Für einen Mann der Zahlen verfügt Werner Baumann (56), Vorstandsvorsitzender des vor wenigen Jahren noch wertvollsten deutschen Industriekonzerns Bayer, über einen ausgeprägten Humor. Vor allem, wenn jemand seine offensive Strategie infrage stellt, haut der Diplom-Kaufmann (Spezialgebiet Steuern und Bilanzierung) schnell mal einen raus: „Mit voller Hose gewinnen Sie keinen 100-Mater-Lauf“, womit Baumann wohl durchaus Recht haben dürfte.
Als bei der Bilanz-Pressekonferenz Ende Februar diesen Jahres ein Medienvertreter Baumann auf den Einstieg der Fondsgesellschaft Elliott bei Bayer ansprach und wissen wollte, ob der Vorstand inzwischen denn mit Elliott gesprochen habe, kesselte Werner „Beinhart“ Baumann, „Elliott ist der Freund meiner Tochter, mit dem habe ich neulich noch gesprochen“ und nahm anschließend die Glückwünsche zu seinem Schwiegersohn in spe entgegen.
Nicht allen bei Bayer gefallen Baumanns Sprüche. Vor allem die Investor-Relations-Truppen sind in Sorge, ihr Chef könnte auch bei der Hauptversammlung am 26. April in Bonn allzu flapsig auftreten. Dass die Aktionäre sich darüber amüsieren, ist nicht zu erwarten, denn ihr Frust über Baumanns Darbietungen ist gewaltig. Bei der HV im vergangenen Jahr betrug die Börsenwert noch mehr als 83 Milliarden Euro, inzwischen sind es gut 20 Milliarden Euro weniger.
Schuld an dem Niedergang ist vor allem die selbstgefällige Art und Weise, mit der Baumann und seine Vorstandskollegen, aber auch sein Aufsichtsratsvorsitzender Werner Wenning die Akquisition des amerikanischen Unkrautvernichters und Saatgutherstellers Monsanto angingen und umsetzten. Die Quittung: Heute ist Bayer inklusive Monsanto weniger wert (rund 57 Milliarden Euro), als Bayer für Monsanto bezahlt hat (63 Milliarden Euro).
Wenn man schon sein ganzes Unternehmen für einen Deal verwettet, sollte man penibel und besonders gründlich vorgehen. Doch ganz offensichtlich ist das nicht passiert. Denn die Risiken aus den in den USA anhängigen Klagen gegen Monsanto, haben die Leverkusener Manager ganz offensichtlich unterschätzt. Nun muss Bayer sich auf deutlich höhere Schadensersatzzahlungen gefasst machen, als ursprünglich kalkuliert. Es sei denn, es gelingt noch, die US-Gerichte von der Unbedenklichkeit ihres Pflanzschutzmittels zu überzeugen, die juristische Auseinandersetzung also endlich ernster zu nehmen.
Immerhin: Die flotten Sprüche sind Baumann inzwischen vergangen. Doch kursstabilisierend wirkt das bisher nicht. Der Kapitalmarkt ist skeptisch, ob Baumann und Co. nun die richtigen Konsequenzen aus der Abstrafung der Börse ziehen und den Megakonzern (40 Milliarden Euro Umsatz, 100 000 Mitarbeiter) in den Griff kriegen. Mit den angekündigten Kostensenkungsmaßnahmen und der Streichung von ein paar Tausend Mitarbeitern ist es nicht getan.
Problematischer ist nicht allein die Unternehmensgröße sondern mehr noch die Komplexität: Bayer besteht nach der Monsanto-Akquisition faktisch aus den zwei ähnlich dimensionierten Bereichen Health-Care und Agrar. Beide operieren in wettbewerbsintensiven Umfeldern, brauchen deshalb die volle Aufmerksamkeit des Topmanagements. Doch die bekommen sie nicht. Synergien zwischen beiden Bereichen bestehen nur für Zyniker (der eine Bereich verursacht Krebs, der andere heilt Krebs). Es gibt mithin gute Gründe, den Konzern aufzuspalten.
Doch da wird der amtierende Aufsichtsratschef Werner Wenning wohl nicht mitspielen. Schließlich war er der Haupttreiber der Monsanto-Akquisition. Sein vorheriger Vorstandschef Wim Dekkers, der Bayer im Sinne der Aktionäre geführt hatte, lehnte den Deal ab – und musste gehen. Der von Wenning zum neuen Konzernchef gekürzte Baumann zog mit.
Diese Rochade und ihre Folgen sind symptomatisch für ein Problem, das die Aktionäre auf der anstehenden Hauptversammlung angehen sollten: Die bei Bayer praktizierte Corporate Governance ist hinter der Größe des Konzerns, und zwar deutlich. Im Kontrollgremium dominieren zwei Herren, die bei Aktionären inzwischen eine Menge Kredit verspielt haben: Werner Wenning, der früher als Vorstandsvorsitzender von Bayer einen durchaus ordentlichen Job gemacht haben mag, als Aufsichtsrat aber unglücklich agierte – bei der Deutschen Bank (in der Ära Ackermann), bei Siemens (in der Ära Löscher) bei Eon und nun bei Bayer. Dazu gesellt sich sein Intimus Paul Achleitner, der mit Wenning in allen wichtigen Ausschüssen des AR sitzt, und als Oberaufseher bei der Deutschen Bank eine mehr als unglückliche Rolle spielt.
Es ist höchste Zeit für einen Neustart bei Bayer. Und am besten beginnen die Aktionäre damit im Aufsichtsrat.