Die Nummer eins will die Nummer zwei kaufen, um eine Fusion zwischen seinen beiden Verfolgern zu verhindern. Das ist auf dem Papier die Logik des bisher größten geplanten Deals in Deutschlands Wohnungswirtschaft, der am heutigen 14. Oktober 2015 bekannt geworden ist: Vonovia will Deutsche Wohnen kaufen.
Vonovia ist jetzt Dax-Konzern. Das Unternehmen verdrängte im September 2015 die Chemiefirma Lanxess aus dem bedeutendsten deutschen Börsenbarometer. Denn die Düsseldorfer Gesellschaft mit Hauptverwaltung in Bochum ist mit rund 350.000 Wohnungen mittlerweile der größte Vermieter Deutschlands.
Sie bietet nun den Aktionären der Deutschen Wohnen 8,8 Milliarden Euro in bar für ihr Unternehmen, das die Nummer zwei auf dem hiesigen Wohnungsmarkt ist. Dazu kommt noch die Übernahme von Schulden, was den beabsichtigten Kauf auf einen Wert von insgesamt 14 Milliarden Euro steigen ließe.
Der Hintergrund: Der Übernahmekandidat Deutsche Wohnen hatte sich selbst erst im September 2015 mit der LEG als drittgrößtem Vermieter hierzulande auf eine Fusion geeinigt. Doch das daraus entstehende Unternehmen mit einer Viertelmillion Wohnungen wäre der Vonovia offenbar zu groß geworden und zu nahe an die eigene Marktführerposition gerückt.
„Vonovia-Chef Rolf Buch will jetzt verhindern, dass Deutsche Wohnen und die LEG zusammen gehen und sein eigenes Geschäftsmodell kopieren“, zitiert dazu die Wirtschaftswoche den Immobilien-Analysten Georg Kanders von der Lampe-Bank.
Das hört sich ganz danach an, als würde derzeit mit dem Management der Deutsche Wohnen gar nicht geredet. Und genau so ist es offenbar auch: Vonovia-Chef Buch will seine Offerte direkt zu den Aktionären der Deutsche Wohnen tragen.
Solch ein Manöver ist eher selten. Es mag damit zu tun haben, dass Buch mit den Deutsche-Wohnen-Chefs laut Insidern bereits mehrmals zuvor über den möglichen Deal gesprochen hatte. Vergeblich.
Buch hat für das Angebot der Vonovia dann auch gleich einen Fahrplan ohne die Deutsche-Wohnen-Chefs aufgestellt: Wenn die Aktionäre der Deutschen Wohnen auf der anstehenden außerordentliche Hauptversammlung des Unternehmens am 28. Oktober die Fusion mit der LEG ablehnten, könne der Deal zwischen der Nummer eins und der Nummer zwei der Branche umgehend eingetütet werden. „Wir bieten eine Alternative an“, sagte Vonovia-Chef Rolf Buch.
Vonovia will seinen eigenen Aktionären wiederum auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 30. November 2015 eine Sachkapitalerhöhung vorschlagen, um den Deutschen-Wohnen-Deal finanzieren zu helfen. Dafür benötigt Vonovia die Zustimmung von 75 Prozent seiner Aktionäre.
Für Aktionäre und Investoren kommt dieses Angebot der Vonovia nicht ganz überraschend. Denn Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn hatte unlängst zugegeben, dass es auf Investorenseite einige Bedenken gegen die Übernahme der LEG durch seine Deutsche Wohnen gebe. Genau auf diesen Konflikt zielt nun offenbar Vonovia-Chef Buch: In einer Telefonkonferenz gab er an, der Zeitpunkt seines Übernahmeangebots sei auch „von außen“ bestimmt.
Jetzt liegt das Vonovia-Angebot auf dem Tisch. Es offeriert den Aktionären der Deutsche Wohnen für jeweils elf Aktien ihres Unternehmens 83,14 Euro in bar sowie sieben Aktien der Vonovia. Damit wäre Deutsche Wohnen rund 26 Euro je Aktie wert. Am 14. Oktober 2015 verlor die Vonovia-Aktie nach Bekanntwerden der Offerte im Handel 4,4 Prozent und notierte bei 27,70 Euro.
Kurzfristig verlor offenbar auch das Management der Deutsche Wohnen die Fassung. Der Vorstand brauchte acht Stunden, dann folgte die Erwiderung auf das Vonovia-Angebot: Es sei „vorbehaltlich weiterer Prüfung unattraktiv und inadäquat.“ Deshalb werde die Deutsche Wohnen „wie geplant ihr strategisches Ziel vorantreiben – den Zusammenschluss mit der LEG.“
Die Ablehnung des Übernahmeangebots durch die Deutsche Wohnen wird Vonovia-Chef Buch allerdings wohl kaum erschüttern. Was deren Management wolle sei ohnehin nicht mehr wichtig, betonte Buch schon in der Telefonkonferenz. „Jetzt entscheiden die Aktionäre.“
Marktführer Vonovia hat eine rasante jüngere Vergangenheit. Auf der Suche nach Größe hat der Konzern in den vergangenen zwölf Monaten bereits zwei weitere Milliarden-Deals geschlossen.
Ende 2014, als sie noch Deutsche Annington hieß, legte sie für den Rivalen Gagfah 3,9 Milliarden Euro auf den Tisch. Und im Sommer 2015 wurden dann noch erfolgreich 1,9 Milliarden Euro für den Immobilienkonzern Süddeutsche Wohnen geboten.
Finanziert wurde die Expansion von Vonovia mit immer neuen Kapitalerhöhungen. Klappt auch dieser jüngste Deal, würde Vonovia zum größten Eigentümer von Wohnimmobilien in Europa aufsteigen.
Die betriebswirtschaftliche Logik dieses Strebens nach Größe ist schlicht und einleuchtend. Wenn die Konzentration in der Branche ausreichend groß geworden ist, können höhere Mietpreise durchgesetzt werden, was tendenziell gut für die Rendite und die ist. Und nicht nur das.
Wer auf vielen Wohnungen sitzt, hat Einkaufsmacht gegenüber Developern und Baufirmen und kann auch bei Sanierungen oder Modernisierungen mit Handwerkern und Ingenieurbüros bessere Preise aushandeln.
Zudem bleibt Kapital dank der verzögerten Zinswende in der Geldpolitik äußerst billig. Übernahmen werden so günstig finanziert, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Was allerdings die zusätzlichen Schulden für die Vonovia-Bilanz bedeuten würden, sollten die Zinsen einst wieder steigen, zeichnet sich heute zwar noch nicht ab. Allerdings warnen Experten und Analysten davor.
Die Organisatoren der Hauptversammlung der Deutsche Wohnen werden jetzt jedenfalls die Regie ihres Aktionärstreffens umschreiben. Bisher ging es darum, am 28. Oktober 2015 eine Erhöhung des Sachkapitals durchzuwinken, um den Aktionären der LEG für jeweils zehn ihrer Aktien 33 neue Deutsche-Wohnen-Anteilscheine zu bieten. Jetzt geht es um die Absegnung eines noch größeren Deals, den mit Vonovia, auch wenn der nicht formal zur Abstimmung kommen dürfte.
Je nach Ausgang der Versammlung wird sich dann wohl auch Vonovia-Chef Buch bei seinem Konkurrenten melden. „Wir sind offen für ein konstruktives Gespräch mit der Deutsche Wohnen, sobald deren Aktionäre über das LEG-Immobilien-Angebot entschieden haben, um die Transaktion im Interesse aller Beteiligten zu gestalten“, sagte Buch.
Erste Investoren haben sich offenbar schon positioniert. „Wir sind gegen den Vonovia-Deal“, zitiert das Handelsblatt Fondsmanager Rogier Quirijns von der Investmentgesellschaft Cohen & Steers. Dagegen vertrete Portfoliomanager Arne Rautenberg von Union Investment die Gegenposition. „Definitiv Vonovia-Deutsche Wohnen“, sagte Rautenberg dem Handelsblatt.
Die deutsche Wohnungswirtschaft war lange Zeit eine eher schläfrige Branche ohne viel Aufregung. Erst in den 90er Jahren kamen die heutigen Konzerne auf, als Städte und Gemeinden wie Dresden sowie Versorger wie Eon ihren Wohnungsbestand abstießen. Anfänglich stiegen vor allem angelsächsische Investoren ein, verloren aber bald das Interesse. So stieg bei Vonovia im Jahr 2014 auch der britische Finanzinvestor Terra Firma Capital Partners aus.
Ein Finanzinvestor aber blieb an Bord: Blackrock. Die Amerikaner sind an Vonovia mit 8,3 Prozent beteiligt, halten 7,73 Prozent der Aktien der Deutsche Wohnen und besitzen die LEG zu 15,04 Prozent. Das Gerangel zwischen den drei Unternehmen dürfte deshalb von Blackrock mit entschieden werden.
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