Bahnt sich der größte Firmenzukauf der Unternehmensgeschichte an? Bayer spricht offenbar mit dem US-Unternehmen Monsanto über eine Übernahme, und dieser Deal wäre ein echter Kraftakt für den Leverkusener Konzern.
Der amerikanische Rivale bringt einen Börsenwert von umgerechnet 37 Milliarden Euro auf die Waage, Bayer selbst kommt in etwa auf die doppelte Marktkapitalisierung. Entsprechend skeptisch reagieren die Bayer-Anteilseigner auf den Plan.
Der Kurs der Bayer-Aktie sackte zum Handelsbeginn am 19. Mai 2016 um 7,3 Prozent auf 89,41 Euro. Damit waren die Bayer-Anteilsscheine die Titel mit den größten Verlusten unter allen Dax-Werten.
Mehr noch: Die Bayer-Anteilsscheine notierten infolge des heutigen Kursrückgangs so tief wie zuletzt im Oktober 2013. Der Absacker hatte zugleich Folgen für den gesamten Dax30-Index: Weil die Bayer-Aktien darin vergleichsweise stark gewichtet sind, verlor das gesamte hiesige Börsentrendbarometer am Vormittag rund 1,6 Prozent.
Viele Anteilseigner des Leverkusener Unternehmens fürchten offenbar, dass zur Finanzierung einer solch großen Übernahme eine Kapitalerhöhung nötig wäre – und sie damit selbst zur Kasse gebeten würden, wollen sie ihren Bayer-Anteil nicht verwässert sehen.
Die Sorge ist nach Meinung mancher Marktbeobachter begründet. Sie halten einen Monsanto-Kaufpreis von etwa 40 Milliarden bis 60 Milliarden Dollar für möglich. Der Zukauf wäre für Bayer dann auch die mit Abstand größte Firmenübernahme in der langen Unternehmensgeschichte: Bisher nimmt der Kauf der Berliner Schering AG im Jahr 2006 für seinerzeit 17 Milliarden Euro diese Position ein. Doch nun könnte eben der angepeilte Monsanto-Kauf davor kommen.
Bayer-Manager hätten bereits Mitglieder der Monsanto-Führung getroffen, um vertraulich über eine einvernehmliche Übernahme von Monsanto zu sprechen, teilte Bayer mit. Monsanto bestätigte am 19. Mai 2016 seinerseits, einen unverbindlichen Vorschlag für eine Übernahme durch Bayer erhalten zu haben. Jetzt werde das Angebot geprüft, unter anderem mit externen Beratern – und deren Liste ist lang.
So gaben die Amerikaner bekannt, die Kaufofferte von Bayer unter anderem von Beratern der New Yorker Investmentbank Ducera Partners prüfen zu lassen, die schon vielfach als Ratgeber in großen Transaktionen fungierten. Zudem würden Experten der US-Bank Morgan Stanley gehört, darüber hinaus Anwälte der New Yorker Kanzlei Wachtell, Lipton, Rosen & Katz.
Bayer selbst wirbt für den Zusammenschluss damit, dass sich der Leverkusener Konzern „als globales, innovationsgetriebenes Life-Science-Unternehmen mit Spitzenpositionen in seinen Kerngeschäften stärken und ein führendes integriertes Agrargeschäft schaffen“ würde. Analysten allerdings klingen in einer ersten Reaktion weniger euphorisch.
Volker Braun beispielsweise, Analyst des Bankhauses Lampe, sieht für Bayer keinen Grund, einen „überstürzten Deal mit Monsanto“ einzugehen. Es gebe genügend andere Übernahmemöglichkeiten in der Branche, schrieb der Analyst – und zwar zu besseren Preisen und mit einem vorteilhafteren Risikoprofil. Auch Eric Le Berrigaud von Bryan Garnier ist skeptisch. Er hält die Übernahme von Monsanto durch Bayer für „zu groß“.
Sollte der Deal ungeachtet dessen zustande kommen, hätten die Pläne Monsantos, die Konsolidierung in der globalen Agrarchemie voranzutreiben, eine beachtliche Wende genommen. Denn lange hatte der US-Konzern selbst versucht, als übernehmendes Unternehmen bei Wettbewerbern zum Zuge zu kommen.
So wurde Monsanto beispielsweise im August 2015 beim Rivalen Syngenta vorstellig. Bei den Schweizern blitzten die Amerikaner jedoch ab. Syngenta verkündete stattdessen im Februar 2016 den Zusammenschluss mit dem chinesischen Branchengiganten ChemChina.
Da zudem die zwei wichtigen amerikanischen Monsanto-Wettbewerber im Geschäft mit der Insekten-, Pilz- und Unkrautvernichtung – Dow Chemical und Dupont (Pioneer) – im Dezember 2015 ihre geplante Fusion verkündeten, schrumpfte die Anzahl möglicher Übernahmeziele oder potenzieller Fusionspartner für Monsanto weiter.
Eigentlich blieben dem Konzern aus St. Louis somit nur die deutschen Vertreter Bayer und BASF als Verhandlungspartner, vertreten durch deren Agrarchemiesparten Bayer Crop Science und BASF Crop Protection.
Monsanto wendete sich dann auch im März 2016 schließlich Bayer zu. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge stand dabei ein Kaufpreise um die 30 Milliarden US-Dollar für das entsprechende Bayer-Geschäft im Raum. Beide Unternehmen lehnten zu jenem Zeitpunkt Stellungnahmen ab.
Wie eine Transaktion in dieser Größenordnung hätte aussehen können, das war allerdings schon damals offen. So wurde statt der Eingliederung der Bayer-Sparte in den Monsanto-Konzern auch über ein Gemeinschaftsunternehmen spekuliert. Zudem hatte Bayers verantwortlicher Manager Liam Condon schon damals angekündigt, die Bayer-Agrarchemiesparte nicht verkaufen, sondern durch Zukäufe stärken zu wollen.
So scheint es nun zu kommen.