Das sind die Adressen, die Warenhausinvestoren aufhorchen lassen: Düsseldorf, Hausnummer 93 an der Schadowstraße, eine der belebtesten Shopping-Straßen Deutschlands; hier residiert Karstadt in einem fünfgeschossigen Sandsteinpalast. Direkt nebenan, nur durch eine Querstraße getrennt, steht der ebenfalls mehrgeschossige 70er-Jahre-Kasten des großen Konkurrenten: Kaufhof.
Deutschlands Kaufhausriesen Tür an Tür. Sollten Fans von Warenhausfusionen je nach Inspiration für das Zusammenlegen von Geschäften gesucht haben, werden sie diese an der Ecke Schadowstraße 93 / Am Wehrhahn 1 in Düsseldorf finden.
Offenbar haben sich Investoren bereits inspirieren lassen.
Nach Berichten des Handelsblatt und der Nachrichtenagentur Reuters sind bei der Kaufhof-Mutter Metro zwei Bieter für die Kaufhof-Läden vorstellig geworden. Die Beiden scheinen sich nun sogar einen Wettstreit zu liefern, um mit dem Kaufhof an die erfolgreichere der zwei marktführenden Warenhausketten Deutschlands zu kommen – was für ein Wandel für den Kaufhof-Besitzer Metro.
Noch vor ein paar Jahren war der Kaufhof eines der Sorgenkinder des Düsseldorfer MDax-Unternehmens, nun überbieten sich Interessenten dafür.
Die Metro-Leute bestätigten am 20. Mai 2015 Verkaufsgespräche mit René Benko, dem österreichischen Eigentümer des weniger erfolgreichen Wettbewerbers Karstadt. Kurz darauf meldete die Nachrichtenagentur Reuters den nächsten Bieter:
Der kanadische Handelskonzern Hudson’s Bay wolle den Kaufhof ebenfalls. Das Angebot der Kanadier betrage rund 2,9 Milliarden Euro – und damit offenbar in etwa die gleiche Summe, die Benkos Tochterfirma Signa Retail nach den Medienberichten für den Kaufhof auf den Tisch legen will.
Metro-Chef Olaf Koch und seine Truppe haben nun die Wahl: Die Milliarden einstreichen oder den Kaufhof in Eigenregie weiterführen.
Damit steht kaum eine andere anstehende Geschäftsentscheidung der Metro so für den Wandel des Konzerns, wie das offenbar entbrennende Bietergefecht um die einst wackelnde Konzerntochter Kaufhof. Denn in den Jahren zwischen 2012 und 2015 wurde nicht nur der Kaufhof, sondern die Metro insgesamt verstärkt auf Rendite getrimmt.
Im Herbst 2012 etwa haben die Frauen und Männer um Olaf Koch dazu das Osteuropa-Geschäft der Metro-Tochter Real verkauft, einer Lebensmittel- und Non-Food-Kette. Im Sommer 2014 trennte sich der Konzern dann von seinen Metro-Großhandelsmärkten in Vietnam für 655 Millionen Euro.
Ende 2014 wurde dann bekannt, dass auch die Metro-Märkte in Dänemark abgestoßen werden. Es folgten Verkäufe und Schließungen in Großbritannien. Überdies zog sich die Elektrowarenkette Media-Saturn aus Frankreich zurück. – Ist damit das Ende der Rückzüge und Verkäufe erreicht? Oder folgt jetzt der Kaufhof?
Auf der Hauptversammlung im Februar 2015 sagte Metro-Chef Koch jedenfalls, der Konzernumbau sei nicht zu Ende, „aber wir sind deutlich zuversichtlicher als zu Beginn des Jahres 2012.“ Damals war Koch bei dem Düsseldorfer Metro-Konzern als Chef angetreten, und seinerzeit hatte er die Neuausrichtung der Metro mit „einem Marathon“ verglichen.
In dessen Ziel scheint Koch noch nicht angekommen zu sein.
Zwar hat er Sparten wie Cash & Carry, Real und Kaufhof neu ausgerichtet. Ziel dessen ist es laut Metro-Management, auf vergleichbarer Fläche den Umsatz jedes Jahr um mehr als 2 Prozent zu steigern. Im ersten Finanzquartal 2015 war dieses Ziel mit einem Umsatzplus von 2,1 Prozent auch geschafft worden, anders als im zurückliegenden Geschäftsjahr, in dem ein kümmerliches Plus von 0,1 Prozent heraussprang.
Zudem hat Koch mittlerweile auch die engere Verzahnung von Online- und stationärem Handel in den Elektronikmärkten des Konzerns vorangetrieben. Nach Angaben des Firmenlenkers besucht inzwischen jeder zweite Kunde, der online in dieser Sparte gelandet sei, danach auch einen der Läden. Erfolge und Ziele, die manch Handelsexperte und Finanzanalyst würdigt.
„Erreicht die Metro nur die Hälfte dessen, was sie anstrebt, sind Kurse von 40 Euro pro Metro-Aktie angemessen“, sagt beispielsweise Bruno Monteyne vom US-Analysehaus Bernstein Research. Aktuell Anfang Juni 2015 ist das Metro-Papier für rund 32 zu haben.
Auf den ersten Blick scheint die Entwicklung des Aktienkurses der Metro tatsächlich für den eingeschlagenen Kurs von Metro-Chef Koch zu sprechen, denn der Wert der Metro-Anteilsscheine ist im laufenden Jahr 2015 bis Anfang Juni um ein Drittel auf eben diese 32 Euro gestiegen.
Allerdings lässt das höchstens bei kurzfristig orientierten Chart-Profis Frühlingsgefühle aufkommen. Denn wer sich den Kursverlauf der Metro-Aktie über fünf Jahre anschaut bemerkt schnell: Die Metro-Titel sind nur noch etwas mehr als halb so viel wert wie im Jahr 2010. Trotz der Kursgewinne in der ersten Jahreshälfte 2015.
Nicht wenige Aktionäre empfinden den laufenden Umbau des Metro-Konglomerats aus Großhandelsmärkten, Warenhäusern, Elektronikmärkten und Real-Supermärkten dann auch nicht als Marathonlauf mit beschleunigter Zielannäherung, sondern als zunehmenden Geduldstest. Unglücklicherweise für die Metro zählt zu diesen Kritikern offenbar auch der Ankeraktionär des Konzerns. „Ich kann nicht sagen, dass wir zufrieden sind“, sagte Haniel-Chef Stephan Gemkow im Februar 2015 in einem Zeitungs-Interview über die Entwicklung eines seines Investments, der Metro.
Ob Metro-Chef Koch das als warnende Ankündigung verstanden hatte? Nur wenige Wochen später jedenfalls, am 7. Mai 2015, handelte Gemkow: Seine Duisburger Holding Haniel reduzierte ihren Anteil am Düsseldorfer Handelskonzern Metro um 16,25 Millionen Aktien. Damit sank der Haniel-Anteil an der Metro von zuvor 30,01 Prozent auf nunmehr 25,0 Prozent.
Die Kursgewinne der Metro-Aktie seit Jahresanfang bis Mitte 2015 mag die Familienholding Haniel zu dem Aktienverkauf bewogen haben. Großes Zutrauen des Ankeraktionärs in die künftige Kursentwicklung der Metro können Beobachter aus dem Verkauf allerdings nicht ablesen.
Tatsächlich muss Metro-Chef Koch weiterhin viele Baustellen fertigstellen. Die Lebensmittel- und Non-Food-Kette Real verdient weiterhin weniger Geld, als sich das Metro-Management und die Aktionäre des Handelshauses das wohl vorstellen. Denn in den rund hundert großflächigen Real-Märkten in Stadtrand-Lage stagniert das Mengengeschäft: Von je einhundert Euro Verkaufserlös bleibt der Metro am Ende ein operativer Gewinn von weniger als einem Euro übrig – vor Zinsen und Steuern.
Eine Dauerbaustelle ist auch der langjährige Streit mit dem Minderheitsaktionär Erich Kellerhals bei Media-Saturn. Hier geht es um Einfluss. Kellerhals, einer der Gründer der Elektrohandelskette, hält aktuell knapp 22 Prozent der Anteile, verfügt jedoch über weitreichende Veto-Rechte, und man kann sich seit Jahren nicht einigen. Verfahren nach Verfahren landet bei den Gerichten, in denen sich die Kontrahenten teils unversöhnlich gegenüber stehen. Bis heute.
Laut Metro-Chef Koch hatten Banken deshalb längst mehrere Optionen für die Kette geprüft, darunter einen Börsengang, eine Abspaltung und einen möglichen Verkauf. Doch keine dieser Varianten habe Erfolg versprochen, die Elektrokette ist deshalb auch im Frühsommer 2015 Teil des Metro-Reichs. Vielleicht eine günstige Fügung.
Media-Saturn hat zuletzt deutlich höhere Umsätze gemeldet. Der Gewinn in den Elektronikmärkten stieg im ersten Quartal 2015 um 60 Millionen auf 349 Millionen Euro. Somit ist aus der umkämpften Tochter ein kleiner Star im Konzern-Portfolio geworden. Trotz aller Streitigkeiten.
Ob Koch mit diesen Verbesserungen sein Fernziel schneller erreichen kann, bleibt abzuwarten. Bis zum Ende des Jahrzehnts will der Metro-Chef neben den bereits erwähnten Umsatzzielen die Investitionen des Unternehmens nahezu verdoppeln und die Gewinnmarge von 2,7 Prozent auf 3,5 Prozent steigern.
Manches jedenfalls hat Koch dabei nicht selbst in der Hand. Dazu gehören die wachsenden Währungsturbulenzen in der Welt aufgrund der hohen Geldschöpfung der führenden Notenbanken sowie die anhaltenden Probleme auf dem russischen Markt, in dem die Metro stark vertreten ist: Vom Ende der Sanktionen gegen Russland wegen der Krim-Annexion des Landes scheint der Westen Anfang Juni 2015 weit, weit entfernt zu sein.
Vielleicht passt Metro-Chef Olaf Koch der mögliche Verkauf der Kaufhaustochter Kaufhof ja genau deshalb in das Programm. Zwar bekräftigt Koch immer wieder, die Metro sei „glücklicher Eigentümer“ des Kaufhof. Doch das ausgebrochene Bietergefecht um die Warenhauskette zeigt, dass dessen Verkauf Milliarden einbringen würde. Viel Geld also, das Koch in den Schuldenabbau des Unternehmens und die Erneuerung der Metro-Großmärkte stecken könnte.
Der „Marathon-Lauf“ der Metro jedenfalls, also die wirtschaftliche Gesundung des Konzerns, ist „holpriger und länger“ als erwartet, musste Konzern-Chef Koch auf der Hauptversammlung 2015 des Unternehmens selbst zugeben.