Die Befragung des für den 19. Verhandlungstag im Stuttgarter Porsche-Prozess geladenen Zeugen, dem ehemaligen Porsche-Berater Stefan M., drehte sich vor allem um ein Thema: die Porsche-Pressemeldung vom 26. Oktober 2008, die zu einem geführt hatte.
Für der 48-jährige Merrill-Lynch-Mitarbeiter, der Porsche im Zuge der Finanzierung des Aufbaus der Volkswagen-Beteiligung beraten hatte, war es bereits der zweite Auftritt im Saal 1 des Landgerichts Stuttgart. Am 15. Prozesstag war er erstmals von der Kammer geladen worden.
Das Gericht habe ihn beim letzten Mal zur Finanzierung und den Finanzierungsüberlegungen im Zuge des Aufbaus der Beteiligung Porsches an VW im Herbst 2008 befragt, begann der Vorsitzende Richter die Vernehmung des Zeugen. „Jetzt möchte ich nochmal auf einen anderen Aspekt aus dem Herbst 2008 zurückkommen, und zwar die Presseerklärung vom 26. Oktober 2008.“
Er habe von dieser Presseerklärung überhaupt nichts gewusst, sagte der Zeuge. „Sie war für mich genauso eine Überraschung wie für alle anderen Personen, die nicht unmittelbar involviert gewesen sind.“ Er selbst habe aus der Presse davon erfahren. Alles weitere, insbesondere die Kursentwicklung, habe er dann selbstverständlich verfolgt.
Aus Perspektive seines Arbeitgebers Merrill Lynch „haben wir uns dann Gedanken darüber gemacht, was kann das bedeuten?“, nachdem der Kurs in der folgenden Handelswoche „astronomische Höhen“ erreicht habe.
Auch auf die Frage des Gerichts hin, ob Stefan M. im Nachhinein mit den Beteiligten über das Thema gesprochen habe, verneinte der 48-Jährige. Die Entscheidung, die Pressemitteilung herauszugeben, sei ausschließlich eine Sache des Vorstands der Porsche SE gewesen. „Es gab keine Unterredung darüber, dass man mir als beratenden Banker erklärt hätte, warum man das gemacht hat.“
Der Richter fragte auch, ob der Zeuge Reaktionen aufgrund des „astronomischen“ Kursanstiegs von Porsche mitbekommen habe, also ob diejenigen, mit denen er möglicherweise gesprochen habe, „sich jetzt total freuen oder ob da die Hütte gebrannt hat?“
Da es sich um eine Phase gehandelt hatte, in denen der Kundendialog nicht sehr ausgeprägt war, erinnere er sich nicht an solche Gespräche. Natürlich habe sich die Bank aber Gedanken darüber gemacht, was jetzt als nächster Schritt komme.
Vor diesem Hintergrund habe er in einer Email an Porsche-Finanzvorstand Holger Härter angeboten, angesichts des Kursanstiegs Aktien zu verkaufen. „Das sind ja schöne Gewinne, um es mal vorsichtig zu formulieren.“ Diese Mail sei aber nicht beantwortet worden.
Ob anders als durch den Verkauf von Aktien reagiert wurde, insbesondere in Bezug auf die Optionsgeschäfte, darüber vermochte der einstige Porsche-Berater ebenfalls nichts zu sagen. „Das Thema, die ganze Optionsstrategie, die ist mir nicht bekannt gewesen“, sagte er – und verwies dabei auch noch einmal auf seine Aussagen von Mitta Januar 2016.
Auf die Frage, ob es vor der am Sonntag veröffentlichten Pressemitteilung Gespräche mit Beteiligten auf Seiten Porsches gegeben habe, verneinte der Zeuge ebenfalls. „Ich kann mich jetzt an konkrete Gespräche nicht erinnern.“ Es sei schwer gewesen, mit Herrn Härter in Kontakt zu treten, weil er zeitlich extrem angespannt gewesen sei.
Dass er mal mit einem Assistenten des Porsche-Finanzchefs telefoniert habe, könne hingegen durchaus sein. An rege Telefonate und das, was dort besprochen worden sei, daran könne er sich nach acht Jahren allerdings nicht mehr erinnern.
Berufliche Gespräche „über die VW-Situation“ mit Wendelin Wiedeking schloss Stefan M. hingegen aus. Auf spätere Nachfrage des Porsche-Verteidigers Daniel Krause, ob der Zeuge auch nicht mit Assistenten von Wendelin Wiedeking gesprochen habe, sagte dieser: „Da kann ich Ihnen eine ganz klare Antwort drauf geben: Ich kenne überhaupt nicht die Assistenten von Herrn Dr. Wiedeking.“
Im Zuge der weiteren Befragung hielt der Erste Staatsanwalt dem Merrill-Lynch-Mitarbeiter noch ein vermeintliches Gespräch mit dem Hedgefonds-Manager B. vor. „An das Telefonat mit diesem Herrn kann ich mich nicht erinnern“, sagte Stefan M. daraufhin. Das einzige, was er dazu sagen wolle, sei, „dass ich darüber aus der Zeitung erfahren habe.“
In dem Artikel sei allerdings der Eindruck erweckt worden, die weitergebenen Informationen kämen von Herrn Wiedeking. Da könne er nur das wiederholen, was er vorhin gesagt habe: „Ich habe mit Herrn Wiedeking nicht ein einziges Gespräch zum Thema damals geführt.“
Woraufhin der Staatsanwalt nachhakte und einen Auszug aus einer Erklärung des Hedgefondsmanagers B. verlas. Demnach habe Stefan M. ihm gegenüber in einem Telefonat einen Tag nach der Pressemeldung vom 26. Oktober 2008 gesagt, der Kunde Porsche werde keine weitere Erklärung abgeben.
Porsche wolle nur, dass die Hedgefonds aufhörten mitzuspielen und verschwänden. Denn während der vergangenen Wochen sei der Aktienpreis für die Porsche-Beteiligten frustrierend gewesen, weshalb sie die Erklärung herausgeben hätten, um „damit die Hedgefonds zu zerstören“, zitierte der Staatsanwalt. Und fragte den Zeugen dann: „Sagt Ihnen das was?“
„Ich höre das jetzt das erste Mal“, sagte Stefan M. daraufhin. Er könne sich erstens nicht an das Telefonat erinnern, und sich zweitens „nur schwer vorstellen, dass ich diese Dinge gesagt habe“. Er könne es aber auch „nicht 100 Prozent ausschließen“, da er in diesen Tagen viele Gespräche mit Hedgefonds-Kunden von Merrill Lynch geführt habe.
Nachdem der Zeuge den Saal verlassen hatte, wurde erneut über den Prozessverlauf diskutiert. Die bisherige Agenda des Gerichts brachte dabei zunächst der Erste Staatsanwalt durcheinander, der sich auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters festlegte, noch einmal ein etwa einstündiges, „gerafftes“ Plädoyer halten zu wollen, in das auch die neuen Zeugenaussagen einflössen.
Dies wiederum sorgte für ein Grummeln auf Seiten der Verteidiger. Denn diese entschieden daraufhin, nicht mehr am 14. März plädieren zu wollen. Dazu müsse nämlich der gerade angekündigte Vortrag der Staatsanwaltschaft auch schriftlich zur Verfügung stehen. „Aber das ist ja wahrscheinlich nicht zu erwarten – aus grundsätzlichen Erwägungen“, sagte Thomas, womit er einen Seitenhieb auf den zweiten Staatsanwalt Aniello Ambrosio führte.
Der hatte nämlich mit ebensolchen „grundsätzlichen Erwägungen“ abgelehnt, sein Plädoyer auch schriftlich zur Verfügung zu stellen.
Wiedeking-Verteidiger Walter Graf ergänzte: Weil die Staatsanwaltschaft ankündigt hatte, sie halte eine weitere Beweiserhebung für nicht erforderlich, sei man überrascht. „Denn jetzt gedenkt die Staatsanwaltschaft nochmal eine Stunde zu plädieren und uns dann wahrscheinlich die siebte Verdachtshypothese unterbreiten wird.“
Da bringe er gerne etwas Beruhigung rein, sagte daraufhin der Richter. „Es ist das gute Recht eines jeden Prozessbeteiligten, zu plädieren.“ Und er werde nicht im Ansatz anfangen, dies zu hinterfragen.
Im Ergebnis einigten sich die Prozessparteien schließlich auf folgende vorläufige Agenda:
Sollte die Staatsanwaltschaft jedoch am 9. März zu dem Schluss kommen, dass sie an diesem Tag noch nicht kurzfristig plädieren kann, wird die Verhandlung weiter gestreckt. Für diesen Fall hat das Gericht vorläufig den 21. März als zusätzlichen Verhandlungstag ins Spiel gebracht. Angesichts des Prozessverlaufs der vergangenen Wochen dürften sich die Prozessbeteiligten diesen Tag wohl bereits rot im Kalender markiert haben.
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