Wer in Berlin den Rosenthaler Platz betritt, sucht dort oft das Reiseführer-Image des Viertels: jung, pulsierend, teils wirtschaftlich aufstrebend – dank vieler Start-ups, insbesondere aus der Digital-Branche. Das Image hat sich offenbar nicht nur bei Berlin-Touristen eingebrannt, sondern auch bei Berlin-Investoren.
Der Stahlhändler Klöckner & Co aus Duisburg etwa hat Anfang 2015 gleich eine eigene Firma gegründet mit Sitz beim „Rosi“, wie Berliner die Gegend bisweilen nennen. kloeckner.i soll immerhin 20 Mitarbeiter bis Ende 2015 haben, deren Ideen künftig Lieferanten und Kunden modern und digital verknüpfen helfen mögen. „Dabei wird kloeckner.i in Berlin die zentrale Rolle spielen", so Gisbert Rühl, CEO von Klöckner & Co.
Am 21. September 2015 gab Klöckner dazu bekannt, auch mit dem Online-Marktplatz Contorion zusammenzuarbeiten, ebenfalls Berlin.
Der Wandel zum Internethändler soll die Lieferketten effizienter machen und die hohe Lagerhaltung drastisch reduzieren. Rühl schreckt auch nicht davor zurück, sogar Wettbewerber auf der Handelsplattform mitmischen zu lassen.
Der Klöckner-Vorstandschef verriet der Wirtschaftswoche, dass in Deutschland schon 500 von 700 Kunden, mit denen regelmäßige Lieferkontrakte bestehen, online angebunden wurden. Bis Ende 2016 sollen auch alle amerikanischen Kunden, die etwa 40 Prozent der Verkaufserlöse in den USA repräsentieren, auf die neue Internet-Handelsplattform gehievt werden.
Im Oktober 2015 dominierten die Klöckner-Schlagzeilen allerdings noch die Gewinnwarnung vom 6. Oktober 2015 und Zukäufe des Investors Friedhelm Loh, der seit dem 7.Oktober 2015 bereits 15,27 Prozent der Klöckner-Aktien besitzt.
Gleichwohl: Der Stahlhändler Klöckner versucht den Imagewandel. Es ist nicht das einzige Unternehmen hierzulande, das sich im Herbst 2015 ein neues Erscheinungsbild geben möchte. Und oftmals wird der neue Anstrich von größeren Umbauten im Konzern begleitet.
An seinem Erscheinungsbild feilt beispielsweise auch der Ruhrgebiets-Konzern ThyssenKrupp, der jetzt offenbar sein staubiges Stahlimage ablegen will. Zwar werden wir die Details des neuen Markenkonzepts, das Vorstandschef Heinrich Hiesinger ausarbeiten ließ, erst am 19. November 2015 erfahren. Doch bereits durchgesickert ist, dass zum neuen Image auch ein schlankerer, modernerer Namenszug „thyssenkrupp“ und ein neues Logo gehören werden.
Der Thyssen-Bogen und die Krupp-Ringe werden enger verschmolzen und so ein besseres „Zusammen“ signalisieren, das Teil der neuen Markenbotschaft werden soll. Der Konzernauftritt soll insgesamt aufgefrischt und mehr auf Engineering und die Zukunft getrimmt werden, hört man im Konzern.
Die schlimmste Phase seiner jüngsten Krise des Ruhrgebiets-Riesen hat ThyssenKrupp-Chef Hiesinger zumindest beendet, bevor er das Image des Konzerns verändern will. Das betrifft beispielsweise Werksverkäufe in Amerika oder die Aufarbeitung von Bestechungsskandalen.
Mittlerweile seien die Papiere des Industrie- und Stahlkonzerns „durch das deutliche Steigerungspotenzial bei Gewinn und Liquidität gestützt“, sagt Citigroup-Analyst Michael Flitton. Auch, wenn die nachlasssende inländische Nachfrage nach ThyssenKrupp-Produkten und sinkende Stahlpreise zum Ende Oktober 2015 wieder die Aktienkursaussichten des Unternehmens belasten.
Über den wohl radikalsten Konzernumbau der deutschen Firmengeschichte bei Eon haben wir an dieser Stelle bereits mehrmals berichtet. Eon hat am 30. November 2014 völlig überraschend die Aufspaltung des Konzerns bekannt gegeben. Das klassische Energiegeschäft mit fossilen Energieträgern wird abgespalten.
Eon wird mit den Geschäftsfeldern Energienetze und erneuerbare Energie weitergeführt und sucht als grünes Unternehmen eine Zukunft. Hierfür wurde zuletzt im Oktober 2015 das norwegische Explorations- und Produktionsgeschäft an die DEA verkauft, die dem russischen Milliardär Michail Fridman gehört.
Eon will also nicht nur weg vom Image des Energiedinosauriers, sondern sich auch entsprechend umstrukturieren. Der Erfolg wird die Zukunft zeigen.
Die gewaltigste Image-Aufgabe neben Deutschlands größtem Energiekonzern dürfte allerdings der führende hiesige Autobauer haben, und in diesem Fall sind negative Schlagzeilen der Auslöser für den angestrebten Imagewandel. Denn der Abgasskandal bei Dieselfahrzeugen hat dem Wolfsburger Volkswagen-Konzerns schweren Schaden zugefügt.
Zur Vernichtung von Kapitalisierung durch den Absturz der VW-Aktie von 240 Euro im April 2015 auf 120 Euro im Oktober des Jahres kommen Rückrufkosten und Strafen in Milliardenhöhe auf das Unternehmen zu. Allein in den USA haben bis Ende Oktober 2015 schon mehr als 320 Verbraucher Klage gegen den Autohersteller eingereicht. Die Rückrufaktion ab Anfang 2016 dürfte zudem die teuerste der Automobilgeschichte werden – und der Skandal erschüttert ganz Deutschland.
Seit der Abgas-Skandal bei VW Mitte September 2015 bekannt wurde, befürchten hiesige Industriestrategen, Marketingexperten und Bankanalysten etwa einen Imageschaden für die Deutschland AG. Bis hin zum Maschinenbau hoffen Manager und Verbandsobere, dass deutsche Qualitätsarbeit nicht pauschal in Zweifel gezogen wird.
Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel schaltete sich deshalb auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann in die VW-Krise ein. Die Tageszeitung die Welt zitierte den Geldhüter am 29.September 2015 mit der Mahnung, „die Volkswagen-Affäre könnte das Image der Marke Made in Germany beeinträchtigen“. Zu gut sind auch noch Debakel wie der Schwarzgeld-Skandal bei Siemens (2010) und die Korruptionsaffäre (2005) bei VW in Erinnerung.
In der jährlichen Markenrangliste der Unternehmensberatung Interbrand, die Anfang Oktober 2015 veröffentlicht wurde, verlor Volkswagen 9 Prozent auf 11,1 Milliarden Euro und rutschte vier Plätze auf Rang 35 ab. Der Schaden für die Marke Volkswagen sei „in seiner ganzen Dimension noch nicht absehbar“, sagt Christoph Engl in der Geschäftsleitung der Managementberatung Brand Trust. VW versucht mit großen Inseraten in Zeitungen, das verlorene Vertrauen seiner Kunden zurück zu gewinnen.
Die Reparaturen am Image werden Jahre dauern. Wie Volkswagen sich das genau vorstellt, ist noch nicht vollends bekannt.
Der neue starke Mann an der Spitze der Deutsche Bank, John Cryan, hat unterdessen im Oktober 2015 mit gleich sechs neuen Namen für den Vorstand sowie zahlreichen anderen Personalien in der Führungsriege überraschend schnell und umfassend die Weichen für einen Neuanfang gestellt – ebenfalls in Reaktion auf Skandale und negative Schlagzeilen. Denn die Verwicklung in diverse Manipulationsaffären hat das Bankhaus bereits viele Milliarden Euro gekostet. Damit soll jetzt Schluss sein.
Eine der zentralen Neubesetzungen, die an der Spitze der Bank bekannt wurden, ist Sylvie Matherat. Sie gehörte einst dem Direktorium der französischen Notenbank an kommt als erfahrene Reguliererin mit gutem Ruf, um fortan als „Chief Regulatory Officer“ Kontakt zu den Aufsichtsbehörden zu halten sowie die Einhaltung der Regeln durchzusetzen und den Kampf gegen die Kriminalität an den Finanzmärkten zu unterstützen.
Der Name Cryan wird künftig dafür stehen, ob das führende deutsche Geldhaus nicht nur effizienter und kostengünstiger geworden ist, sondern auch sein früheres Image als ehrlicher Gelddienstleister wieder herstellen konnte.