Es könnte der nächste Milliardenzukauf des deutschen Siemens-Konzerns werden: Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters verhandeln die Münchener mit dem US-Unternehmen Emerson Electric über den Kauf einer Sparte des US-Konzerns.
Mit dem Hinweis auf Insider hat Reuters berichtet, dass Siemens Interesse an der Network-Power-Sparte von Emerson Electric habe. Die Amerikaner hatten vor Monaten bekannt gegeben, sich unter Umständen davon trennen zu wollen. Der Wert dieses Geschäftsbereichs liege bei etwa vier bis fünf Milliarden US-Dollar. Emerson Electric fertigt in der betreffenden Sparte verschiedene Stromsysteme für Netzwerkanlagen.
Nach Angaben von Reuters ist Siemens allerdings nicht der einzige Interessent für diesen Geschäftsbereich des US-Unternehmens aus St. Louis. Ebenfalls auf den Plan getreten sei beispielsweise die Beteiligungsgesellschaft Platinum Equity.
Beobachter mutmaßen, dass Siemens die Sparte des US-Unternehmens in sein eigenes Geschäft mit Nieder- und Mittelspannungssysteme integrieren wolle. „Aber wir tun uns zu diesem Zeitpunkt schwer damit zu sehen, wie das Unternehmen damit das Wachstum und die Margen dieses Geschäfts wesentlich verbessern könnte“, schrieben Analysten der Bank Barclays in einem Kommentar zur möglichen Übernahmemeldung.
Emerson Electric hat nach eigenen Angaben in der betreffenden Geschäftssparte zuletzt zwar etwas sinkende Umsätze verbucht, aber zumindest eine Marge von 8 Prozent einstreichen können. Nach Analystenmeinung ist das ein bisschen mehr, als Siemens in seinen Nieder- und Mittelspannungssystemen im Schnitt derzeit erwirtschaftet.
Siemens scheint damit an verschiedenen Übernahmen parallel zu arbeiten. Bekannt ist der Versuch, die Windturbinensparte von Siemens mit den entsprechenden Aktivitäten des spanischen Unternehmens Gamesa zusammenlegen zu wollen, um so an die Spitze der europäischen Windturbinenhersteller zu gelangen. Der Kauf der Mehrheit an Gamesa hakt allerdings offenbar. Auch für dieses Geschäft wäre eine Milliardensumme fällig.
Die letzte große Übernahme der Münchener war der Kauf des US-Öltechnikunternehmens Dresser Rand am 22. September 2014. Dresser Rand gilt als einer der wichtigsten Zulieferer der Fracking-Industrie in Übersee. Der Deal hatte seinerzeit einen Gesamtwert von 7,6 Milliarden Dollar.
Dass sich der Kauf gerechnet hat, daran herrscht indes Zweifel. Zumal der Verfall der Ölpreise viele Fracking-Projekte in den Vereinigten Staaten hat unrentabel werden lassen. Die Konsequenz: Siemens gab am 9. März 2016 drastische Einschnitte für jene Konzerndivision bekannt, die sich mit Ausrüstung und Antrieben für die Investitionsgüterindustrie und damit auch dem Öl- und Gasgeschäft befasst. In den Geschäftseinheiten "Large Drives" (Großantriebe) und "Process Solutions" (Prozesslösungen) fallen demnach weltweit rund 2500 Stellen weg, davon 2000 in Deutschland; so in Nürnberg rund 750, in Ruhstorf bei Passau rund 700, in Bad Neustadt an der Saale rund 350 und in Erlangen rund 150 Stellen.
Schon bei der Verkündung der Stellenstreichungen führte dies zu Unruhe im Konzern. Zumal Siemens bereits für 2015 den Abbau von 13000 Stellen im Zuge des vom Vorstandschef Joe Kaeser vorangeriebenen Konzernumbaus verkündet hatte – 6000 davon allein in Deutschland.
Das hat längst die Arbeitnehmervertreter auf den Plan gerufen. „Wir befürchten, dass die industrielle Basis aus Deutschland rausgehen soll“, zitiert die Nachrichtenagentur dpa in dieser Woche die Siemens-Gesamtbetriebsratschefin Birgit Steinborn. Die Arbeitnehmer wehren sich entsprechend. „Wir hoffen, dass wir Verlagerungen verhindern können.“ Es brauche Zeit, um über Alternativen zu reden, sagte Steinborn gegenüber der dpa.
Die Schere zwischen dem, was Kaeser den Aktionären und seinen Mitarbeitern verkündet, geht in der Tat auseinander. Erst im Januar hob der Konzern die Ergebnisprognose für das am 30. September endende Geschäftsjahr 2015/16 an. Statt der vorherigen Erwartungsbandbreite für das Ergebnis je Aktie (unverwässert für den Gewinn nach Steuern) von 5,90 Euro bis 6,20 Euro geht der Industrie seither von 6,00 bis 6,40 Euro aus.
„Wir konzentrieren uns weiter auf die Bereinigung von strukturellen Verwerfungen im Unternehmen", hatte sich Kaeser schon damals zitieren lassen. Gleichzeitig jedoch auch suggeriert, das Ende der Stellenstreichungen sei erreicht.
So stehen auf der einen Seite die Stellenstreichungen in Deutschland, die Siemens zufolge allerdings in Saldo durch die Schaffung neuer Stellen in anderen Sparten ausgeglichen werden. Auf der anderen Seite erhöhte Gewinnprognosen und der seit Februar angestoßene Rückkauf von Siemens-Aktien für bis zu drei Milliarden Euro. Für die Konzernführung um Joe Kaeser ist die Marschrichtung derzeit eindeutig.