Schwache Performance und zuversichtliche, aber ungeduldige Aktionäre. So lässt sich die Gefechtslage beim Sportartikelkonzern Adidas beschreiben. Das Unternehmen meldete im März schwache 2014er-Zahlen und präsentierte ambitionierte Pläne für die kommenden fünf Jahre.
Am 7. Mai 2015 steht nun die Hauptversammlung in Fürth an. Dort wird Adidas-Chef Herbert Hainer dann auch im Angesicht seiner Aktionäre jene Eckpunkte präsentieren, die Adidas wieder in die Spur bringen sollen. Der bereits vor Investoren Ende März präsentierte strategische Geschäftsplan "Creating the new" sieht bis zum Jahr 2020 klare Ziele vor: So plant die Adidas-Führung, den Konzernumsatz jährlich im hohen einstelligen Prozentbereich zu steigern. Der Konzerngewinn soll durchschnittlich um 15 Prozent zulegen.
Gestützt werden soll dieser Plan durch drei strategische Säulen: Erstens will sich der Konzern im Marketing künftig auf sechs globale Metropolen konzentrieren – namentlich Los Angeles und New York in den USA, London und Paris in Europa, Shanghai und Tokyo in Ostasien. "Wenn wir im Bereich Running in New York und Los Angeles erfolgreich sind, werden wir es auch landesweit in den USA sein", sagte Roland Auschel, Vertriebsvorstand von Adidas, bei der Präsentation dieses Plans.
Zweitens will der Sportartikelgigant die Markteinführung seiner Produkte beschleunigen. Als Grundlage dafür sollen die in den vergangenen Jahren gesammelten Kernkompetenzen der Konzernmarke "Neo" dienen. So sei Adidas inzwischen in der Lage, Produkte innerhalb einer Saison zu entwickeln.
Teil dieser strategischen Säule ist auch der Ausbau der vom Konzern selbst kontrollierten Verkaufsflächen, wie zum Beispiel den Flagship-Stores in Großstädten. Dieser Anteil soll auf künftig mehr als 60 Prozent des Gesamtumsatzes gesteigert werden.
Darüber hinaus plant Adidas künftig einen umfassenden Ansatz für den Vertrieb seiner Produkte – also den Verkauf sowohl im Ladengeschäft wie auch online. Bis zum Jahr 2020 sollen die Internetverkäufe den Plänen zufolge zwei Milliarden Umsatz einbringen.
Die dritte, als "Open Source" bezeichnete Strategiesäule sieht bis dahin die intensivere Einbindung der Kunden, Händler und Sportler in den Entwicklungsprozess neuer Produkte vor. Wobei der Konzern sich auf die drei wichtigsten Marken "Adidas", "Reebok" und "Taylormade" fokussieren will. Um sie herum soll eine Art Marken-Ökosystem aufgebaut werden.
Grund skeptisch zu sein, gibt es angesichts der Pläne des Unternehmens allerdings genug. Denn schon der Blick auf den letzten Fünfjahresplan zeigt, wie schwierig die Umsetzung eines solchen mitunter werden kann. Unter dem Motto "Route 2015" kündigte Adidas im November 2010 an, den Umsatz bis zum Jahr 2015 auf insgesamt 17 Milliarden Euro zu steigern; im vergangenen Jahr 2014 waren es allerdings erst 14,5 Milliarden.
Außerdem wollte der Konzern schneller wachsen als die Hauptwettbewerber – allen voran Nike. Der Gewinn sollte jährlich im Schnitt um 15 Prozent erhöht, die operative Marge bis spätestens 2015 nachhaltig auf 11 Prozent gesteigert werden. Als geografisch bedeutsame Märkte wurden damals unter anderen Russland, Lateinamerika und Indien bezeichnet.
Bei den jetzt in den Fokus genommenen Metropolen spielen diese Schwellenländer keine Rolle mehr. Im Gegenteil: Vor allem im Russland-Geschäft hinterließen die Krise um die Ukraine, der Wertverlust des Rubels sowie der schwache Konsum Furchen in der Bilanz. Zumal Russland für die Herzogenauracher bislang der drittgrößte Markt weltweit ist.
Dem Analysten Ingbert Faust vom Investmenthaus Equinet zufolge trägt das Geschäft rund um den Rubel 8 bis 9 Prozent zum Umsatz von Adidas bei. Doch nicht nur der Rubel, sondern auch der argentinische Peso und der brasilienische Real, entwickelten sich für die Deutschen ungünstig.
Auch die Wettbewerber hat Adidas in den vergangenen fünf Jahren mitnichten abgehängt. Im Gegenteil: Der weltweit noch immer zweitgrößte Anbieter von Sportartikeln hat nicht nur in Europa und in den USA wichtige Marktanteile eingebüßt, er ist gegenüber dem Erzrivalen Nike weiter zurückgefallen und muss sich seit vergangenem Jahr in den USA auch noch hinter dem Newcomer Under Armour mit Platz 3 begnügen. Vor allem im Golfgeschäft unter der Marke "Taylormade" musste Adidas Umsatzeinbrüche vermelden.
Die Folge: Die Ertragsprognosen mussten nach unten korrigiert werden. Adidas hat 2014 deutlich weniger verdient. Der Gewinn im Konzern aus den fortgeführten Geschäftsbereichen ohne Wertminderung ging um über ein Fünftel zurück, auf 642 Millionen Euro.
Die Verkaufserlöse stiegen im Jahr 2014 trotz der damaligen Fußball-Weltmeisterschaft und des Weltmeistertitels der deutschen Elf nur um rund 2 Prozent auf 14,5 Milliarden Euro. Und im gleichen Jahr 2014 brach der Adidas Aktiekurs um 38 Prozent ein.
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Im laufenden Jahr allerdings haben die Nachrichten von einem möglichen Wechsel auf dem Chefsessel sowie der schwächere Euro bei den Aktionären neuen Mut geweckt. Der Kurs ist seit Jahresbeginn um etwa ein Viertel gestiegen.
Ein Grund dafür dürfte auch sein, dass der Dax-Konzern den Zielkorridor der Dividende von bislang 20 bis 40 Prozent auf künftig 30 bis 50 Prozent erhöht hat. Darüber setzt das Adidas-Management das im vierten Quartal 2014 gestartet Aktienrückkaufprogramm mit einem Volumen von bis zu 1,5 Milliarden Euro fort.
Nachhaltig zum Wachstum tragen solche Ausschüttungen und Rückkäufe indes nicht bei. Weshalb sich Deutschlands dienstältester Dax-Konzernchef auf der Hauptversammlung einmal mehr auf die Frage gefasst machen muss, ob er noch der richtige für das Unternehmen ist.
Obwohl sein Vertrag erst 2017 ausläuft, wird bereits der Nachfolger gesucht. „Ich habe bislang all meine Verträge erfüllt“, sagt Hainer zwar. Aber nachdem unter anderen die Aktionärsvertreter von Union Investment schon im vergangenen Jahr Zweifel an der Amtsführung von Hainer angemeldet hatten, begannen sich in der zweiten Jahreshälfte auch die ersten Hedgefonds näher mit Adidas zu beschäftigen – dem Manager Magazin zufolge Third Point, Knight Vinke und TCI.
Zumindest im operativen Geschäft scheint es derzeit aber besser zu laufen als im Jahr 2014. Der Turnaround hat den Adidas-Chef zufolge begonnen. „Wir erleben gerade einen erfolgreichen Start in das Jahr 2015“, sagte Hainer jüngst und versprach, im laufenden Jahr „mit all unseren Marken“ zu wachsen.
Helfen soll diesmal der schwächere Euro, der bei der Repatriierung der Gewinne von außerhalb Deutschlands einen Vorteil bringt. Selbst das unsichere Geschäft in Russland soll den Aufwärtschschwung kaum verlangsamen.
Hainer zufolge soll der Gewinn aus den fortgeführten Geschäftsbereichen in diesem Jahr um 7 bis 10 Prozent steigen. Das Ergebnis soll schneller wachsen als der Umsatz. Die operative Marge (bereinigt) soll von 6,6 Prozent im Jahr 2014 auf 6,5 bis 7,0 Prozent im Jahr 2015 klettern.
Im Klartext: Ein guter Teil der Hoffnungen, die gegenüber den Aktionären geschürt werden, basiert auf Faktoren, die Adidas selbst nicht beeinflussen kann, und die im schlimmsten Fall ihre negative Wirkung im laufenden Jahr sogar noch verstärken könnten. Falls die Krise in der Ukraine eskaliert oder das Wachstum in den USA nachlässt, könnte die Prognose für 2015 weitere Enttäuschungen bringen.