Bilfinger sucht wieder nach einem Vorstandschef. Denn nicht einmal ein Jahr nach seinem Amtsantritt hört Vorstandschef Per Utnegaard bei dem Bau- und Dienstleistungskonzern auf.
Der Norweger scheide aus persönlichen Gründen zum 30. April 2016 aus, teilte das Unternehmen in Mannheim mit. Er war auf Vorschlag des schwedischen Bilfinger-Großaktionärs Civian an die Spitze des Konzerns geholt worden; Civian hält rund 26 Prozent an Bilfinger.
Der Rücktritt ist der nächste Rückschlag für den MDax-Konzern, der sich erst im Jahr 2015 von seinem damaligen Chef Roland Koch getrennt hatte – nach einer Serie von Gewinnwarnungen musste der ehemalige hessische Ministerpräsident an der Bilfinger-Spitze aufgeben.
„Per Utnegaard hat den Konzern in einer herausfordernden Phase geleitet”, sagte Bilfinger-Aufsichtsratsvorsitzender Eckhard Cordes. Aufsichtsrat und der 56-jährige Manager hätten sich einvernehmlich auf die Trennung verständigt. Der Konzern werde sich weiter auf sein Kerngeschäft fokussieren, und quasi nebenbei auf die Suche nach einem neuen Konzernchef machen.
Das Kontrollgremium führe bereits Gespräche mit mehreren Kandidaten, ließ Bilfinger mitteilen. Ziel sei es, die Neubesetzung des Chefpostens in Kürze bekannt zu geben. Zunächst übernehme Finanzvorstand Axel Salzmann zusätzlich die Aufgaben des Vorstandsvorsitzenden.
Dass Utnegaard aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung Bilfingers gehen musste, scheint unwahrscheinlich. Zwar hatte Bilfinger am 11. Februar 2016 nach vorläufigen Zahlen einen Konzernverlust von 489 Millionen Euro im Jahr 2015 verkündet.
Als Gründe für die hohen Verluste wurden Firmenwertabschreibung in Höhe von 330 Millionen Euro, ein operativer Verluste im Energie- und Kraftwerksgeschäft, Aufwendungen für Restrukturierungen und die Aufarbeitung zurückliegender Compliance-Fälle genannt. Dennoch reagierten die Anleger darauf nicht mit einem Ausverkauf der Papiere. Hatte die Konzernführung um Utnegaard ihnen doch ursprünglich einen Konzernverlust von 508 Millionen Euro prognostiziert.
Zwar lag auch das um zahlreiche Einmalaufwendungen bereinigte Ebita mit 186 Millionen Euro erwartungsgemäß deutlich unter dem Wert des Vorjahrs. Doch auch hier übertraf Bilfinger den im August 2015 prognostizierten Wert von 150 bis 170 Millionen Euro. Allein in dieser Hinsicht unterschied sich der Norweger von seinen Vorgängern: So hatte Bilfinger unter Roland Koch und dem reaktivierten Interimschef Herbert Bodner sechs Mal in Folge die Gewinnprognosen verfehlt.
Utnegaard indes war angesichts dieser Serie an Verfehlungen angetreten, den Konzern mit zuletzt 6,482 Milliarden Euro Bauleistung auf neue strategische Fundamente zu stellen. Wie dieser Umbau aussehen sollte, hatte der neue Konzernchef bereits im August 2015 skizziert.
Wollte Bilfinger unter Roland Koch vom Tunnelbau in Australien, über Brücken in den USA, bis hin zu Wohnblocks in Dubai und Ölplattformen in der ganzen Welt praktisch überall mitmischen, gab Utnegaard als neues Motto aus: „Fokus, Fokus, Fokus.“ Und anstatt, wie einst unter Koch, als Devise ausgegeben, den Europa-Anteil des Konzerngeschäfts zu verringern, nannte Utnegaard stattdessen Europa als Kernmarkt.
Statt Synergien der vielen Sparten Bilfingers zu heben, wie von Koch gefordert, setzte Bilfinger unter Utnegaard zudem auf die zwei Kernsegmente Industrial sowie Building and Facility, die künftig praktisch unabhängig voneinander agieren sollen. Und anstatt weiter auf Einkaufstour zu gehen, wie es Roland Koch tat, stellte der neue Chef rund ein Drittel des Konzerns zum Verkauf.
So verkündete Bilfinger beispielsweise Anfang Februar 2016 den Verkauf der Konzerndivision Water Technologies, die 2015 mit rund 1600 Mitarbeitern eine Leistung von knapp 300 Millionen Euro erwirtschaftet hatte. Käufer war die chinesische Chengdu Techcent Environment Gruppe. Der Nettoveräußerungserlös für Bilfinger beläuft sich, nach Abzug verkaufsbezogener Aufwendungen, auf rund 200 Millionen Euro.
„Auch wenn wir im vergangenen Jahr bereits einige wichtige Themen voranbringen konnten, liegt ein anspruchsvolles Jahr 2016 vor uns“, hatte Utnegaard bei der Präsentation der Geschäftszahlen im Februar 2016 angekündigt.
Sein Nachfolger wird es also nicht einfacher haben als er. Zumal der Konzern nach wie vor vom schwankenden Ölpreis abhängig ist. Und auch die beste Strategie wird die aktuelle Zurückhaltung der Öl- und Gaskunden wohl nicht vollends ausgleichen können.