Sind das die letzten Nachrichten für Herbert Hainer als Adidas-Chef? Erst hagelte es korrigierte Gewinnprognosen, dann eine Implosion des Aktienkurses. Und jetzt ein starker Rückschlag bei der Verfolgungsjagd auf Marktführer Nike in den USA.
Adidas ist nur noch die Nummer drei auf dem US-Markt. Diese Nachricht dürfte Investoren bitter aufstoßen. Dabei sind sie ohnehin schon schwer verstimmt. Seit Monaten rumort es unter großen Aktionären des Sportartikelherstellers. Sie werden ungeduldig, weil drei Mal in einem Jahr die Geschäftsprognosen gedrosselt wurden und der Aktienkurs seit Jahresbeginn um 35 Prozent eingebrochen ist.
Ausgerechnet eine Sportschuhmarke humpelt allen anderen 29 Titeln im Dax hinterher. Der globale Marktführer Nike verbucht seit dem ersten Handelstag des Jahres einen Anstieg seines Aktienkurses von 5 Prozent.
Und jetzt das: Statt in den USA endlich Boden gegenüber Nike gut zu machen, fallen die Deutschen mit den drei Streifen im Logo in den USA hinter den lokalen Rivalen Under Armour auf die dritte Position zurück. Für Herbert Hainer wird es damit eng. Sein Vertrag als Vorstandschef war zwar unlängst bis 2017 verlängert worden.
Adidas-Aktionär Union Investment meuterte im Frühjahr aber schon öffentlich: „Wir haben kein Vertrauen mehr“, sagte Fondsmanager Ingo Speich im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Auf der Hauptversammlung im Mai blies eisiger Wind.
Mit dem erneuten Rückschlag in den USA, wo das Unternehmen seit Jahresbeginn dem Brokerhaus Sterne Agee zufolge beim Umsatz für Sportschuhe und Bekleidung einen Rückgang von 23 Prozent verkraften muss, dürfte bei einigen Aktionären der Geduldsfaden gerissen sein. Denn Under Armour hat im selben Zeitraum in den USA um 20 Prozent zugelegt.
Hainer ist seit 2001 am Ruder. Vor neun Jahren wurde die Übernahme der Marke Reebok für fast vier Milliarden Dollar angekündigt. Es sollte der Startschuss zu einer Aufholjagd auf Marktführer Nike werden. Doch seitdem ist der addierte Marktanteil von Adidas und Reebok laut dem Analysten Matt Powell bei SportsOneSource von 18 Prozent auf 10 Prozent geschrumpft.
Der Verlust von Marktanteilen kommt zu einer Zeit, in der die USA als Markt für Sportartikel zulegen. Die Vereinigten Staaten sind nach wie vor der wichtigste Markt für athletische Schuhe und Bekleidung. Doch Adidas verliert Boden, obwohl der Konzern Exklusivsponsor der amerikanischen Basketball-Liga NBA ist und bei Fußballartikeln die Nase vorn hat. Und selbst im Heimatmarkt Deutschland, wie auch Europa, jagt Nike der weltweiten Nummer zwei Marktanteile ab.
Adidas ist in einen schwierigen Mehrfrontenkampf verwickelt. Die Herausforderungen sind teils hausgemacht, teils aber auch auf externe Faktoren zurückzuführen. Der bislang starke Euro, der erst seit der jüngsten Zinssenkung von EZB-Präsident Mario Draghi vor einer Woche Schwächen zeigt, ist ein solcher Faktor.
Adidas macht den Großteil seines Umsatzes außerhalb Westeuropas. Der schwache Rubel, der im Sog des Konflikts um die Ukraine schwer unter Druck steht, belastet ebenfalls. Russland ist mit fast tausend Läden der drittgrößte Markt von Adidas.
Ein schwerer Klotz am Bein ist auch das Geschäft mit Golfausrüstung, weil dem Rasensport mit den kleinen weißen Bällen die Fans davonlaufen. Die konzerneigene Golfmarke Taylormade hat im ersten Halbjahr ein Viertel ihres Geschäfts verloren. Der bisherige Chef von Taylormade, Mark King, ist seit dem 1. Juni Präsident der Nordamerika-Division von Adidas mit Sitz in Portland.
Die Schwächen seines Unternehmens in den USA hat er offen benannt. Es fehle "Fokus". Adidas ist bei Fußball gut aufgestellt, kann aber in populären US-Sportarten wie Football, Baseball und Basketball noch viel Boden gutmachen.
Doch nicht nur bei der Ausrichtung, auch bei der Schlagzahl hapere es. „In Amerika erfinden Firmen wie unsere zwei wichtigsten Wettbewerber ständig ihr Modell neu. Wer sich am besten auf die Wünsche der Konsumenten einstellt, gewinnt. Wir müssen schneller werden.“
Dies lässt sich vor allem für den effektiven Einsatz sozialer Medien wie Twitter und Facebook sagen, wo Wettbewerber wie Nike und Under Armour erfolgreich die jüngeren Kunden umgarnen, während Adidas bisher mehr auf offizielle Partnerschaften mit Organisationen wie der Fifa und der NBA setzt. Doch auf Facebook ist Adidas etwa eine halbe Million Fans hinter Nike. Bei den Twitter-Followern erreicht Nike mit 1,75 Millionen fast sechs Mal so viele wie die Franken. Und bei den Youtube-Abonnenten kann Nike mit über 90.000 zwei Mal so viele Anhänger verbuchen.
Zwar legte Adidas konnte bei der Interaktion mit seinen Fans vor allem dank der Fußball-WM im Juli und August einen Sprung hin. Doch für den Rest des Jahres hat Nike deutlich die Nase vorn. Und trotz des riesigen Werbebudgets von Adidas für die WM waren es zwei Nike-Filmchen, die es unter die Top 10 der meistgesehenen Werbevideos in diesem Jahr schafften.
Adidas darf sich damit trösten, dass es nach eigenen Angaben mit den Videos, die während der WM eingesetzt wurden, die meistgesehene Sportmarke auf Youtube geworden ist.
Animierte Nike-Filme wie "The Last Game" mit Stars wie Cristiano Ronaldo und Neymar haben es auch an die Spitze der am häufigsten auf Facebook geposteten Dateien geschafft. Und obwohl Adidas bei der WM in Brasilien mit „seinen“ Teams Deutschland und Argentinien das Endspiel bestritt und den Marketing-Jackpot knackte, hat Nike den Deutschen trotzdem einen Teil der Schau gestohlen.
Das Siegtor im Finale schoss Mario Götze mit den leichten Flyknit-Schuhen von Nike. Über die Hälfte der Spieler trugen Schuhe des Adidas-Konkurrenten.
Nicht alles läuft gegen Adidas. Das Unternehmen hat die Nase in wichtigen Schwellenländern wie Russland die Nase vorn. 2013 wurden Rekordumsätze eingefahren. Die offiziellen "Brazuca"-Bälle für die WM sind ein enormer Renner. Adidas hat Nike als exklusiver Sponsor von Manchester United nach zwölf Jahren abgelöst und sich auch Juventus geschnappt. Das sind unbestreitbar zwei der besten Perlen im europäischen Fußball.
Doch Nike liegt bei der Quantität nach weiter vorne. Zum ersten Mal seit der Saison 2009/2010 hat der Branchenprimus bei der Zahl der Clubs die Franken abgehängt. Laut dem jüngsten Kit Supplier Report des Sportmarketing-Spezialisten Repucom hat Nike 26 Clubs unter Vertrag, Adidas 18.
Der Weltmarktanteil von Nike ist Ende des vergangenen Jahres bereits auf 15 Prozent angestiegen. Adidas brachte es laut Euromonitor auf 10,8 Prozent. Der Abstand ist seitdem auf 17 Prozent zu 12 Prozent angestiegen.
Das Unternehmen kurbelt derzeit die größte Marketing-Kampagne seiner Geschichte an. Die Verkaufsförderer sollen mehr Verantwortung übernehmen und näher an die Produktentwicklung gebracht werden. „Ich bin Stürmer, und ich will gewinnen“, erklärte der begeisterte Fußballer Herbert Hainer vor wenigen Wochen, als er seinen Plan für einen Weg aus der Misere präsentierte.
Da dürfte intern schon bekannt gewesen sein, dass Adidas in den USA auf den dritten Platz abgerutscht ist.