Die Verhandlungen zogen sich über Monate, jetzt hat Siemens offenbar sein Ziel erreicht: Nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg und des Wall Street Journal hat sich der deutsche Industrieriese mit dem spanischen Windanlagenbauer Gamesa geeinigt, die Windkraftgeschäfte der beiden Unternehmen zusammenzulegen.
Wie die beiden Medienhäuser berichten, hat sich Siemens 59 Prozent des dann fusionierten Unternehmens gesichert. Der so entstehende Hersteller von Windkraftanlagen komme auf einen Jahresumsatz von insgesamt rund zehn Milliarden Euro. Siemens zahle für die Mehrheit an dem fusionierten Unternehmen eine Milliarde Dollar.
Siemens selbst wollte den Bericht am Freitag, 17. Juni 2016, nicht kommentieren. Gamesa aber hat der spanischen Börsenaufsicht bereits mitgeteilt, eine grundsätzliche Einigung erzielt zu haben. Die Gamesa-Aktien wurden daraufhin an der Börse in Madrid vom Handel ausgesetzt. Sie hatten am Donnerstag mit einem Kurs von 17,10 Euro geschlossen, ein Plus gegenüber dem Vortag von 0,8 Prozent – und rund 18 Prozent mehr als im Februar 2016. Damals war der Übernahmeplan von Siemens bekannt geworden.
Nach Medienangaben wird das fusionierte Unternehmen künftig an der Börse in Madrid gelistet sein. Ob Siemens seine Mehrheit an Gamesa danach weiter ausbauen will, ist bisher nicht bekannt.
Der Deal war nach Meinung von Beobachtern nur schwer für Siemens zu stemmen. Zum einen habe sich der Münchener Konzern in zähe Verhandlungen mit spanischen Regulierungsbehörden begeben müssen. Zum anderen musste eine Einigung mit dem staatlichen französischen Atomkonzern Areva gefunden werden, der plötzlich in die Verhandlungen eingriff.
Aus gutem Grund: Gamesa betreibt mit den Franzosen ein Offshore-Windunternehmen. Und durch die Gamesa-Übernahme wäre Siemens zum neuen Areva-Partner geworden. Die Franzosen allerdings wollten davon nichts wissen.
Im Gegenteil, Areva sträubte sich und wollte stattdessen aus dem Joint-Venture herausgekauft werden. Nach Medienangaben forderten die Franzosen dafür mehr als jene 280 Millionen Euro, die sie einst in das Projekt investiert hatte. Offenbar hat sich Siemens schließlich mit Areva geeinigt.
Künftig spielt das fusionierte Unternehmen aus Gamesa und der Windkraftsparte von Siemens in der Champions League der Windenergiebranche. Wobei Gamesa vor allem im Onshore-Geschäft stark ist, während Siemens bislang vor allem auf Offhore-Windenergie setzt. Beide Unternehmen würden sich insofern ergänzen.
Regional haben beide Unternehmen ihren Sitz in Ländern, die zumindest in der Vergangenheit die Windenergie stark gefördert haben. So kam Deutschland dem jüngsten GWEC Global Wind Report zufolge im Jahre 2015 auf eine kumulierte installierte Windkraft-Leistung von 45 Gigawatt, Spanien auf 23 Gigawatt. Die Plätze drei und vier in Europa belegten Großbritannien (14 GW) und Frankreich (10 GW).
Im vergangenen Jahr stehen Zuwächse auf dem europäischen Kontinent allerdings fast ausschließlich in Deutschland zu Buche. Gut 6 Gigawatt wurden 2015 hierzulande neu installiert, 2,28 Gigawatt davon waren Offshore-Windkraftanlagen. Weltweit brachte es Deutschland damit auf einen Anteil von 9,5 Prozent.
Der mit gewaltigem Abstand wichtigster Markt war dem Global Wind Report zufolge zuletzt allerdings China. 2015 wurde hier 48,5 Prozent der weltweiten zusätzlichen Windkraftleistung installiert. Wobei der Markt vor allem von einheimischen Spielern bedient wurde. Allen voran Goldwind (7,75 GW; 25,2 Prozent Marktanteil), Guodian United (3,06 GW; 10,0 %), Envision (2,51 GW; 8,2 %) und Mingyang (2,51 GW; 8.2 %).
Unter den ausländischen Windkraftkonzernen kam im vergangenen Jahr Gamesa mit 434 Megawatt (1,4 Prozent Marktanteil) auf die größte installierte Leistung, gefolgt vom dänischen Konzern Vestas (0,9 %) und dem US-Konzern General Electric (0,4 %).
Beim bislang noch wenig entwickelten chinesischen Offshore-Windkraftmarkt spielt hingegen Siemens bislang keine Rolle. Regionaler Marktführer ist hier Shanghai Electric (459 MW, 45 3 Prozent Marktanteil), gefolgt von Sinovel (170 MW, 16,8 %); Envision (131 MW, 12,9 %) und Goldwind (118,5 MW, 11,7 %).
Ob es Siemens gemeinsam mit Gamesa gelingt, nun auch jenseits vom Rest der Welt im wichtigsten globalen Windkraft-Markt Fuß zu fassen, wird erst die Zukunft zeigen.
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