Es ist ein vergleichsweise hohes Kaufangebot, dass der Haushaltsgerätehersteller Midea für den Augsburger Roboterhersteller Kuka abgegeben hat. Und auch das Management von Kuka steht der Offerte offen gegenüber. Dennoch regt sich Widerstand: Neben Kuka-Altinvestoren macht jetzt auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Front gegen den möglichen Deal. Denn die Bundesregierung fürchtet den Verkauf von brisantem Industrie-Know-how nach China.
Dem Handelsblatt zufolge arbeiten Kanzleramt, Auswärtiges Amt und Wirtschaftsministerium gemeinsam daran, die Robotertechnologie am besten in Deutschland, wenigstens aber in Europa zu halten. Zu bedeutend erscheint den Politikern offenbar die Rolle, die Kuka in der fortschreitenden Automatisierung und Digitalisierung der hiesigen Industrie spielen könnte.
Entsprechend hat das Auswärtige Amt offenbar Deutschlands EU-Kommissar Günther Oettinger mobilisieren können, sich kritisch gegenüber dem China-Kaufangebot für Kuka zu äußern; Oettinger ist in der Europäischen Kommission für das Thema Digitalisierung zuständig. „Kuka ist ein erfolgreiches Unternehmen in einem strategischen Sektor mit wichtiger Bedeutung für die digitale Zukunft der europäischen Industrie“, sagte Oettinger dann auch der FAZ.
Mittlerweile hat sich auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel positioniert. „Natürlich fände ich es angemessen, wenn es aus Deutschland oder Europa mindestens ein alternatives Angebot gäbe“, sagte er im Zuge einer Pressekonferenz.
Genau dieses Angebot scheint die Bundesregierung nun organisieren zu wollen, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Als mögliche Bieter nennt das Handelsblatt Siemens, ABB und eventuell die hiesigen Autokonzerne, die Kuka-Roboter vielfach in ihrer Auto-Produktion einsetzen. Diesen gilt der Kaufpreis indes schon jetzt als zu hoch.
Ein Vergleich mit ähnlichen Deals bestätigt diese Einschätzung. So war im Juli 2014 beispielsweise der kanadische Konzern ATS Automation bereit, bei einem Transaktionsvolumen von 248 Millionen Euro das 1,5-fache des Umsatzes für die deutsche M+W Process Automation GmbH zu zahlen sowie das 12,4-fache des Ebitda, also des Gewinns vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen.
Im September 2014 war Kuka bereit, für den Schweizer Logistikanlagenhersteller Swisslog ein Ebitda-Multiple von 11,5 zu zahlen, bei einem Umsatz-Multiple von 0,5 und einem Transaktionsvolumen von 286 Millionen Euro.
Was das Transaktionsvolumen der möglichen Akquisition betrifft, lässt sich der angestrebte Midea/Kuka-Deal auch mit dem im Januar 2016 verkündeten Verkauf des Münchener Spezialmaschinenbauer Krauss-Maffei an ChemChina vergleichen, den größten chinesischen Chemiekonzern. Die Chinesen waren bereit, 925 Millionen Euro für den traditionsreichen Hersteller von Spritzgießmaschinen für die Kunststoff- und Gummiverarbeitung zu zahlen. Dies entspricht einem Umsatz-Multiple von 0,85 und einem Ebitda-Multiple von 13,4.
Midea wiederum hatte im Mai 2016 sein Kaufangebot für Kuka unterbreitet und den Aktionären 115 Euro je Kuka-Aktie angeboten. Die Chinesen würden somit ein Umsatz-Multiple von knapp 1,5 für Kuka zahlen. Das Ebitda-Multiple läge demnach bei rund 17. Dies deuten darauf hin, dass Midea durchaus bereit ist, über die Grenzen dessen hinaus zu gehen, was in vergleichbaren Übernahmen in den vergangenen Jahren gezahlt wurde.
Und dennoch muss das, was für Finanzinvestoren oder potenzielle Bieter wie Daimler, Siemens und ABB unrentabel erscheint, aus chinesischer Sicht noch kein schlechter Deal sein.
So kommen beispielsweise die Autoren der Studie „M&A-Transaktionen im Werkzeugmaschinenbau und der Robotik + Automation" vom Februar 2015 zu dem Schluss, dass für chinesische Konzerne ein Hauptgrund für Direktinvestitionen in hiesige Maschinenbauunternehmen ist, „sich über eine erste Präsenz in Deutschland den Zugang zum europäischen Markt zu sichern“. Ein strategisches Argument, dass für europäische Anbieter, aber auch für Finanzinvestoren praktisch keine Rolle spielt.
Hinzu dürfte im Falle Kuka und Midea die spezielle Dynamik Chinas kommen. Denn seit 2013 ist China der größte Robotikmarkt weltweit. Jeder fünfte verkaufte Roboter wird dort installiert. Die chinesische Regierung geht bis zum Jahr 2020 von einem Marktwachstum von rund 26 Prozent pro Jahr aus – was dann rund 8,8 Milliarden Euro entspräche.
Dass Chinas Vizepräsident Li Yuanchao Ende 2015 auf der Robotik-Konferenz in Peking verkündete, „Robotik-Experten und Unternehmer aus aller Welt sind in China willkommen, um mit uns das Thema Roboter-Technologie voranzutreiben“, war wohl mehr als eine freundliche Aufforderung. Es sind offenbar nicht nur deutsche Politiker, die an einer Stärkung der landeseigenen Robotikindustrie ein nationales Interesse haben.
Und so ist auch die Aufregung innerhalb der Reihen der deutschen Politiker durchaus verständlich. Als letztes Mittel, den Deal zu verhindern, könnte die Politik das Außenwirtschaftsgesetz ins Feld führen.
Danach darf die Bundesregierung die Übernahme eines deutschen Unternehmens durch einen ausländischen Bieter untersagen, sofern „wesentliche Sicherheitsinteressen“ der Bundesrepublik betroffen sind oder an der Übernahme-Verhinderung ein „Grundinteresse der Gesellschaft“ besteht. Experten zweifeln indes, ob eine dieser beiden Begründungen auf den möglichen Kuka-Deal anwendbar ist.
Zur Seite springen könnte den besorgten Politikern nun allerdings auch der größte Kuka-Aktionär Voith, der auf Distanz zu dem Kaufangebot aus Fernost gegangen ist, nachdem Kuka-Chef Till Reuters auf der Hauptversammlung erklärt hatte, das Angebot Mideas unterstütze die Strategie des Roboterproduzenten.
„Wie er (Till Reuters, Anm. d. Red.) jetzt schon positive Äußerungen machen kann, verstehe ich nicht“, sagte Voith-Chef Hubert Lienhard, der selbst dem Kuka-Aufsichtsrat angehört. „Es war für uns überraschend, es ist für mich auch erstaunlich, wie auf dieses Angebot geantwortet wird.“ Es müsse ergebnisoffen geprüft werden, forderte Lienhard.
Kuka-Sprecher versicherten daraufhin schnell, das Angebot werde auch ergebnisoffen geprüft. Grundsätzlich aber könne ein Partner, der für Wachstum etwa in China oder im Bereich Industrie 4.0 sorge, eine Chance für Kuka sein.
Aktuell ist der Industriekonzern Voith aus Heidenheim der größte Kuka-Aktionär; Voith besitzt 25,1 Prozent der Kuka-Aktien und verfügt damit über eine Sperrminorität bei dem Roboterhersteller. Zu den Großaktionären zählt zudem der deutsche Milliardär Friedhelm Loh, der über zwischengeschaltete Holdings 10 Prozent an Kuka hält. Und eben der chinesische Haushaltsgerätehersteller Midea mit einer Beteiligung von aktuell 13,5 Prozent an Kuka.