Das ist mehr als ein Warnsignal: Lufthansa-Aktionären wurde für das vergangene Jahr 2014 die Dividende gestrichen.
Der rigorose Einschnitt ist wohl bereits das Eingeständnis, dass Deutschlands größte Fluggesellschaft in eine tiefgreifende Krise schlittern könnte. Und genau diese Sorge treibt offenbar auch die Börse um: Der Aktienkurs der Lufthansa hat seit dem jüngsten Zwischenhoch im Juni 2014, als er knapp die 20-Euro-Marke erreichte, bis Ende April 2015 deutlich auf unter 13 Euro nachgegeben.
Die Lufthansa ist einer der Tiefflieger im Dax.
Woran liegt das alles?
Aktuell ist die Airline geschockt. Der tragische Absturz der Germanwings-Maschine, eines Flugzeugs einer Lufthansa-Tochter, hat den Konzern paralysiert. Zwar hat wahrscheinlich kein technischer Defekt der Maschine die Tragödie am 24. März 2015 ausgelöst, sondern nach derzeitigem Wissen offenbar der Copilot. An der Trauer der Angehörigen der vielen Absturztoten und dem Schock für Lufthansa-Angestellte und Kunden ändert das nichts.
Doch auch die wirtschaftliche Lage der Lufthansa sieht nicht gut aus. Sinkende Durchschnittserlöse im Passagiergeschäft und andauernde Streiks unzufriedener Piloten sind dabei nur zwei Probleme. Die arabische Langstreckenkonkurrenz (Emirates, Etihad, Qatar Airways) und die europäischen Billigflieger (Ryanair, Easyjet) sind weitere.
Die Bremsspuren, die dieses Umfeld bei der größten deutschen Fluggesellschaft hinterlassen, wurden zuletzt deutlich, als die Lufthansa ihre vorläufiges Geschäftsergebnis des Jahres 2014 präsentiert hat. Nach deutscher Rechnungslegung (HGB) wurden dabei 732 Millionen Euro Verlust eingeflogen, nur nach dem internationalen Bilanzierungsstandard IFRS blieb ein kleiner Gewinn von 55 Millionen Euro übrig. Ein Jahr zuvor waren es noch 407 Millionen Euro Gewinn.
Bei einem unveränderten Umsatz von 30 Milliarden Euro wurde ein operatives Ergebnis von 954 Millionen Euro erzielt. Dieses blieb knapp hinter der Prognose des Vorstands von einer Milliarde Euro zurück. Zu Buche schlugen vor allem die Einbußen aus den Pilotenstreiks, die für die Zeit seit April bis Ende 2014 auf 232 Millionen Euro beziffert werden. Mit dem Kabinenpersonal wird unter anderem um eine Lösung für die Betriebsrenten gerungen, für die Lufthansa nicht mehr die einst vereinbart Renditen auch künftig garantieren will – ein Nebeneffekt der Nullzinspolitik des europäischen Zentralbank-Chefs Mario Draghi.
Höhere Pensionslasten sowie Verluste aus Sicherungsgeschäften für den Kerosinpreis taten ein Übriges. Zwar hat der mittlerweile vergleichsweise niedrige Ölpreis – für die marktführende Ölsorte Brent muss im April 2015 mit rund 65 Dollar gut 41 Prozent weniger bezahlt werden, als im April 2014 – und damit niedrigere Marktpreis für den Flugzeugtreibstoff für sinkende Kosten gesorgt; die Lufthansa erwartet für das laufende Jahr einen Rückgang der Kraftstoffausgaben von 900 Millionen Euro. Doch weil Europas zweitgrößte Luftlinie fast drei Viertel der Kosten auf einem Niveau von 105 Barrel pro Dollar abgesichert hat, kann sie aktuell nicht so stark vom niedrigen Ölpreis profitieren wie einige ihrer Konkurrenten.
Hinzu kommt ein Kartellstreit mit großen Luftfrachtkunden wie BMW und Bosch, die in einer Zivilklage gemeinsam mit der Bahn erhebliche Schadenersatzforderungen auch gegenüber der Lufthansa wegen hoher Zuschläge für Kerosin und Sicherheit im Frachtgeschäft geltend machen.
Alles andere also als ein ideales Umfeld für Lufthansa-Chef Carsten Spohr, wenn er am 29. April 2015 in Hamburg vor seine Aktionäre treten muss. Dann wird er erklären müssen, warum er die Gewinnaussichten der Fluggesellschaft Schritt für Schritt seit der Hauptversammlung der Lufthansa im Jahr 2014 zurücknehmen musste; damals hatte Spohrs Vorgänger Christoph Franz noch die Bühne für sich genutzt – und den Anteilseignern damals ein mehr als doppelt so gutes Ergebnis in Aussicht gestellt als jenes, dass nun Lufthansa-Lenker Spohr für möglich hält.
Auch das strategische Dilemma des Unternehmens dürfte auf der Hauptversammlung zu Debatten führen, zu denen der Konzernchef wird Stellung nehmen müssen: Die Luftlinie wird einerseits auf der Kurzstrecke vor allem von britischen Billigfliegern preislich unterboten. Die Kostenvorteile von Wettbewerbern wie Easyjet beziffert die Lufthansa auf 30 bis 40 Prozent. Der Flugbetrieb bringt der Lufthansa auch nur eine operative Marge von 2,9 Prozent. Experten halte das zumindest auf lange Sicht für zu niedrig.
Auf der Langstrecke werden die Deutschen andererseits von arabischen Premium-Airlines unter Druck gesetzt. Die Golf-Carrier greifen weiter beherzt an und genießen die ihnen von ihren Heimatregierungen gewährten finanziellen Vorteile, mit denen sie an den Start gehen.
Gezielt kauft sich die arabische Konkurrenz zudem bei den etablierten Fluggesellschaften ein. So hat Qatar Airways fast 10 Prozent an der British Airways und der International Airlines Group – der Mutter der Iberia – erworben. Die aus Abu Dhabi stammende Etihad hält inzwischen Beteiligungen an der Air France, der Air Berlin, der Air Serbia sowie der Alitalia. Hinzu kommt, dass auch viel Kapital für die Erneuerung der Flotte benötigt wird. Der Nachrichtenagentur zufolge hat Finanzchefin Simone Menne den Orderbestand der Airline am 20. Februar mit 32 Milliarden Euro beziffert.
So war es keine Überraschung, dass die Lufthansa-Vorstände Karl Ulrich Garnadt und Bettina Volkens jüngst 40.000 Beschäftigte auf die nächste Sparrunde einstimmten. Sie wiesen darauf hin, dass im Passagiergeschäft ("Passage") die laufende Senkung der Kosten nicht ausreiche, um den Rückgang der Durchschnittserlöse um mehr als 3 Prozent im vergangenen Jahr aufzufangen. „Unterm Strich geht eine Schere auf, die uns ohne Korrekturen auf den Weg in eine gefährliche rote Zone führt", hieß es in dem Brief.
Den Aktionären dürfte die Situation kaum gefallen. Sie sehen eine Airline, die aus dem Sparmodus kaum noch heraus zu kommen scheint, und dennoch der Konkurrenz bei den Kosten hinterherfliegt. Ihnen wird die Dividende gestrichen, um die Lufthansa besser für den stetig wachsenden Konkurrenzkampf fit zu machen, ohne dass bisher klar ist, wie viel Boden gegenüber den härtesten Wettbewerbern in absehbarer Zeit gutgemacht werden kann.
Ein strategischer Schwenk und organisatorischer Umbau der Airline scheint unumgänglich. Doch auch dieser fällt der Konzernführung schwer.
Vorstandschef Carsten Spohr will zwar mit eigenen Sparfliegern unter der Marke "Eurowings" punkten. Die Tochter hat erst kürzlich die erste A320 aus dem Flottenbestand der Lufthansa übernommen und soll im Oktober so richtig starten. Doch die Piloten bekämpfen diese Pläne. Seit dem Frühjahr 2014 bis zum April 2015 wurde insgesamt annähernd ein Dutzend Mal gestreikt.
Wie Konzern-Lenker Carsten Spohr dieses Problem in den Griff bekommen will, werden die Aktionäre auch von ihm auf der Hauptversammlung am 29. April 2015 wissen wollen.