Deutschlands Aktionärsschützer sind Anfang des Jahres 2016 etwas zufriedener als sonst. Schließlich seien Aktionäre hierzulande nicht gerade darin verwöhnt, von Topmanagern der Börsenkonzerne umworben zu werden, stellen sie fest. Umso außergewöhnlicher also, wie der Dax-Konzern Vonovia und das MDax-Unternehmen Deutsche Wohnen um ihre Investoren buhlen.
Tatsächlich liefern sich die beiden Börsenfirmen eine Übernahmeschlacht, wie sie das Land lange nicht mehr – wenn überhaupt – erlebt hat: feindlich von Anfang bis zum Ende, so scheint es derzeit jedenfalls.
Gewiss, feindliche Übernahmekämpfe zwischen Unternehmen gab es in früheren Jahren auch hierzulande schon.
1997 beispielsweise bebte das Revier, als Krupp den Ruhrrivalen Thyssen überrumpelte. Kurz vor der Jahrtausendwende hatte Vodafone die Düsseldorfer Mannesmann AG attackiert, im Sommer 2008 startete die Schaeffler-Gruppe ein feindliches Übernahmeangebot für die Continental AG. Doch in all diesen Fällen einigten sich Management und Aufsichtsräte irgendwann – und aus den feindlichen Übernahmen wurden zumindest formal „freundliche“ Zusammenschlüsse.
Damit aber ist offenbar bei dem Kaufangebot des Wohnungskonzerns Vonovia für seinen Konkurrenten Deutsche Wohnen nicht zu rechnen.
Mitte Oktober 2015 hat der Bochumer Branchenprimus Vonovia seinen Angriff gestartet und ein Übernahmeangebot für die Nummer zwei Deutsche Wohnen angekündigt. Die Offerte: Für elf Deutsche-Wohnen-Aktien bietet Vonovia 83,14 Euro in bar plus sieben eigene Aktien. Bis 26. Januar haben die Deutsche-Wohnen-Anteilseigner nun Zeit, das Angebot anzunehmen oder aber abzulehnen.
Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn zumindest rät seinen Aktionären dringend davon ab, das Angebot anzunehmen.
Eiligst hat er für die Verteidigung zusammengetrommelt, was die Investmentbanking-Szene hergibt: Von Deutsche Bank, Goldman Sachs, Perella Weinberg, der Schweizer UBS und Citigroup ließ er sich bescheinigen, dass das Vonovia-Angebot für sein Unternehmen viel zu niedrig sei.
Selten hat man eine so teure und lange Gutachterriege gesehen.
Zudem hat Deutsche-Wohnen-Chef Zahn schnell am 11. Januar 2016 das vorläufige Geschäftsergebnis für das Jahr 2015 vorlegen lassen. Und bei einigen wirtschaftlichen Kennzahlen wie dem FFO I (Funds from Operations) ein stolzes Plus von 38 Prozent verglichen mit dem Jahr 2014 präsentiert.
Dass die Ausschüttungsquote an die Deutsche-Wohnen-Aktionäre deshalb steigen werde, hatten Experten ohnehin erwartet. Schließlich, so die Meinung der Analysten, wolle Konzernchef Zahn die Anteilseigner doch auf seine Seite des Abwehrkampfs gegen Vonovia ziehen. So steigt die Quote dann auch tatsächlich von 60 Prozent im Jahr 2014 auf nunmehr 65 Prozent für 2015.
Vonovia allerdings reagierte darauf kühl. „Wir hatten der Deutsche Wohnen mehr zugetraut, sowohl für 2015 als auch für 2016″, sagte Vonovia-Chef Rolf Buch der Börsen-Zeitung im Januar 2016. Insbesondere das vierte Quartal 2015 zeige Schwächen. „Also wird unser Angebot für die Aktionäre der Deutsche Wohnen besser, und zwar im Hinblick auf alle Kennzahlen“, sagte Buch der Börsen-Zeitung weiter.
So prompt der Konter von Vonovia kam, so entschlossen wirkt die Vonovia-Führung auch. Vorstandschef Rolf Buch und sein in etlichen Waffengängen erprobter Finanzchef Stephan Kirsten (Vorsicht, der Mann hat einen Jagdschein!) haben Rückenwind:
Ihre Vonovia hat die Übernahme des früheren Wettbewerbers Gagfah schneller verdaut, als auch so manche Analysten zuvor erwartet hatten. Und nach Meinung vieler Experten haben die Bochumer mit dem Deutsche-Wohnen-Angebot bereits drei Treffer gelandet.
Erstens musste die Deutsche Wohnen daraufhin die Übernahme des Wettbwerbers LEG absagen. Zweitens haben sich die Aktionärsberater ISS und Glass Lewis auf die Vonovia-Seite geschlagen und unterstützen das feindliche Angebot. Und Anfang Dezember 2016 hatte auch das Kartellamt grünes Licht für die avisierte Übernahme der Deutsche Wohnen durch Vonovia gegeben.
Ist der Deal damit gelaufen? Sollen Deutsche-Wohnen-Aktionäre jetzt also das Vonovia-Angebot annehmen? In einem offenen Brief an die Anleger hat Vonovia-Primus Buch darauf hingewiesen, Vonovia zahle damit die höchste Prämie, „die seit der Finanzkrise im europäischen Raum für ein börsennotiertes Immobilienunternehmen bezahlt wurde“.
Ausgerechnet MFS International, einen der größeren Deutsche-Wohnen-Aktionäre, überzeigt das nicht. „Uns behagt die immer hektischere Geschwindigkeit von Fusionen und Übernahmen in dem Sektor nicht“, teilte der Investor kurz und bündig mit.
Deutsche-Wohnen-Chef Zahn gibt sich vielleicht auch deshalb in der Öffentlichkeit sicher, dass seine Strategie für die Zukunft des Unternehmens die bessere ist – und nicht die Übernahme durch Vonovia.
„Wir werden kämpfen. Bis Ende Januar wird sich zeigen, ob unsere Aktionäre das Angebot der Vonovia annehmen. Und ich bin mir sicher: Ich kann und werde unsere Eigentümer von einer strategisch besseren Variante überzeugen“, sagte Zahn im Dezember 2016 der Welt am Sonntag.
Vonovia wiederum hat die gleiche Zeit, die gegenteilige Überzeugungsarbeit zu leisten: beispielsweise, indem das Übernahmeangebot aufgestockt wird. Bisher indes bügelt Vonovia-Chef Rolf Buch solche Forderungen routiniert ab. „Der Übernahmepreis ist nicht verhandelbar“, sagte er der Börsen-Zeitung im Januar 2016.
Vonovia braucht mindestens 50 Prozent der Deutsche-Wohnen-Aktien, um die Übernahme zu schaffen. Feindlich vielleicht bis zum Ende.
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