Nur zehn Monate ist es rückblickend vom laufenden Mai 2015 her, dass Airbus-Chef Fabrice Bregier eine gezielte Abwertung des Euro forderte, um die Geschäfte des Luft- und Raumfahrtkonzerns zu beflügeln.
Jetzt sieht er das Ergebnis: Seit März 2015 hat sich der Euro gegenüber dem Dollar um rund ein Fünftel verbilligt.
Einfluss auf den Wechselkurs hatte der Airbus-Manager zwar in den Monaten zwischen März und Mai 2015 so wenig wie davor, doch die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt hat den Job zwischenzeitlich anstelle von Bregier erledigt; die Milliarden Euro schweren Anleihenkäufe der EZB drückten den Euro-Kurs ab März 2015.
Das macht Airbus nicht nur zum Profiteur der Schwäche der Gemeinschaftswährung, sondern zum Paradebeispiel dafür, warum die europäischen Unternehmen für das erste Quartal die größten Gewinnzuwächse seit dem zweiten Quartal 2011 feiern. In den USA neigt sich dagegen die schwächste Bilanzrunde seit sechs Jahren dem Ende zu.
Die Gewinne der Firmen, deren Titel im Aktienindex Stoxx Europe 600 geführt werden, sind im ersten Quartal 2015 um fast 20 Prozent gestiegen – wenn man den Energiesektor mit seinen drastischen Schwankungen nicht mitrechnet. Der Vergleichswert für die USA: magere 5,4 Prozent.
Rechnet man die Energiefirmen mit ein, obwohl die Implosion der Ölpreise ab Mitte 2014 ihre Gewinne völlig verhagelt hat, dann sieht der Vergleich so aus: Einem Gewinnplus von 5,3 Prozent in Europa steht ein Aktienkursrückgang von 2 Prozent an der Wall Street gegenüber.
Ein weiterer Vergleich zeigt das gespaltene Bild zwischen neuer und alter Welt ebenso eindrücklich.
Bis Ende April 2015 schlugen 60 der 107 größten börsennotierten europäischen Firmen ihre Umsatzprognosen. Nur 18 blieben hinter den Erwartungen zurück. In den USA sieht das Bild ganz anders aus: Dort gelang es bisher nur 28 Prozent der im S&P 500 gelisteten Firmen sowohl beim Umsatz als auch beim Gewinn die Prognosen schlagen. Der langjährige Schnitt liegt bei 35 Prozent.
Firmenchefs und Analysten nennen für die erfreuliche Bilanzrunde – und den Vorsprung gegenüber den USA – vor allem drei Gründe: die Euro-Schwäche, den Ölpreis-Einbruch und das 1,1 Billionen Euro umfassende Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank in Frankfurt.
Hier kommt wieder Airbus ins Spiel: Der Konzern rechnet 90 Prozent seiner Kosten in Euro ab, streicht aber 90 Prozent seiner Erlöse in Dollar ein. „Steigt der Euro um einen Cent gegenüber dem Dollar, fehlen uns 100 Millionen Euro im Ergebnis“, sagte Bregier im Juli 2014, als er einen billigeren Euro forderte. Das würde bedeuten, dass sein Unternehmen in den vergangenen zehn Monaten einen währungsbedingten Vorteil von 2,5 Milliarden Dollar (rund 2,2 Milliarden Euro) realisiert hat.
Das Ergebnis im ersten Quartal spricht für sich: Trotz eines überraschenden Umsatzrückgangs verdiente der Konzern 792 Millionen Euro, 80 Prozent mehr als im Vorjahr. Für die Hauptversammlung am 27. Mai bahnt sich ein Rückkaufprogramm für bis zu 10 Prozent der Aktien an. Außerdem soll für 2014 die Dividende steigen. Die Airbus-Aktie notiert seit April nahe ihrer historischen Höchststände.
Vergleichbare Euro-Profiteure gibt es viele im Stoxx Europe 600, weil etwa die Hälfte der Firmenerlöse jenseits der Grenzen Europas erzielt werden. Der Triebwerkshersteller MTU beispielsweise macht mehr als 80 Prozent seiner Erlöse im Dollar-Raum. Weitere Beispiele: Fresenius Medical Care erzielt dort mehr als 60 Prozent vom Umsatz. Und Krones erzielt weniger als ein Drittel seiner Umsätze mit Abfüll- und Verpackungsanlagen in Europa, dafür ein Fünftel allein in den Vereinigten Staaten.
Von den verbesserten Exportmöglichkeiten in die USA profitieren trotz teilweise umfangreicher Produktion vor Ort auch Firmen wie die BASF, Siemens oder Mercedes. Die Investmentbank Evercore in New York schätzt den Gewinnbeitrag aus dem stärkeren Dollar für Mercedes und die deutschen Autobauer VW und BMW im laufenden Jahr im internationalen Geschäft auf insgesamt 14,2 Milliarden Dollar (rund 12,5 Milliarden Euro).
Was den Dax in den vergangenen Wochen zwischenzeitlich über die Marke von 12.000 Zählern getrieben hat, war vor allem die Erwartung, dass die positive Gewinndynamik international aufgestellter Firmen sich fortsetzt.
Diese Hoffnung hat sich in den vergangenen Tagen zwar leicht eingetrübt, weil der Dollar nach Süden drehte und der Euro sich entsprechend verteuerte. Dennoch bleiben Analysten optimistisch. "Die europäischen Aktien sind nicht überbewertet, wenn sich die Gewinne weiter verbessern, und danach sieht es aus“, sagt etwa Dennis Jose, Aktienstratege für Europa bei Barclays.
„Ich erwarte, dass Europa auch bei den Bilanzrunden für das zweite und dritte Quartal besser abschneidet“, bestätigt Stewart Richardson, Hedgefonds-Direktor beim Vermögensverwalter RMG Wealth Management in London. Die Analysten der HSBC gehen für das Gesamtjahr davon aus, dass kontinentaleuropäische Publikumsfirmen ihre Gewinne im Schnitt um 25 Prozent steigern.
Bei den US-Aktien schlug nicht nur der enorme Energiekosten-Einbruch durch, weil das Land als inzwischen größter Ölexporteur vor Saudi Arabien unter den niedrigen Ölpreisen leidet.
Rund die Hälfte der Bohrtürme in den Fracking-Regionen Texas, North Dakota und Pennsylvania wurde von Oktober bis Ende April stillgelegt. Dem im vergangenen Jahr für 7,6 Milliarden US-Dollar von Siemens übernommenen amerikanischen Öl- und Gasindustriezulieferer Dresser-Rand brach im ersten Quartal 2015 beispielsweise ein Viertel des Umsatzes weg. Dazu rutschte das Unternehmen operativ mit 24 Millionen US-Dollar in die roten Zahlen.
An der Wall Street schlug vor allem der starke Dollar negativ zu Buche. Der Greenback ist, wie die Finanzwebseite „Marketwatch“ süffisant feststellt, „zum öffentlichen Feind Nummer eins der Bilanzrunde geworden.“ Fast jedes multinationale Unternehmen, das in der letzten Aprilwoche berichtete, hat den Dollar als einen „signifikanten Gegenwind“ bezeichnet.
„Der Einfluss des starken Dollar auf die Ergebnisse ist viel stärker als es die Analysten vorhergesehen haben“, beklagt sich CNBC. Der Wirtschaftssender hat auch gleich eine Aufstellung mitgeliefert. Demnach sanken die Umsätze bei den S&P 500-Firmen, die mehr als die Hälfte ihres Geschäfts außerhalb der USA machen, um 10,8 Prozent. Bei den Gesellschaften, die weniger als die Hälfte ihrer Umsätze jenseits der US-Grenzen erzielen, nahm der Umsatz im Schnitt um 0,1 Prozent zu.
General Motors zum Beispiel bezifferte den Einfluss der Wechselkurse für das erste Quartal mit einem negativen Effekt von 1,8 Milliarden Dollar auf den Umsatz. Und Procter & Gamble fürchtet, dass der Dollar-Effekt den Umsatz für das Gesamtjahr 2015 um bis zu 7 Prozent drosseln könnte.
Bleibt abzuwarten, wann die US-Manager eine gezielte Abwertung des Dollar gegenüber dem Euro fordern werden. Und ob Amerikas Zentralbank den Job dann auch macht.