Ein Schritt vor, ein Schritt zurück. Die Commerzbank schafft es in diesem Jahr offenbar nicht, an die Geschäftszahlen des vergangenen Jahres anzuknüpfen.
Für das zweite Quartal 2016 hat das Kreditinstitut auf Basis vorläufiger Zahlen ein operatives Ergebnis von 342 Millionen Euro (minus 18 Prozent) erzielt, nach 419 Millionen Euro im Vorjahr. Das den Aktionären zurechenbare Konzernergebnis lag bei 209 Millionen Euro im zweiten Quartal (minus 32 Prozent), nach 307 Millionen Euro im Vorjahr.
Zwar hält die zweitgrößte Bank Deutschlands bislang an ihrer Prognose fest, im Gesamtjahr das Vorjahresergebnis von gut einer Milliarde Euro auch in 2016 zu erwirtschaften. Dennoch dürfte angesichts der erneut schwachen Quartalszahlen das Erreichen dieser Ziele schwer fallen.
Damit sind die Hoffnungen, die der ehemalige Vorstandschef Martin Blessing noch vor seinem Abgang geweckt hatte, schon Geschichte. Zumal Blessing selbst seine Aussagen bereits auf der diesjährigen Hauptversammlung der Commerzbank zurückgenommen hatte.
Die neue Konzernführung um den ehemaligen Privatkundenchef Martin Zielke hatte dann Anfang Mai „angesichts des verhaltenen ersten Quartals“ davon gesprochen, dass das Ziel der Erreichung des Vorjahresgewinns von gut einer Milliarde Euro „deutlich ambitionierter“ werde.
Wie die Anleger über die Aussagen der Commerzbank-Führung denken, zeigt der Blick auf die Aktienkursentwicklung. Die Bank wird an der Börse aktuell noch mit rund 7,3 Milliarden Euro bewertet. Allein in diesem Jahr ist der Commerzbank-Kurs von 9,572 auf 5,51 Euro am Dienstagmittag eingebrochen, was 40 Prozent Kursverlust seit Jahresbeginn entspricht.
Dass die Commerzbank offenbar weiterhin plant, die 2016 erstmals wieder ausgezahlte Dividende von 20 Cent auch im kommenden Jahr zu zahlen, hat die Aktionäre nicht davon abgehalten, die Aktie auch am Dienstag in Scharen zu verkaufen. Mehr als 4 Prozent betrug das Kursminus bis zum Mittag des 26. Juli 2016.
In dem heute sinkenden Aktienkurs schlägt sich aber vielleicht auch die Sorge der Commerzbank-Aktionäre nieder, ihr Unternehmen könnte bald Geld von ihnen zur Stütze der Bank einfordern. Denn mitten im laufenden Banken-Stresstest der Europäischen Zentralbank (EZB) für das Jahr 2016 muss das Frankfurter Geldhaus auch eine schmelzende Kapitaldecke melden.
Ende Juni 2016 kam das Institut nach eigenen Angaben vom 26. Juli 2016 auf eine harte Kernkapitalquote von 11,5 Prozent. Das seien 0,5 Prozentpunkte weniger als noch vor drei Monaten – ein deutlicher Rückgang also in vergleichsweise kurzer Zeit. Grund dafür ist offenbar eine Dreifachbelastung der Commerzbank.
So hat die EZB nach Angaben der Bank gefordert, einige Bilanzrisiken der Commerzbank höher zu bewerten, als es die Bank bisher getan hatte. Offenbar passte den Bankenaufsehern die Risikoeinschätzung der Commerzbanker in diesen Fällen nicht zu den Marktdaten, die von der EZB zur Basis der EZB-Entscheidung gemacht worden sind.
Darüber hinaus hat aber auch die EZB selbst die Commerzbank in Schwierigkeiten gebracht. Die Nullzins-Politik der Zentralbank um EZB-Chef Mario Draghi lässt das Institut immer weniger mit Zinseinnahmen verdienen. Entsprechend steigt der Druck auf die Erlöslage der Bank, auch die Rücklagen für die Pensionszahlungen des Unternehmens müssen entsprechend in die Höhe geschraubt werden – offenbar ebenfalls zu Lasten der Kapitalausstattung der Bank.
Und schließlich hat die Commerzbank auch noch ein spezielles Italien-Problem: Die Frankfurter sitzen auf vergleichsweise vielen italienischen Staatsanleihen. Die aber sind zuletzt wieder zu Verkaufskandidaten an der Börse geworden. Die so erhöhten Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen drückten ebenfalls auf die Kapitalquoten der Bank.
Noch ist die Kapitallage der Commerzbank nicht dramatisch, sie hat ausreichend Luft. Denn die EZB erwartet von Euro-Geschäftsbanken derzeit nur eine harte Kernkapitalquote von 10,25 Prozent, und mit der aktuell ausgewiesenen Quote von 11,5 Prozent liegt die Commerzbank weit darüber. Doch wie bei der Commerzbank der nötige Trendwechsel zu bald wieder dickeren Kapitalpuffern eingeleitet werden soll, ist ungewiss.
Das liegt womöglich auch an der Konkurrenzfähigkeit der Bank. Denn nach Meinung internationaler Branchenbeobachter haben die europäischen Banken, auch die Commerzbank, mit rückläufigen Geschäften zu kämpfen. Mehr und mehr Marktanteile seien an nicht-europäische Konkurrenten verloren gegangen. So hat beispielsweise das Analysehaus Tricumen insbesondere Verluste gegenüber amerikanischen Instituten ermittelt.
Nach Angaben von Tricumen haben die acht größten europäischen Banken noch im Jahr 2007 mit dem Handel von Anleihen, Devisen und Rohstoffen hohe Einnahmen von 48 Milliarden Dollar erzielt. Das war seinerzeit deutlich mehr als das, was die Top-Fünf-US-Banken schafften. Sie seien im Jahr 2007 auf 38 Milliarden Dollar Umsatz in diesen Geschäften gekommen.
Doch im vergangenen Jahr 2015 erzielten die Europäer damit nur noch Einnahmen in Höhe von 26 Milliarden Dollar, die US-Häuser dagegen schafften 43 Milliarden Dollar Umsatz.
Der Verlust an Geschäftsvolumina mit den entsprechenden Erlöspotentialen ist nun wohl einer der Gründe, warum viele Bankmanager mit Sorgen dem 29. Juli 2016 entgegensehen. An diesem Freitag wird die EZB das Ergebnis ihres Banken-Stresstests für das Jahr 2016 veröffentlichen – vorsichtshalber um 22 Uhr, also weit nach Börsenschluss. Auch in Deutschland wird man das zu schätzen wissen.
Aus deutscher Perspektive ist die Commerzbank schließlich nicht das einzige Institut, das mit seiner Kernkapitalquote kämpft. So hat beispielsweise Michael Dunst, Analyst der Commerzbank, die Deutsche Bank ins Visier genommen. Er rechnet beim größten deutschen Bankhaus nur noch mit einer Kernkapitalquote von 10,9 Prozent zum Ende des zweiten Quartals 2016. Die Gefahr einer weiteren Kapitalerhöhung, um das Kapitalpolster wieder aufzubauen, schätzte er deshalb am 21. Juli 2016 auf 50:50.
Immerhin: Am Freitag, 29. Juli 2016, kann erst einmal kein Institut durch den EZB-Stresstest fallen. Denn anders als beim entsprechenden Test im Jahr 2014 gibt es dieses Mal keine Mindestkapitalquote, die von den Geldhäusern erreicht werden muss. Der laufende Test trägt daher eher den Charakter eines Zwischenzeugnisses für die Banken.
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