Das Ziel ist gesteckt. Am 26. Februar 2016 wird das Landgericht Stuttgart im Porsche-Prozess darüber urteilen, ob sich der ehemalige Porsche-Chef Ferdinand Wiedeking und sein Finanzvorstand Holger Härter im Zuge der geplanten VW-Übernahme im Jahr 2008 strafbar gemacht haben.
Die ursprünglich von der Staatsanwaltschaft vorgesehene Befragung weiterer Zeugen: gestrichen. Weitere niedersächsische Bundestagsabgeordnete, von der Kursexplosion im Oktober 2008 betroffene Anleger, auch zusätzliche Mitarbeiter der Porsche beim Beteiligungsaufbau an VW behilflichen Maple Bank, sie alle müssen keine Reise zum Landgericht nach Stuttgart antreten.
Hintergrund dürfte vor allem jene Zurechtweisung gewesen sein, die der Erste Staatsanwaltschaft sich in der vergangenen Woche abgeholt hatte, nachdem die erneute Befragung des ehemaligen Chefs der Maple Bank, Wolfgang Schuck, nicht die von der Staatsanwaltschaft angekündigten Ergebnisse gebracht hatte.
So war es im Verlauf desselben Prozesstags vor allem darum gegangen, welche weiteren Zeugen überhaupt befragt werden sollten. Wobei die Kammer wie auch die Verteidigung deutlich machten, dass sie eine Befragung weiterer Zeugen praktisch für unnötig hielten.
So dürfte der Auftritt der Kundenberater dreier Kreditinstitute am Freitag, den 15. Januar, dann auch die letzte Vernehmung in diesem Prozess gewesen sein. Die Zeugen waren Vertreter der drei Banken Merrill Lynch, die Royal Bank of Scotland (RBS) und Barclays, die mit Porsche-Finanzchef Holger Härter und seinem Team während der anbrechenden Finanzmarktkrise im September 2008 über Kredite für den Autobauer verhandelt hatten.
Im Mittelpunkt stand dabei ein Treffen der Bankenvertreter in Stuttgart am 22. September 2008. Wobei vor allem der Foliensatz einer Präsentation über jene Möglichkeit im Blickpunkt stand, der damals offenbar von Holger Härter unter Beteiligung des Zeugen Stefan M. von Merrill Lynch gehalten worden war.
Befragt nach Ihren Erinnerungen an dieses Treffen, konnten alle Zeugen die Folien zwar zumindest zeitlich zuordnen. Danach gingen die Rückblicke aber nicht nur in diesem Punkt weit auseinander.
So hatte der Zeuge Stefan M. von Merrill Lynch im Zuge des Projekts „Bavaria“, in dem es um die zu verhandelnden Kreditlinien Porsches ging, offenbar selbst an der Präsentation der Folien vom 22. September mitgewirkt. Erinnern konnte sich der 48-Jährige allerdings nicht „an die konkrete Unterlage“.
Anders der Zeuge Ralf G., der als Porsche-Kundenbetreuer der britischen Barclays Bank in die Finanzierungsgespräche involviert war. „Ja, die kommt mir bekannt vor“, sagte er dem Richter, nachdem dieser ihm die Folien vorgelegt hatte. Unter anderem sei es darin um die Finanzierbarkeit möglicher Anteilsaufstockungen von Porsche an VW gegangen. Ergebnisse habe es bei dieser Veranstaltung allerdings nicht gegeben. „Das war zunächst ein Gedanke, der diskutiert wurde, und Ergebnisse wurden da auch gar nicht erwartet.“
Nach dem Inhalt der damaligen Gespräche befragt, sagte Ralf G. aus, dass es im Wesentlichen um die „Refinanzierung einer zehn Milliarden Kreditfazilität“ ging, die Anfang 2009 fällig geworden wäre. Da habe sich die Bank frühzeitig gemeinsam mit Porsche Gedanken machen müssen, wie dieser Kredit refinanziert werden solle.
Der Zeuge Ender T., der bei der Royal Bank of Scotland als Leiter der Firmenkundebetreuung ab Herbst 2008 insbesondere für Porsche zuständig war, sagte aus, dass es bei den 20 Milliarden Euro, die die drei Banken zur Verfügung stellen sollten, im Wesentlichen um Geld ging, das Porsche brauchte, um eine Übernahme Volkswagens zu stemmen.
Auf Nachfrage des Richters schränkte er indes ein, dass ein Teil des Geldes auch für so genannte „general corporate purposes“, so genannte allgemeine Zwecke, verwendet werden sollte. Außerdem habe die Refinanzierung einer bestehenden Kreditlinie Porsches seines Wissens nach zehn Milliarden Euro der Gesamtsumme ausgemacht.
Fragen warfen auch die Aussagen der Zeugen über den Entscheidungsstand der Übernahmepläne Porsches im September 2008 auf.
„Das war Vorbereitung“, sagte RBS-Kundenbetreuer Ender T., es sei noch nichts entschieden gewesen. „Ich denke mal, ohne Kredit kann man das auch nicht machen.“
Zu den Handlungsoptionen, die Porsche damals hatte, habe Merrill Lynch das Unternehmen seit 2005 als strategischer als M&A-Berater fortlaufend informiert, gab der Zeuge Stefan M. zu Protokoll. Wobei es nicht um weitergehende Pläne gegangen sei, sondern um das Aufzeigen strategischer Gedankenspiele. So sei auch die Präsentation vom 22. September 2008 zu verstehen.
An einem vom Zweiten Staatsanwalt dem Zeugen vorgehaltenen PDF, in dem es in einer Passage heißt, „in einem späteren Stadium im Laufe des Jahres 2009 strebt Porsche an, seine Beteiligung an VW von 50,1 Prozent auf 75 Prozent zu erhöhen und letztlich die Minderheiten auf 100 Prozent zu verdrängen“, erinnerte sich der Merrill-Lynch-Mitarbeiter nicht mehr.
Die Unterlage vermittele den Eindruck, dass es sich um ein internes Dokument von Merrill Lynch handele für die Entscheider, zu denen er nicht gehört habe. Er selbst habe da weder „Zahlen gerechnet, noch etwas vorbereitet“.
Auch eine Aussage gegenüber der Polizei aus dem Jahr 2011 wurde Stefan M. vorgehalten. Darin hatte er zu Protokoll gegeben, dass „die Absicht, 75 Prozent zu erreichen, ein ernsthaftes Ziel von Porsche“ gewesen sei. Eine Aussage, die der Zeuge vier Jahre später so nicht mehr stehen lassen wollte. Der Begriff „Absicht“ habe eine besondere Bedeutung und er sei damals nicht richtig von ihm gewählt worden. „Mir war von einer konkreten Absicht nichts bekannt.“
Im Anschluss daran hielt der zweite Staatsanwalt dem Zeugen Stefan M. noch eine E-Mail aus dem Hause Merrill Lynch vor, in denen Aktienkäufen „zur Erhöhung des Veltins-Anteils“ – also Volkswagens – auf 75 Prozent bis zum ersten Quartal 2009 erwähnt werden. Diese E-Mail bekommen oder gelesen zu haben, daran erinnerte sich der Zeuge ebenfalls nicht. Wobei er darauf verwies, dass er lediglich in Kopie gesetzt worden sei und die Mail von der Frankfurter M&A-Abteilung an die Finanzierungs-Abteilung in London gesendet worden sei.
Auch Ralf G. von Barclays wurde von der Kammer auf seine früheren Aussagen angesprochen. So hatte er sich ebenfalls 2011 zu konkreten Planungen Porsches gegenüber der Polizei geäußert. Demnach sei er am 25. September 2008 – also einen Monat vor der offiziellen Verkündung der Pläne – erstmals von Holger Härter und einem Merrill-Lynch-Mitarbeiter informiert worden, „dass Porsche konkret plant, den Anteil an der Volkswagen AG auf 75 Prozent aufzustocken.“
Am Freitag, den 15. Januar 2016, sagte er hingegen: „Ich kann mich an diese Formulierung nicht erinnern.“ Auch was Holger Härter über mögliche Übernahmepläne gesagt habe, sei ihm „nicht wirklich“ erinnerlich.
Der Zeuge Ender T. von der Royal Bank of Scotland konnte sich an einen konkreten Zeitplan für eine Übernahme ebenfalls nicht mehr erinnern. Für den zugrunde gelegten Übernahmekurs von 140 Euro ging er davon aus, dass dies „sicherlich was mit dem damaligen Aktienkurs an den Märkten zu tun gehabt“ habe. Zwar könne er sich nicht an die Höhe der Aktienkurse erinnern. Es sei aber „mit Sicherheit darüber gesprochen worden“, weil dies Folgen für den Liquiditätsbedarf Porsches gehabt habe.
Auf die Frage des Richters, wie die Banken die Chancen eingeschätzt hätten, dass Porsche überhaupt einen weiteren Kredit bekäme, sagte der RBS-Vertreter, dass dieses Ansinnen „sportlich“ war. Dies sei auch der Hauptgrund für ein Schreiben mit zahlreichen Fragen der drei Banken an Porsche gewesen. Es sei darum gegangen, Licht in die „Derivate-Konstruktionen zu bekommen, die wir nicht analysieren konnten“.
Mit den Einblicken, die Porsche bis dahin gewährt hatte, „konnten wir nicht an unsere Kreditgremien gehen.“ Vor dem Hintergrund der Lehman-Insolvenz und der Finanzmarktkrise sei man damals „viel vorsichtiger“ gewesen „mit jeder Art von Übernahmekredit“.
In dem Brief der Banken vom 30. September 2008 wurde Porsche daher gebeten, die Banken über Strategie und Konstruktion der Derivategeschäfte im Zuge des Beteiligungsaufbaus an Volkswagen zu informieren. Welche Antworten darauf gegeben wurden, daran entsinnte sich der Barclays-Vertreter nicht mehr.
Auch der Zeuge Stefan M. von Merrill Lynch erinnerte zwar an die Anfrage der drei Banken. Nur um dann aber kund zu tun: Ob und "was dann die konkreten Antworten waren, da kann ich mich nicht dran erinnern."
Der Barclays-Vertreter Ralf G. erinnerte sich zumindest daran, dass nach dem Anschreiben einige Informationen geliefert worden sein. Welche Antworten konkret, vermochte er auch mit dem Schreiben und den Fragen der Banken in Händen, nicht mehr zu sagen.
Weitere Themen der Befragung war die kurzfristige und mittelfristige Liquiditätssituation Porsches.
Von der Staatsanwaltschaft dazu befragt, was Porsche nach Ende der Laufzeit mit der neuen Kreditlinie anfangen wollte, sagte der RBS-Kundenbetreuer Ender T., dass es „Rechenspiele“ gegeben habe, wie die gemeinsame Bilanz beider Firmen aussehen könne und an welche Gelder man herankomme. „Sie wissen ja, wenn man in Deutschland 75 Prozent besitzt, dann kann man einen Gewinnabführungsvertrag machen und gemeinsame Cashpools bilden.“
Bezüglich der Kreditlinie, die Anfang 2009 auslief, sagte der Barclays-Vertreter Ralf G., dass die zwei Alternativen Laufzeitverlängerung und Refinanzierung im Gespräch gewesen seien. Auf die Frage der Staatsanwaltschaft, ob die Verlängerung zum damaligen Zeitpunkt realistisch gewesen sei, antwortete der Zeuge: „Sei war absolut notwendig.“ Alle hätten zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass sich die Rahmenbedingungen bis dahin „sehr sehr verschlechtert“ hatten. „Wir waren uns dessen bewusst, dass es ein schwieriges Unterfangen werden würde.“
Nach der kurzfristigen Liquiditätslage Porsches befragt, konnte der Merrill-Lynch-Vertreter Stefan M. nichts sagen. Er wisse lediglich das, was auch aus der Tagespresse hervorgegangen sei. „Wir waren zu dem Thema als solches weder mandatiert noch involviert.“
Sehr zurückhaltend zeigte sich bei der letzten Zeugenbefragung im Übrigen der Erste Staatsanwalt. Er hatte sich im Zuge der Verhandlung bis dato die Fragen mit dem Zeiten Staatsanwalt aufgeteilt. Letzterer hatte sich auf die Anklagepunkte rund um die vermeintliche Verschleierung der Übernahmepläne bis zum Oktober 2008 befasst.
Der Erste Staatsanwaltschaft hingegen war dem Vorwurf der vermeintlichen Marktmanipulation Porsches rund um den 26. Oktober 2008 nachgegangen, die nach der überraschenden Verkündung der VW-Übernahmepläne Porsches zu einer geführt hatte.
Fragen zu diesem Komplex insbesondere an den Porsche-Berater Stefan M. von Merrill Lynch stellte er an diesem Tag allerdings nicht.
Nachdem die Zeugenbefragung somit abgeschlossen ist, wird die Staatsanwaltschaft, nach jetzigem Stand, lediglich weitere schriftliche Dokumente in die Beweisaufnahme einführen. Die Kammer legte indes den 18. Februar als Termin für die Plädoyers der Prozessbeteiligten fest. Dem folgt die Urteilsverkündung am 26. Februar 2016.