Siemens-Aktionäre blicken heute vielleicht mit mehr Zuversicht auf eine der größten Ankündigungen des Industrieriesen der vergangenen Jahre: Siemens-Chef Joe Kaeser hatte im August 2013 die Führung des Technologiekonzerns übernommen, mit seiner „Vision 2020“ wollte er den Rückstand in Sachen Profitabilität und Wachstum auf die besten Konkurrenten aufholen. Drei Jahre nach der Ankündigung scheint er vorangekommen zu sein.
Siemens hat nach eigenen Angaben im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahrs seine Umsatzerlöse um 5 Prozent auf 19,8 Milliarden Euro gesteigert. Der Auftragseingang habe gar Rekordwerte erreicht: Das Orderbuch sei mit 116 Milliarden Euro so prall gefüllt wie nie.
Einziges Manko: Der Nachsteuergewinn stagnierte mit 1,4 Milliarden Euro auf dem Niveau der entsprechenden Vorjahresperiode – offenbar eine Folge hoher Restrukturierungskosten in manchen Siemens-Bereichen.
„Wir kommen mit der Umsetzung unserer Vision 2020 gut voran und haben auch im dritten Quartal vor allem im Marktvergleich überzeugt“, sagte Kaeser am 4. August 2016.
Die Siemens-Anleger haben das offenbar vernommen. Sie kauften heute Siemens-Aktien. Deren Kurs stieg entsprechend bis 10.50 Uhr am Vormittag des 4. August 2016 um 3,8 Prozent auf 100,50 Euro. Das war deutlich mehr als der Dax, der zeitgleich am 4. August 2016 um 0,45 Prozent zulegen konnte. Damit haben die Siemens-Titel ihre Einjahresdelle von 1,95 Prozent fast wieder ausgeglichen.
Mit Blick auf drei Jahre, der Zeit, in der Joe Kaeser nun Siemens-Chef ist, ergibt sich ein besseres Bild. Die Siemens-Aktie hat in dieser Zeit 15,58 Prozent zugelegt – damit allerdings nicht so stark, wie Deutschlands Aktienleitindex Dax in dieser Periode. Das wichtigste hiesige Börsenbarometer schaffte in den vergangenen drei Jahren seit 2013 ein Plus von 20,97 Prozent; die Siemens-Titel sind im Dax gelistet.
Aus den Siemens-Sparten hervorgestochen ist zuletzt das Windkraftgeschäft. Siemens gelang nach einigen Wirren im Juni 2016 die Übernahme des spanischen Konkurrenten Gamesa. Zusammen mit der entsprechenden Siemens-Sparte soll dieser Geschäftsbereich zur weltweiten Nummer eins in der Windanlagenbaubranche werden. Zuletzt zumindest hat dieser Bereich nach Siemens-Angaben bereits mit hohen Bestellungen geglänzt.
Regional haben die fusionierten Windradsparten aus Siemens und Gamesa ihren Sitz in Staaten, die zumindest in der Vergangenheit die Windenergie stark gefördert haben. So kam Deutschland dem jüngsten GWEC Global Wind Report zufolge im Jahre 2015 auf eine kumulierte installierte Windkraft-Leistung von 45 Gigawatt, Spanien auf 23 Gigawatt. Die Plätze drei und vier in Europa belegten Großbritannien (14 GW) und Frankreich (10 GW).
Im vergangenen Jahr stehen Zuwächse auf dem europäischen Kontinent allerdings fast ausschließlich in Deutschland zu Buche. Gut 6 Gigawatt wurden 2015 hierzulande neu installiert, 2,28 Gigawatt davon waren Offshore-Windkraftanlagen. Weltweit brachte es Deutschland damit auf einen Anteil von 9,5 Prozent.
Der mit gewaltigem Abstand wichtigster Markt war dem Global Wind Report zufolge zuletzt allerdings China. 2015 wurde hier 48,5 Prozent der weltweiten zusätzlichen Windkraftleistung installiert.
Siemens-Chef Joe Kaeser hat infolge der hohen Bestellungen nun die Prognose für den Jahresgewinn des Konzerns angehoben. Er gab nun einen Gewinn je Aktie von 6,50 Euro bis 6,70 Euro (zuvor: 6,00 bis 6,40 Euro) als Ziel aus. Gemessen an der Siemens-Aktienzahl entspräche das in etwa einem Jahresüberschuss von bis zu 5,7 Milliarden Euro.
Im gesamten Geschäftsjahr 2015/16, das am 30. September 2016 enden wird, strebt Siemens nun 10 bis 11 Prozent Rendite an; im abgelaufenen dritten Quartal lag der Konzern mit 10,8 Prozent am oberen Rand dieser Bandbreite.
Ob es so weiter gehen wird, Siemens-Chef Joe Kaeser den Technologiekonzern in Richtung seiner „Vision 2020“ entwickeln kann? Manche Analysten sind skeptisch, nicht zuletzt aufgrund der unsicheren Konjunkturlage.
So sagte etwa Goldman-Sachs-Analystin Daniela Costa am 3. August 2016, dass die meisten Investitionsgüterhersteller bisher trotz durchwachsener Umsätze gute Margen erzielen können. Doch diese Entwicklung fortzusetzen dürfe schwerfallen: Im zweiten Halbjahr 2016 würden die Folgen des Austritt-Votums der Briten aus der Europäischen Union sichtbar werden.
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