Gäbe es eine Liste der schwierigsten Industrien, die Airlines wären der Überflieger: Horrende Treibstoffpreise, Terrorgefahr, steigende Flughafengebühren und dümpelnde Wachstumsmärkte. Das ist in etwa das aktuelle Szenario, in dem Fluggesellschaften ihre Passagiere und Fracht transportieren.
Heraus kommt laut dem internationalen Luftfahrtverband IATA eine durchschnittliche Marge von mageren 2,5 Prozent und ein Gewinn je Fluggast von 5,65 Dollar. Das ist eine bescheidene Rendite für eine so unsichere Industrie. Für diese Verzinsung ihrer Investitionen würden Investmentbanker morgens gar nicht ins Büro fahren.
Wenn es sich dann noch um eine europäische Airline wie die Lufthansa handelt, kommt eskalierender Konkurrenzdruck der Carrier vom Persischen Golf hinzu sowie serienweise Streiks von deutschen Piloten, Bodenpersonal und Kabinen-Crews, die Inflationsausgleich, Erfolgsbeteiligung und auskömmliche Pensionen fordern. In dieses Treibsandbecken traut sich der nächste Vorstandschef der Lufthansa, Carsten Spohr, der einen Pilotenschein besitzt.
Den kann er auch gut brauchen. Denn die Turbulenzen in der Branche halten an. Gerade hat die Lufthansa bekannt gegeben, dass sie ihr 2012 aufgelegtes Sparprogramm mit dem Kürzel ‚Score‘ über 2015 hinaus fortführen wird. Aus der Kurzstrecke ist bei den Sparbemühungen ein Langstreckenflug geworden.
Das macht man als Airline-Manager nur, wenn das laufende Programm hinter den Erwartungen zurückbleibt – was bei der Lufthansa derzeit nicht der Fall ist – oder wenn das schwierige Umfeld keine Anzeichen von Besserung signalisiert. Anhaltende Attacken von Discount-Airlines auf Standorte der Lufthansa sowie die ungebremste Invasion der Konkurrenz vom Golf sind Belege für diesen letzten Punkt.
Wie stark die Forderungen der 5400 Piloten im jüngsten Konflikt um die Altersversorgung das Score-Programm beeinträchtigen werden, bleibt abzuwarten. Tatsache ist, dass die Zwangsjacke gegen steigende Kosten schon im ersten Jahr fester geschnürt werden musste, weil die Ölnotierungen schneller kletterten als von vielen vorhergesagt. Etwa 3500 Jobs fallen dem Programm zum Opfer.
Der operative Gewinn soll bis 2015 auf 2,3 Milliarden Euro steigen. Über 800 verschiedene Sparmaßnahmen wurden eingeleitet. Dazu zählen ganz neu wohl Gepäckanhänger, die Fluggäste selbst ausdrucken sollen und die kostenpflichtige Sitzplatzwahl auf manchen Verbindungen.
Aber zu nennen sind auch hunderte von Verbesserungen beim Treibstoffverbrauch sowie Gewichtsreduzierungen, die Schließung von Standorten und eine Verschmelzung von Kurzstrecken mit dem Billigflieger Germanwings. Bis Ende 2014 sollen europäische Flüge, die nicht Frankfurt und München bedienen, zusammen mit Germanwings durchgeführt werden.
Im günstigsten Fall kann das verlustbringende Kurzstreckennetz dann wieder Gewinne erwirtschaften. Doch selbst die Günstig-Tochter Germanwings, die ein Fünftel niedrigere Kosten erreicht, muss noch kräftig an der Kostenschraube drehen. Ihre Aufwendungen sind bei vergleichbaren Budgetposten laut Barclays 30 Prozent höher als bei EasyJet und 20 Prozent höher als bei Norwegian Air Shuttle.
Auch beim Treibstoffverbrauch, der knapp 30 Prozent der Gesamtkosten ausmacht – und vom Volumen her dem Benzinkonsum Finnlands entspricht – wird bei der Lufthansa akribisch nach Einsparungen gesucht.
Das striktere Kosten-Regime reicht bis hin zur Inhouse-Software Lido, die Piloten konkrete Angaben macht, ob es sich bei Verspätungen (ausgehend von der Zahl der Passagiere, die einen Anschluss-Flug verlieren würden) lohnt, etwas mehr Gas zu geben. Ein Kilo weniger Gewicht auf allen Flügen kann der Airline 30 Tonnen Kerosin im Jahr sparen. Mehr noch.
Der ‚Fuel Reporter‘, ein komplexes Programm zur Verbrauchsminimierung, analysiert die Einflüsse verschiedener Parameter auf den Gesamtverbrauch. Effizientere Landeanflüge, mehr Flughöhe wenn erlaubt sowie leichtere Gepäck-Container.
Das alles gehört zum Sparprogramm. Die Einsparungen von Score sollen helfen, die Flotte umfangreich mit verbrauchsärmeren Jets auszustatten und für die Anschaffung möglichst wenig Schulden aufzunehmen. Die größte Flottenerneuerung in der Geschichte der Kranichlinie hat bereits begonnen.
Bis zur Mitte des nächsten Jahrzehnts sollen 236 Maschinen mit einem addierten Listenpreis von 22 Milliarden Euro angeschafft werden. Der geringere Kerosinverbrauch der moderneren Maschinen ist ein Kernpunkt in der Strategie, die langfristige Effekte sucht.
Zudem werden drei Milliarden Euro in verbesserte Angebote in der First Class und Business Class investiert. Das soll von den Golf-Airlines profitable Kundschaft zurückgewinnen.
Mehr als ein Jahr nach dem Start von ‚Score‘ zeichnen sich Erfolge ab. Die Airline erwartet für dieses Jahr Treibstoffkosten von 6,9 Milliarden Euro, das sind immerhin 200 Millionen Euro weniger als im Vorjahr. Und der Einsatz größerer Flieger hat nicht nur den Verbrauch weiter gedämpft, sondern auch den Umsatz pro Flug erhöht.
Jetzt sollen die Kosten der Restrukturierung zurückgehen, von 200 Millionen Euro im vergangenen Jahr, auf 80 Millionen Euro für 2014 und 20 Millionen Euro für 2015. Analysten der Citibank sagen für 2014 einen operativen Gewinn von 1,5 Milliarden Euro vorher. Die Credit Suisse geht für dieses und nächstes Jahr von 1,3 Milliarden und 1,7 Milliarden aus. Ob das reicht, gegen die erstarkende Konkurrenz zu bestehen?