcht vor weiterhin schwachen Kalipreisen hatten 2010 auch dazu geführt, dass BHP Billiton mit seinem 28 Milliarden Euro umfassenden Übernahmeangebot für Potash nicht durchkam.
Im Klartext: Die Übernahme von K+S könnte es für Potash einfacher machen, durch die Steuerung eines größeren Teils der Kaliproduktion die Preise zu beeinflussen. Nebenbei würde so das Canpotex-Kartell gestärkt. Das käme sicher Potash zu passe, nicht aber den Landwirten in Deutschland und Nordamerkia.
„Mögliche Einwände der Wettbewerbshüter“ gegen die K+S-Übernahme durch Potash, gehören dann auch für Warburg-Analyst Oliver Schwarz zu den Unsicherheiten des Kaufangebots.
Günstiger fällt die geographische Verteilung der Geschäfte beider Unternehmen aus, die auf den ersten Blick kaum Überschneidungen aufweisen und dort entsprechend auch keine Wettbewerbspositionen verdoppeln könnten. Auch die Warengruppen scheinen sich eher zu ergänzen:
Potash beispielsweise ist vor allem in Nordamerika stark, K+S in Europa und Südamerika, wo die Kanadier derzeit faktisch keine Rolle spielen. Die Kasseler wiederum haben weltweit als einzige hochpreisige magnesium- und schwefelhaltige Produkte im Angebot, weil diese Kombination nur im Werra-Revier vorkommen.
Dazu kommt das Salzgeschäft, also Speise- und Streusalz, in dem K+S nach eigenen Angaben Weltmarktführer ist. Die Potash Corp. in Saskatchewan bietet wiederum nicht nur Kali, sondern auch die anderen beiden unverzichtbaren Agrardünger an, nämlich Phosphate und Stickstoff.
Für die Ernsthaftigkeit des Übernahmeversuchs durch Potash spricht im Übrigen auch die Entstehung des kanadischen Rohstoffkonzerns. Die Kanadier stiegen in den 90er Jahren durch gezielte Firmenkäufe zu einem der weltweit größten Anbieter auf. Entsprechend groß ist der Riese nun:
Für das erste Quartal 2015 berichtete Potash ein Ebitda von umgerechnet 665 Millionen Euro. Das war ein Plus von 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der operative Cashflow lag bei 474 Millionen Euro. Potash erzielte Verkaufspreise von etwa 340 Euro je Tonne Kali, bei Produktionskosten von 87 Euro.
Gleichwohl hat Potash in der Folge der Finanzkrise und dem Auseinanderbrechen des weißrussisch-russischen Kalikartells BPC (Belarusian Potash Company) vor zwei Jahren deutlich ächzen müssen und auch erstarkende Konkurrenz bekommen.
Dagegen könnte die Übernahme von K+S helfen: Gemeinsam mit K+S hätte Potash das größte Komplettangebot an Düngerprodukten mit dem größten Vertriebs- und Logistiknetz geschaffen. Das würde eine billigere Produktion und einen lukrativeren Vertrieb bedeuten. Ein Faktor könnte auch die hohe Berbaukompetenz von K+S sein.
Für K+S bleiben in diesem Szenario allerdings einige Fragen offen. Wer würde nach einer Fusion beispielsweise die Überseemärkte von K+S übernehmen – immerhin die Hälfte der 7,5 Millionen Tonnen schweren Produktion der deutschen Bergwerke geht nach Übersee.
Bei drohender Überproduktion könnten in dem fusionierten Unternehmen zudem besonders einige Produktionsstandorte von K+S auf der Kippe stehen, denn K+S arbeitet dort teurer als Potash im Schnitt an seinen Standorten.
Das K+S-Management hat sein Urteil in Sachen Übernahme gefällt: „Wir haben ein Angebot erhalten und dazu haben wir uns positioniert“, sagte der Vorstandsvorsitzende Norbert Steiner.
Unterstützt wird er dabei auch von Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) sowie von Aktionärsvertretern: „Zu 41 Euro empfehlen wir, die Aktien nicht anzubieten“, sagte Daniel Bauer, Vorstand bei der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Und so sagte es auch Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) gegenüber der Zeitung: „Dieser Preis ist kein Grund, seine Aktien abzugeben.“