Nach fünf Monaten Verhandlungszeit kann das ehemalige Führungsgespann des Sportwagenunternehmens Porsche aufatmen. Das Landgericht Stuttgart hat sowohl Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking als auch seinen ehemaligen Finanzvorstand Holger Härter freigesprochen, und das mit eindringlichen Worten.
„An den Vorwürfen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft ist nichts dran, nichts – weder vorne, noch hinten, noch in der Mitte“, urteilte der Vorsitzende Richter Frank Maurer am 18.3.2016.
Die Anklage hatte Wiedeking und Härter sowohl Täuschung als auch Manipulation der Kapitalmärkte im Rahmen der Übernahme von Volkswagen durch Porsche vorgeworfen und dafür mehr als zwei Jahre Gefängnis gefordert. Die Verteidiger der Manager hatten dagegen auf Freispruch plädiert.
Die insgesamt 23 Hauptverhandlungstage waren zuvor reich an Überraschungen gewesen, die vor allem die Staatsanwaltschaft immer wieder für Strafkammer und Verteidiger bereithielt. Wobei der Prozess damit begann, dass die zwei Angeklagten, Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und sein Finanzvorstand Holger Härter, in zwei gut einstündigen Einlassungen ihre Sicht der Geschehnisse schilderten.
Und zwar bis zu jenem 26. Oktober 2008, als die Porsche SE – für viele überraschend – die geplante Übernahme der Volkswagen AG verkündet hatte. Woraufhin sich der Kurs der Volkswagen-Stammaktie binnen zwei Tagen von gut 200 Euro auf bis zu mehr als 1000 Euro verfünffachte.
Es folgte an den darauffolgenden Verhandlungstagen zunächst die Befragung jener Stuttgarter Polizeiermittler, die im Wesentlichen untersucht hatten, ob die Porsche-Führung im Vorfeld der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 die vermeintlich bereits lange geplante und beschlossene Übernahme Volkswagens gesetzwidrig verschwiegen hatte.
Anlass zu höchst unterschiedlichen Meinungen gab an den folgenden Verhandlungstagen der Auftritt des Finanzsachverständigen Peter Burghof. Denn dieser fand nach seiner Methode keinen Anlass, der Sichtweise der Staatsanwälte zu folgen, Porsche hätte durch die den Anklagen zugrunde gelegten Verlautbarungen die VW-Kurse beeinflussen können.
Die Staatsanwälte teilten diese Schlussfolgerungen nicht, da Burghof aus ihrer Sicht weder eine adäquate Methodik, noch die richtige Fragestellung zugrunde gelegt habe – denn schließlich sei es Porsche in den fünf Dementis eines Übernahmeplans gerade darum gegangen, Kursbewegungen zu verhindern.
Die Verteidigung hingegen bediente sich später ausführlich an den Schlussfolgerungen des Sachverständigen, dessen Gutachten und das von ihm gewählte methodische Vorgehen „über jeden Zweifel erhaben“ sei.
Die folgenden Wochen der Hauptverhandlung waren demgegenüber schleppend verlaufen. Da die Zeugen – meist ehemalige Mitarbeiter oder Geschäftskunden Porsches – auf die langen Fragenkataloge der Staatsanwaltschaft hin entweder einen frühzeitigen, inoffiziellen Übernahmebeschluss des Porsche-Vorstands ausschlossen oder sich auf Wissenslücken beriefen.
Eine erste überraschende Wende nahm die Hauptverhandlung dann nach der Zeugenaussage Wolfgang Schucks, des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Maple Bank, die für Porsche seit 2005 die Optionsstrategien zur Beteiligungserhöhung an Volkswagen umgesetzt hatte.
Dessen Aussagen am 14. Verhandlungstag, Porsche habe aus Sicht der Maple Bank kein Liquiditätsproblem gehabt, führte Mitte Dezember zu einer neu formulierten Hypothese der Staatsanwaltschaft, wonach Porsche nicht – oder nicht nur – um die eigene Liquidität fürchtete, sondern um jene der Maple Bank. Eine These, der der daraufhin der erneut geladene Zeuge Schuck jedoch widersprach.
Nach der Weihnachtspause folgte schließlich am 18. Verhandlungstag eine weitere Überraschung. An diesem Tag hielten die zwei Staatsanwälte ihre Plädoyers. Wobei das Plädoyer zur ersten Klage sich noch an die ursprüngliche These in der Klageschrift hielt.
Der Erste Staatsanwalt präsentierte für die zweite Anklage rund um die Geschehnisse am 26. Oktober 2008 indes ein Plädoyer, das sich deutlich von der ursprünglichen, in der Klageschrift formulierten Argumentation unterschied. Die neue, abgewandelte These lautete nun: Porsche habe aufgrund der Optionsgeschäfte im Zuge drastischer Kursrückgänge der VW-Aktie Bilanzverluste von sieben Milliarden Euro eingefahren. Weitere sieben Milliarden Euro Bilanzverlust seien schon bei unveränderten Kursen zu befürchten gewesen.
Weshalb die Konzernführung über das Wochenende eine Pressemeldung formuliert und veröffentlicht habe, die vor allem Leerverkäufer gezwungen habe, sich kurzfristig mit VW-Aktien einzudecken. Porsche habe die aufgrund der Pressemeldung wie erhofft gestiegenen Kurse zur bilanzschonenden Auflösung von Optionsgeschäften genutzt und so Verluste vermieden.
Anders als die Staatsanwaltschaft, nahm die Verteidigung in ihren Plädoyers nicht nur Bezug auf Akten, Emails und andere die bediente sich aus ausführlich auf die Zeugenaussagen, die im Zuge der Hauptversammlung getroffen worden worden. Ebenso verfuhr sie mit dem Gutachten des Sachverständigen Burghof, dessen Verwertbarkeit die Staatsanwaltschaft noch stark angezweifelt hatte.
Die Verteidigerbank warf der Staatsanwaltschaft nicht nur vor, im Verlaufe des Hauptverfahrens gleich mehrere Hypothesen über die Motive und Hintergründe der Pressemeldung vom 26. Oktober 2008 präsentiert zu haben. Die Verteidiger kritisierten insbesondere auch die Rechnung, die der Erste Staatsanwaltschaft seiner letzten These zugrunde gelegt hatte. Diese habe die Bilanzgewinne, die Porsche zuvor mit den Optionsgeschäften gemacht habe, nicht berücksichtigt.
Das Landgericht Stuttgart hat sein Urteil nun gefällt. Der Staatsanwaltschaft bleibt nun die Revision.
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