Die Konsolidierung in der Chemiebranche schreitet voran. Seit dem 3. Februar 2016 ist nun auch der bisherigen Marktführer in der Agrarchemie, der Schweizer Konzern Syngenta, Teil dieser Marktbereinigung. Allerdings nicht so, wie die Konzernführung es einst geplant und erhofft hatte. Hatte sie doch erst im August 2015 eine Übernahme von Syngenta durch den US-Konkurrenten Monsanto verhindert.
Der Alleingang bekam der Aktie der Basler allerdings nicht gut. An der Börse verlor der Konzern nach der Absage an Monsanto zunächst sechs Milliarden Euro an Marktwert. Darüber hinaus trübte sich das konjunkturelle Umfeld ein. Im Ergebnis sank der Gewinn der Schweizer im Jahr 2015 um 17 Prozent auf 1,34 Milliarden Euro. Und nicht zuletzt erhöhte auch die fortschreitende Konsolidierung den Druck, allen voran der Zusammenschluss der Wettbewerber Dow Chemical und DuPont zu einem neuen Agrarchemie-Giganten.
Ex-Syngenta-CEO Mike Mack begründete seinen Rücktritt im Oktober 2015 schließlich mit dem Aufschrei der Aktionäre über die Zurückweisung des Monsanto-Angebots. Sein Interimsnachfolger, der vormalige Syngenta-CFO John Ramsay und Verwaltungsratschef Michel Demaré, traten daraufhin an, die Wogen zu glätten. Wobei ihnen vor allem eine Gruppe gut organisierter, kritischer Syngenta-Aktionäre gegenüberstand.
Diese kritisierte das Führungspersonal umso mehr, als nach dem Monsanto-Debakel auch das noch im Herbst 2015 abgegebene erste Angebot von ChemChina abgelehnt wurde. Ein Krisengespräch zwischen Demaré und den Aktionärsvertretern im Dezember brachte schließlich die Wende.
Dass nun also doch ChemChina zum Zuge kommt, ist kein Zufall. Denn die chinesische Chemieindustrie gilt als zersplittert. Und gerade ChemChina hatte zuletzt mehrmals durch Zukäufe aufhorchen lassen. 2015 übernahmen die Chinesen beispielsweise den italienischen Reifenhersteller Pirelli (7,1 Milliarden Euro) und im Januar 2016 den deutschen Kunststoffmaschinenspezialisten KraussMaffei (925 Millionen Euro).
Mit Agrarchemie hatten diese Übernahmen, die vor allem die Wertschöpfungskette in der Automobilindustrie abbilden, allerdings wenig zu tun. So bedeutet der rund 43 Milliarden kostende Kauf des Weltmarktführers für Mittel gegen Insekten- Pilz- und Unkrautbefall für ChemChina eher Diversifizierung als Spezialisierung.
Sollte der Deal durchgewunken werden, würde sich im Markt für Pflanzenschutzmittel und Saatgut indes wenig ändern. Denn die Chinesen sind bislang weltweit kaum vertreten. Die Branchenexperten von Phillips McDougall taxierten den Gesamtumsatz der Branche im Jahr 2014 auf rund 42,7 Milliarden Euro:
In wie weit die kleineren Marktgrößen wie Monsanto und BASF Crop Protection nun unter Zugzwang geraten, hängt auch vom Gelingen der Übernahme Syngentas durch ChemChina ab. Denn entschieden ist der Deal noch nicht.
Die Zweifel der Gesamtheit der Aktionäre am Gelingen der Transaktion lassen sich an der Entwicklung des Aktienkurses von Syngenta ablesen. Denn trotz des Angebots von ChemChina, den Syngenta-Anteilseignern 480 Franken für jede Aktie zu bieten, lag der Kurs am 4. Februar 2016, also einen Tag nach dem offiziellen Übernahmeangebot, schon wieder unter der 400-Franken-Marke. Zu Wochenbeginn waren es 378 Franken.
Es dürften vor allem die erwarteten regulatorischen Hürden sein, die nicht wenige Aktionäre zweifeln lassen. Denn Syngenta unterhält unter anderem ein florierendes US-Geschäft. Dies wiederum könnte die US-amerikanische Aufsichtsbehörde CFIUS (Committee on Foreign Investment) auf den Plan rufen, die immer dann einschreitet, wenn auf dem Heimatmarkt amerikanische Interessen durch ausländische Investoren bedroht sein könnten.
Der künftige Einfluss ChemChinas auf die US-Aktivitäten von Syngenta könnten diesen Tatbestand aus Sicht der Behörde erfüllen. So geschah es beispielsweise auch im Jahre 2005, als der chinesische Ölkonzern CNOOC versuchte, den US-Ölkonzern Unocal zu erwerben. Nach Protesten in Kongress und Presse gab CNOOC das Vorhaben auf.
Anfang 2016 drohte die CFIUS dem Philips-Konzern beispielsweise damit, Importbeschränkungen zu erlassen, sollten die Niederländer ihre LED- und Autolicht-Sparte Lumileds nach China verkaufen. Der Deal scheiterte daraufhin.
So könnte die gescholtene Syngenta-Führung am Ende doch noch Recht behalten. Denn die inzwischen auf Druck der Aktionäre als „sehr angemessenes Angebot“ bezeichnete Offerte, hatte die Syngenta-Führung ursprünglich im Wesentlichen aufgrund regulatorischer Hürden abgelehnt.