Januar 2016, Kantine des Landgerichts Stuttgart. Vier Anwälte sitzen an einem Tisch und trinken Kaffee. Er habe da einen Witz, den er erzähle müsse, sagt der Älteste in der Runde:
Ein paar Polizisten stoßen die Tür eines Kellerraums auf. Drei Männer springen von ihren Hockern auf. Ein Mafiaboss, ein Pfarrer und ein Jurist. Vor ihnen auf dem Tisch liegen ein paar Spielkarten und Geld.
Die Polizisten sind sich ihrer Sache sicher. Sie fragen den Mafiaboss, ob er sich mit den zwei anderen zu einem illegalen Glücksspiel getroffen habe. Der Mafiaboss verneint vehement und schwört bei seiner Ehre, dass er niemals um Geld spielen würde.
Auch der Pfarrer wird befragt. Nein, er könne vor Gott bezeugen, dass er sich niemals an einem Glücksspiel beteiligen würde. Als die Polizisten den Juristen anblicken, zuckt dieser nur mit den Schultern und fragt: Sie haben es ja selbst gehört. Wie hätte ich denn mit den zwei um Geld spielen können?
Das Lachen der Kaffee trinkenden Kollegen schallt daraufhin durch die Kantine. Und der 72-jährige Porsche-Strafverteidiger Eberhard Kempf lächelt über seinen gelungenen Witz.
Was vielleicht auch daran liegt, dass Kempf und Kollegen sich zu diesem Zeitpunkt an den bisherigen Verlauf des Strafprozesses gegen das ehemalige Porsche-Führungsduo Wendelin Wiedeking und Holger Härter erinnert fühlen. Denn im Grunde konnten sich die Verteidiger bis zu den in dieser Woche anstehenden Plädoyers der Staatsanwälte auch in diesem Verfahren darauf beschränken, die anderen reden zu lassen – und selbst zu schweigen.
Zu keinem Zeitpunkt wurde dies deutlicher als Mitte Dezember 2015, als die Staatsanwaltschaft der Verteidigung ein verfrühtes Geschenk auf den Gabentisch legte: An diesem Tag schien sich der Erste Staatsanwalt kurzzeitig von seiner ursprünglichen Verdachtshypothese zu verabschieden, die er bis dahin mit der Porsches vom 26. Oktober 2008 verknüpft hatte.
Hintergrund war die Neubewertung jener Motive, die Porsche an jenem Herbstwochenende bewogen haben könnten, die Optionsgeschäfte und den an der Volkswagen AG gehaltenen Aktienanteil zu veröffentlichen.
So gab der Staatsanwalt an jenem 12. Verhandlungstag zu Protokoll, dass er bislang nur dem Verdacht gefolgt sei, Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und Ex-Porsche-Finanzvorstand Holger Härter hätten die Pressemitteilung herausgegeben, weil sie einen weiteren Kurssturz der VW-Stammaktien befürchteten. Denn damit einher wären Nachsicherungsforderungen der Maple Bank gegangen. Diese hätte Porsche mangels Liquidität möglicherweise nicht mehr erfüllen können.
Aufgrund der kurz zuvor, also Anfang Dezember, getroffenen Aussagen des ehemaligen Chefs der Maple Bank, Wolfgang Schuck, hätte sich allerdings ein neuer Hintergrund ergeben, so der Staatsanwalt damals. Im Falle eines Short-Squeezes, also eines starken Anstiegs der VW-Aktien, wäre die Risikotragfähigkeit der Bank nicht mehr gegeben und zu ihrer Wiederherstellung die Beendigung der Optionsgeschäfte mit der Porsche SE erforderlich gewesen, argumentierte der Staatsanwalt nun.
Zurück ließ er damit vor allem einen verdutzten Richter, der schließlich die Frage stellte: „Ist deswegen die drohende Liquiditätslage von Porsche vom Tisch?“ Woraufhin der Staatsanwalt nach kurzer Überlegung antwortete: „Also abschließend kann ich mich schlecht äußern.“ Die Beweisaufnahme sei ja noch nicht abgeschlossen.
Auf die Zuhörer im Saal wirkte es damals so, als wäre dem Staatsanwalt erst durch die Frage des Richters klargeworden, dass womöglich beide Thesen zutreffen könnten und Porsche aufgrund der mit der Maple Bank ausgetüftelten VW-Optionsschein-Konstrukte schlicht an einem stabilen Kurs der Aktien interessiert war.
Es sollte nicht die einzige Episode bleiben, in denen die Staatsanwaltschaft zur Freude der Verteidiger einen unsortierten Eindruck hinterließ. Hinzu kamen jene Momente, in denen sie von praktisch allen anderen Prozessparteien vorgeführt wurde.
So zum Beispiel, als der Vorsitzende Richter am 14. Verhandlungstag scharfzüngig argumentierte, weshalb die Zeugenladung Wolfgang Porsches, seit 2007 Aufsichtsratschef der Porsche SE, sinnlos sei. Wenn seine Folgerungen zuträfen und dem Zeugen ein Aussageverweigerungsrecht zustünde, könne die Kammer Wolfgang Porsche gegebenenfalls „den Weg hierher ersparen, so wie den anderen Aufsichtsratsmitgliedern auch“, so der Richter damals. Woraufhin der Erste Staatsanwalt zerknirscht entgegnete, dass er diese Argumentation bislang „so nicht auf dem Schirm“ hatte.
Selbst Zeugen tanzten der Staatsanwaltschaft auf der Nase herum. Höhepunkt war am sechsten Verhandlungstag der Auftritt des Freshfields-Partners Christoph von Bülow. Der 58-Jährige – seit seinem Porsche-Mandat per Du mit Wendelin Wiedeking – weigerte sich schlicht, zu einer Frage der Staatsanwaltschaft Stellung zu nehmen.
Auf deren Nachfrage polterte daraufhin der Härter-Verteidiger Sven Thomas mit rauer Stimme: „Was ist das denn für eine Frage?“ Woraufhin der Richter wiederum den Rechtsanwalt zur Ordnung rief. Eine weitere Frage stellte die Staatsanwaltschaft dem Zeugen an diesem Tage dennoch nicht mehr.
Viel beitragen musste das halbe Dutzend Verteidiger samt Entourage und Pressebetreuern im Saal vor diesem Hintergrund nicht, um die Ermittlungen der Staatsanwälte als wenig zielführend dastehen zu lassen. Die geladenen Zeugen, die einst als Berater, Geschäftspartner oder Mitarbeiter Holger Härters und Wendelin Wiedekings an der versuchten Übernahme Volkswagens durch Porsche mitgewirkt hatten, taten ihr Übriges. Alle traten mit einem Zeugenbeistand auf.
Und als am siebten Verhandlungstag einmal die Telefonnummer eines Zeugen gebraucht wurde, schlug Härter-Verteidiger Sven Thomas netterweise vor, dass die Verteidigung diese vielleicht beisteuern könnte. Woraufhin Wiedeking-Verteidiger Hanns Feigen eilig ergänzte, dass natürlich nicht die Nummer des Zeugen selbst, sondern lediglich die des Zeugenbeistands gemeint sei. Porsche-Verteidiger Eberhard Kempf gab sie schließlich an die Richter weiter.
Die Aussagen der ehemaligen Porsche-Mitarbeiter glichen sich letztlich wie ein Ei dem anderen: Einen Übernahmeplan habe es bis Ende Oktober 2008 nicht gegeben, die Zahlungsfähigkeit sei unabhängig von Börsenkursentwicklungen der VW-Aktie stets gesichert gewesen.
Ausgerechnet der ehemalige Strategiechef Porsches, der qua Amt mit den langfristigen Plänen des Konzerns hätte vertraut sein müssen, stand am achten Verhandlungstag sinnbildlich für diese Befragungen. „Stellen Sie sich vor, Sie sind im Gebirge und Sie sehen ein paar Bergspitzen und dazwischen ist Nebel. Was darunter ist, sieht man nicht. So fühle ich mich gerade.“ Sätze wie diese gab dieser von sich, um seine Erinnerungslücken zu beschreiben.
Und es waren Sätze wie diese, die nicht nur die Staatsanwaltschaft, sondern vor allem den Vorsitzenden Richter zur Verzweiflung brachten. „Irgendwo meine ich den Akten entnommen zu haben, dass Sie als Chefstratege bezeichnet worden sind – wie weit das berechtigt ist, das weiß ich nicht “, warf letzterer in den Raum, nachdem er erneut nur trübe Erinnerungen auf eine Frage zur Antwort bekommen hatte.
So konnte sich der Zeuge beispielsweise an ein von ihm unterzeichnetes Schreiben von Ende 2006 nicht recht erinnern, in dem er formuliert hatte, dass mit „mit dem Projekt sicherlich das größte Rad der Firmengeschichte gedreht wird“. Nur eins wusste er noch genau. Damals sei man „ganz sicher noch weit weg von einer Beschlussfassung“ gewesen.
Dass derselbe Zeuge nach Aussagen des Kriminalkommissars N. vom zweiten Verhandlungstag, beim damaligen Porsche-Personalvorstand ein Schweigegeld von fünf Millionen Euro verlangt hatte und dann einen Beratervertrag bekam, dazu befragten ihn im Übrigen weder Richter noch Staatsanwaltschaft. Den Verteidigern, die auch an diesen Zeugen keine Fragen hatten, dürfte auch das nur Recht gewesen sein.
Andere Zeugen wiederum taten der Verteidigung den Gefallen, dass sie frühere Aussagen im Gerichtssaal revidierten. Beispielhaft dafür standen am 15. Verhandlungstag drei Kundenberater von Merrill Lynch, der Royal Bank of Scotland (RBS) und Barclays, die mit Porsche-Finanzchef Holger Härter und seinem Team während der anbrechenden Finanzmarktkrise noch im September 2008 vergeblich über Kredite für den Autobauer verhandelt hatten.
So hatte der Zeuge Stefan M. von Merrill Lynch im Zuge des Projekts „Bavaria“, in dem es um die zu verhandelnden Kreditlinien Porsches ging, offenbar selbst an einer Präsentation vom 22. September mitgewirkt. Erinnern konnte sich der 48-Jährige allerdings nicht „an die konkrete Unterlage“.
Auch eine Aussage aus dem Jahr 2011, in der der Polizei zu Protokoll gegeben hatte, dass „die Absicht, 75 Prozent zu erreichen, ein ernsthaftes Ziel von Porsche“ gewesen sei, wollte Stefan M. vier Jahre später so nicht mehr stehen lassen. Der Begriff „Absicht“ habe eine besondere Bedeutung und er sei damals nicht richtig von ihm gewählt worden. „Mir war von einer konkreten Absicht nichts bekannt.“
Auch Ralf G. von der Barclays-Bank wurde von der Kammer auf seine früheren Aussagen angesprochen. So hatte er sich ebenfalls 2011 zu konkreten Planungen Porsches gegenüber der Polizei geäußert. Demnach sei er am 25. September 2008 – also einen Monat vor der offiziellen Verkündung der Pläne – erstmals von Holger Härter und einem Merrill-Lynch-Mitarbeiter informiert worden, „dass Porsche konkret plant, den Anteil an der Volkswagen AG auf 75 Prozent aufzustocken.“
Am Freitag, den 15. Januar 2016, sagte er hingegen: „Ich kann mich an diese Formulierung nicht erinnern.“ Auch was Holger Härter über mögliche Übernahmepläne gesagt habe, sei ihm „nicht wirklich“ erinnerlich.
Letztlich waren es aber nicht nur die Zeugen, die es der Staatsanwaltschaft in diesem Strafprozess schwer gemacht haben. Es waren allen voran auch die Staatsanwälte selbst. Sie vergruben sich in hölzernen Fragenkatalogen, statt darauf einzugehen, was ihnen die Zeugen und auch die Verteidigung servierten.
So wurde gleich mehrfach von Zeugen testiert, dass ein realistischer Kurs der Volkswagenaktie aufgrund einer intern bei Porsche durchgeführten Ertragswertberechnung bei 200 bis 260 Euro gelegen habe. So zum Beispiel am neunten Verhandlungstag durch Porsches ehemaligen Leiter der finanzwirtschaftlichen Konzernplanung, Christian Nicklis.
Wie realistisch so ein Kurs damals auf dem Börsenparkett war, wurde zu keinem Zeitpunkt von der Staatsanwaltschaft hinterfragt. Und das, obwohl zum Beispiel Finanzanalysten – die nicht dafür bekannt sind, leichtfertig Verkaufsempfehlungen zu verteilen – damals Kursziele zwischen 70 und 140 Euro für die VW-Papiere zugrunde legten.
Der Tiefpunkt war in dieser Hinsicht am 14. Verhandlungstag erreicht, als der Erste Staatsanwalt ein zweites Mal den ehemaligen Maple-Bank-Chef Wolfgang Schuck befragte. Wobei es um Leihgeschäfte mit der isländischen Landsbanki ging. An diese hatte Porsche 400.000 VW-Stammaktien verliehen, die Maple Bank im Strudel der Finanzkriese abschreiben musste.
Als der Staatsanwalt ansetzte, nach weiteren möglicherweise gefährdeten Finanzinstituten zu fragen, sprang zunächst Porsche-Verteidiger Daniel Krause dazwischen und sagte: „Herr Vorsitzender, ich beanstande diese Frage!“ Denn aus Sicht der Verteidigung sei überhaupt kein Verfahrenszusammenhang mit den Verdachtsthesen der Staatsanwaltschaft erkennbar.
Der Richter ging darauf ein und fragte den Zeugen: „Haben Sie über diese Probleme mit der Landsbanki mit Herrn Wiedeking oder Herrn Härter gesprochen?“ Dies bejahte der Zeuge. Er habe Holger Härter darüber informiert. Das Eindecken mit neuen Aktien habe dann zwei bis drei Tage gedauert. Einfluss auf die Optionsgeschäfte mit Porsche habe dieses Wiedereindecken aber nicht gehabt. „Es war ein reiner Ersatzkauf unseres Hedging-Bestands.“
Auf die Frage des Staatsanwalts, ob es vergleichbare Leihgeschäfte mit anderen Banken gegeben habe, „die Auswirkungen auf die Optionsgeschäfte hatten“, unterbrach wiederum der Richter die Vernehmung, in dem er in rauem Ton anmerkte: „Der Zeuge hatte gesagt, dass es keine Auswirkungen auf die Optionsgeschäfte hatte, Herr Staatsanwalt!“ Woraufhin dieser antwortete, dass er ja gerade das gefragt habe, ob es eben bei den anderen Banken zu Auswirkungen geführt habe. Woraufhin wiederum der Richter schroff entgegnete: „Ich möchte Sie bitten, diese Frage anders zu formulieren.“
Ein Punkt, der den Ersten Staatsanwalt offenbar so einschüchterte, dass er anstatt nach anderen Banken zu fragen, die im Zuge von Leihgeschäften von der Lehman-Krise hätten betroffen sein können, mit einer anderen Frage zu einem neuen Thema fortsetzte.
Kurzum, das zwei junge Staatsanwälte, und nicht auch die prozesserfahrenere Stuttgarter Oberstaatsanwältin Dr. Beate Weik den Prozess geführt haben, könnte Folgen haben. Die in der Anklageschrift formulierte Argumentation ist nach dem bisherigen Prozessverlauf in Schräglage geraten.
Vor dem Plädoyer, das die Staatsanwaltschaft am 18. Oktober ab 10 Uhr im Saal 1 des Landgerichts Stuttgart halten wird, sind im Vergleich zum Prozessbeginn scheinbar mehr Fragen offen, als geklärt. Die beiden Staatsanwälte werden sich wohl im Wesentlichen auf die Aktenlage und Aussagen der gleich zu Prozessbeginn befragten Kriminalbeamten am zweiten und dritten Prozesstag berufen müssen.
Ob dies reicht, um Holger Härter und Wendelin Wiedeking zu verurteilen, hatte der Richter bereits Ende Dezember beim 14. Verhandlungstag in Frage gestellt. Denn an stichfesten Beweisen dafür, dass die Porsche-Führung monatelang ihre wahren VW-Übernahmeabsichten dementiert hat und am 26. Oktober 2008 bewusst Anleger in die Irre geführt hat, mangelt es.
Es bleibt die Frage, was die Indizien hergeben. Ob die Staatsanwälte die in der Anklageschrift erhobenen Vorwürfe trotz der Schieflage stützen oder gar zurück in eine stabile Ausgangslage wuchten können. Punkte, um den Hebel anzusetzen, gäbe es.
So könnte am 26. Oktober 2008 zumindest einem der Angeklagten klar gewesen sein, dass nach der Pressemeldung angesichts des ökonomischen Gesetzes von Angebot und Nachfrage ein massiver Kursanstieg der VW-Stammaktien bevorstand: Holger Härter. Zumal Zeugen wie der Freshfields-Berater Christoph von Bülow vom Porsche-Finanzchef das Bild eines Perfektionisten zeichnete, der stets über alles die Kontrolle behalten wollte. Das typische Härter-Vorgehen beschrieb von Bülow am sechsten Verhandlungstag wie folgt: „Erst durchdenken, dann vorbereiten, und dann präsentieren.“
Härter dürfte vor diesem Hintergrund gewusst haben, dass die von der Porsche SE kontrollierten 74,1 Prozent der VW-Aktien, zuzüglich der gut 2,3 Prozent von der Porsche Salzburg GmbH, zuzüglich des gut 20-prozentigen Aktienpaket des Landes Niedersachsen mehr als 96 Prozent aller Stammaktienbestände Volkswagens ausmachten.
Er wusste nach Aussage des ehemaligen Leiters der finanzwirtschaftlichen Konzernplanung Porsches ebenfalls, dass mehr als 10 Prozent der Volkswagen-Aktionäre ihre Wertpapiere bei Banken geliehen und sofort verkauft hatten, um sie später zu vermeintlich niedrigeren Kursen zurückkaufen zu können. So dürfte er gewusst haben, dass angesichts der verkündeten Übernahmepläne ein Short-Squeeze nahe lag.
Schließlich mussten sich Spekulanten kurzfristig um 10 Prozent der VW-Stammaktien reißen, um sie den Banken zurückgeben zu können, obwohl bestenfalls 4 Prozent am Markt handelbar waren.
Auch die Liquiditätssituation Porsches könnte im Plädoyer der Staatsanwälte nochmal zum Thema werden. Zwar waren die Versuche der Staatsanwaltschaft, wahlweise der Porsche SE oder der Maple Bank einen Liquiditätsengpass nachzuweisen, von überschaubarem Erfolg. Dennoch haben weder Zeugen noch Verteidigung stichfeste Gegenargumente geliefert.
So zitierte etwa Härter-Verteidigerin Anne Wehnert zum Beleg der stets gegebenen Risikofähigkeit der Maple Bank einen Prüfbericht des Prüfungsverbands Deutscher Banken vom 31. Dezember 2008. Es handelte sich also eine Betrachtung im Nachhinein, die keine Rücksicht darauf genommen hat, wie es letztlich zur Einhaltung der Risikotragfähigkeit im Vorhinein gekommen war.
Ähnliches gilt für die Aussage eines Porsche-Buchhalters, der in seinem Fall zum 31. Oktober 2008 nachträglich keine Liquiditätsengpässe bei Porsche festgestellt habe.
Nicht zuletzt könnte auch eine Meldung im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ vom Wochenende eine Überraschung bringen. Dort heißt es, dass die geschädigten Hedgefonds dem Verfahren eine Wende geben, von denen einige in verwickelt sind, wollten.
Ein ihnen nahestehender Anwalt hat dem Gericht nun offenbar einen neuen Zeugen präsentiert, den Manager einer Londoner Investmentfirma. Dieser habe am 26. und 27. Oktober mit Porsche-Berater Stefan M. von Merrill Lynch telefoniert, Letzterer habe ihm gesagt, Porsche sei frustriert über die zuletzt deutlich gefallenen Kurse der VW-Aktie und habe deshalb die Presseerklärung aufgesetzt, die schließlich zur Kursexplosion der VW-Aktie führte. Der Zeuge sagt, er habe den Merrill-Lynch-Manager so verstanden, dass dieser seine Informationen von Wiedeking erhalten habe.
Dies könnte die These der Staatsanwaltschaft unterstützen, dass Porsche den Aktienmarkt mit seiner Mitteilung bewusst manipuliert hatte, um den VW-Kurs in die Höhe zu treiben. Sollte die Staatsanwaltschaft sich kurzfristig entscheiden, einen weiteren Beweisantrag zu stellen und den Zeugen zu laden, würde das Gericht dies wohl nicht ablehnen – und die Hauptverhandlung fortgeführt.
Würde das Verfahren wieder aufgeschnürt, könnte die Staatsanwaltschaft wohl auch gleich einen Sachverständigen für das Derivate-Konstrukt Porsches bestellen. Denn ein klares und einheitliches Bild über innere Werte, Zahlungsströme, Prämien, Nachschusspflichten, Rolltermine und Strikes ergab sich während der bisherigen Verhandlungstage nicht.
Wie auch immer die zwei Staatsanwälte in ihren Plädoyers auch argumentieren werden. Die Verteidiger dürfen sich wohl sicher sein, dass auch diesmal das ein oder andere Fettnäpfchen an der richtigen Stelle steht. Mit Freude dürfte die Verteidigung auch die kurzfristige Terminänderung des Vorsitzenden Richters zur Kenntnis genommen haben, die den Porsche-, Härter- und Wiedeking-Verteidigern eine Woche Zeit einräumt, ihre Replik auf das Plädoyer der Anklage zu formulieren.
Wenn aus Sicht der Verteidigung alles gut läuft, könnte Porsche-Verteidiger Eberhard Kempf am 25. Februar vielleicht sogar Bezug auf einen ihm wohl bekannten Juristenwitz zurückgreifen. Dieser könnte dann mit dem Satz enden: Sie haben ja gehört, was die Staatsanwaltschaft in der vergangenen Woche verlesen hat. Wie hätte die Porsche-Führung denn angesichts dieser Hypothesen den Markt manipulieren können?
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