Das Porsche-Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart zieht sich länger hin als bislang geplant. Die Strafkammer habe beschlossen, wieder in die Beweisaufnahme einzutreten, teilte sie am Mittwoch mit. „Wir wollen die Umstände um den 26. Oktober 2008 näher beleuchtet wissen“, sagte der Vorsitzende Richter Frank Maurer am Donnerstag, als er die Entscheidung vor den Prozessbeteiligten begründete. Denn nach Wahrnehmung des Gerichts gebe es im Plädoyer der Staatsanwaltschaft neue Aspekte und Schlussfolgerungen, die das unter Aufklärungsgesichtspunkten geböten.
So sei die Ausgangslage des Sachverhalts in der Anklage gewesen, dass Porsche fallende Kurse im Zuge der geplanten Volkswagen-Übernahme im Jahr 2008 befürchtet habe. Das Ziel der Strategen des vermeintlichen Übernahmeplans sei demnach gewesen, den Kurs der VW-Aktie zu stabilisieren, um weitere Nachschussforderungen der Porsche SE an die für die Abwicklung der Derivategeschäfte verantwortliche Maple Bank zu verhindern. So habe seinerzeit die Liquiditätslage der Porsche SE nicht weiter verschärft werden sollen. Denn es habe der Staatsanwaltschaft zufolge sogar ein Zusammenbruch der Optionsstrategie Porsches gedroht.
Nun, so der Richter, stelle sich die Sachlage etwas anders dar. Zwar habe das Plädoyer des Ersten Staatsanwalts Heiko Wagenpfeil in der Vorwoche weiterhin die mögliche Problematik fallender Kurse thematisiert. Zusätzliche habe Wagenpfeil aber auch argumentiert, „dass selbst stagnierende Kurse Befürchtungen über Verluste in Milliardenhöhe“ mit sich gebracht hätten. Vor diesem Hintergrund, so der Richter, habe Porsche seinerzeit zwangsläufig auf steigende Kurse bestimmter VW-Aktien aus sein müssen.
„Das ist für uns ein neuer Gesichtspunkt, eine neue Fokussierung aus Sicht der Staatsanwaltschaft“, sagte der Richter. Vor diesem Hintergrund habe er am Mittwoch entschieden und am heutigen Donnerstag, 25. Februar 2016, verkündet, erneut in die Beweisaufnahme einzusteigen. Nun plant das Gericht, zwei weitere Zeugen zu laden und gegebenenfalls weitere Urkunden als Beweise in das Verfahren einzuführen. Welche Zeugen geladen werden sollen, nannte die Kammer nicht.
Dem Vernehmen nach handelt es sich wohl bei einem der beiden Zeugen um den auf Übernahmen spezialisierten Porsche-Berater und Merrill-Lynch-Mitarbeiter Stefan M., der bereits Mitte Januar ausgesagt hatte.
Hintergrund der Prozessverlängerung sind also die zwei Plädoyers der Staatsanwälte Aniello Ambrosio und Heiko Wagenpfeil am 17. Verhandlungstag, die beide in der vergangenen Woche gehalten hatten. Sie werfen den Angeklagten vor, die Anleger über Monate über die eigentlichen Pläne getäuscht zu haben, Volkswagen zu mehr als 75 Prozent zu übernehmen. Darüber hinaus hätten die Angeklagten laut Staatsanwaltschaft durch eine Pressemitteilung am 26. Oktober 2008 bewusst den Finanzmarkt manipuliert, um einen Liquiditätsengpass der Porsche SE zu vermeiden. Die jungen Staatsanwälte hatten die Vorwürfe in jeweils gut zweieinhalbstündigen Vorträgen begründet.
Im Ergebnis forderten die Staatsanwälte für die verschiedenen Klagepunkte neben einer Geldbuße von jeweils einer Million Euro zusätzlich Haftstrafen für das ehemalige Porsche-Führungsgespann. Dem ehemaligen Porsche-Chef Wendelin Wiedeking drohen demnach zwei Jahre und sechs Monate Haft, seinem damaligen Finanzvorstand Holger Härter zwei Jahre und drei Monate – aufgrund der Verrechnung mit einer anderen Strafe.
Auch die Porsche SE soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft nicht ungeschoren davonkommen. Sie soll alleine wegen eines nur aufgrund der Pressemitteilung am 26. Oktober erzielten Gewinns gut 805 Millionen Euro Bußgeld zahlen, forderte der Erste Staatsanwalt Heiko Wagenpfeil.
Für die Verteidigerbank ergriff am heutigen 19. Prozesstag Porsche-Anwalt Eberhard Kempf das Wort. Er verwies darauf, dass die Staatsanwaltschaft in der vergangenen Woche die Put-Strategien von Porsche thematisiert habe, und damit eigentlich die eigenen Ausführungen aus dem Frühjahr 2015 vor Gericht wiederholt habe. „Damals war die neu gewonnene These der Staatsanwaltschaft, die isolierten Puts seien verschleiert worden.“
Auf diese These habe die Verteidigung allerdings schon in ihrem Schriftsatz vom 13. Februar 2015 reagiert. Darin habe sie diese These widerlegt, da die Existenz der Puts im Markt bekannt gewesen sei. Darauf habe die Staatsanwaltschaft allerdings in keiner Weise reagiert – bis zu den Plädoyers in der Woche zuvor. „Daher wärmen wir sozusagen als Reaktion darauf unseren damaligen Vortrag wieder auf“, sagte Kempf.
Vor diesem Hintergrund regte er an, dass das Gericht weitere sieben Dokumente im Selbstleseverfahren als weitere Beweise einführt, auf die sich die Verteidigung in ihren Plädoyers beziehen könne.
Vor der Verlesung der Plädoyers der Staatsanwälte in der vergangenen Woche hatte das Gericht die Beweisaufnahme schon geschlossen, obwohl externe Rechtsanwälte noch einen weiteren Zeugen präsentiert hatten, der möglicherweise Wendelin Wiedeking hätte belasten können. Auch ein extern angefertigtes Gutachten zu den vermeintlichen Kursmanipulationen wurde vom Gericht nicht mehr in das Verfahren aufgenommen.
Die Staatsanwaltschaft stimmte dem zwar damals zu, äußerte im Zuge der Verlesung ihrer Plädoyers aber Kritik daran, dass die Kammer keine Anleger vernommen habe, die nach Veröffentlichung der einzelnen Meldungen an der Börse gehandelt haben oder dem Börsenhandel gerade aufgrund der Meldungen ferngeblieben seien.
Die weiteren Planungen des Gerichts blieben am heutigen 19. Prozesstag vage. So entließ die Strafkammer die Prozessbeteiligten mit dem Ausblick, dass möglicherweise sowohl am 1., 3. und 4. März 2016 verhandelt werden könnte, je nachdem wann die Zeugen zur Vernehmung geladen werden könnten.
Termine für die Plädoyers der Verteidiger Härters, Wiedekings und Porsches könnten dann am 14. oder 16. März gelegt werden. Am 18. März 2016 wäre voraussichtlich die Urteilsverkündung des Gerichts zu erwarten.
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