Das war eine Überraschung. Deutsche Bank Co-Chef John Cryan treibt das größte hiesige Geldhaus zur Eile. Das Frankfurter Institut soll teils neu ausgerichtet werden, auch Forderungen der Regulierer finden offenbar tiefgreifender als bisher Beachtung. Nicht zuletzt wohl, um den Anschluss der Bank an die US-Konkurrenz zu halten, sagen Beobachter.
Der am 18. Oktober 2015 angekündigte drakonische Umbau der Deutschen Bank findet deshalb auch in der US-Presse viel Niederschlag. John Cryan habe nur drei Monate nach seinem Amtsantritt eine umfassende personelle und organisatorische Neuausrichtung verordnet, um ein besser kontrolliertes, kostengünstigeres und stärker fokussiertes Institut zu bilden – so der Tenor in den US-Medien.
Nach Angaben der Deutschen Bank selbst soll die Komplexität im Management gesenkt werden. Dazu würde das erweiterte Führungsgremium aufgelöst sowie zehn der 16 Vorstandsausschüsse gestrichen. Zudem soll der bisherige Unternehmensbereich Corporate Banking & Securities in eine Firmenkunden- und Investmentbank gespalten und die Handelsaktivitäten in den neuen Bereich Globale Märkte überführt werden.
Das hat auch Konsequenzen für einige Bank-Manager. Mit den Chefs der Vermögensverwaltung, Michele Faissola, des Zahlungsverkehrs, Stefan Krause, und der juristischen Abteilung, Stephan Leithner, müssen drei Vorstände gehen. Auch IT-Chef Henry Richotte scheidet aus dem Vorstand aus, baut aber weiter die neue Digitalbank auf.
Abgelöst wird auch der Co-Chef des Investmentbankings, Colin Fan, der dem erweiterten Vorstand angehörte und wie Faissola dem Netzwerk des früheren Co-Chefs Anshu Jain zugeordnet wurde.
In den US-Medien wird betont, wie schnell Cryan das Konzept für die Zukunft der Deutschen Bank entwickelt habe, wie sehr er dem Druck der Aktionäre Rechnung getragen habe und welchen Druck die Regulierer der Bafin ausgeübt hätten.
Die Aktionäre der Bank sind ohnehin seit Längerem enttäuscht über die Ergebnisse der Bank und blicken einer möglichen Kürzung oder gar Streichung der Dividende entgegen. Eine Prüfung war von der Deutschen Bank angekündigt worden. Eine Streichung der Dividende hat es seit den 50er Jahren nicht gegeben.
Die Finanzwebseite Business Insider betont in ihrem Bericht zum Konzernumbau der Deutschen Bank, dass John Cryan seinen Plan 13 Tage vor dem versprochenen Termin Ende Oktober abgeliefert habe. Der 54jährige Brite habe alle mit dem Tempo und der Rigidität des Umbaus überrascht.
Cryan sei „kein Freund von Bürokratie oder Zeitlupenentscheidungen.“ Die Entscheidungsfindung in der Deutschen Bank sei jetzt auf weniger Manager konzentriert, was das Geldhaus „agiler“ mache.
Die Deutsche Bank, so der Business Insider, sei in den vergangenen Jahren angesichts der Veränderungen im regulatorischen Umfeld „am Lenkrad eingeschlafen.“ Daher sei die Entscheidung, eine Topmanagerin mit Regulierungsaufgaben zu betrauen, ein wichtiger Schritt. Die bisherige Cheflobbyistin der Bank, Sylvie Matherat, übernimmt diese Aufgabe.
Das Wall Street Journal würdigt ebenfalls, mit welchem Tempo der Umbau des Deutsche-Bank-Konzerns nun in Angriff genommen werde. Das Journal sieht in der Eile, die Cryan mit der Ankündigung an den Tag gelegt hat, unter anderem einen Versuch, mit positiven Nachrichten über den Konzernumbau die negativen Quartalszahlen zu übertünchen, die Ende Oktober 2015 für das September-Quartal berichtet werden. Die Deutsche Bank hat bereits einen möglichen Verlust von rund 6,2 Milliarden Euro angekündigt.
Das Wall Street ordnet die neuen Pläne der Deutschen Bank in das Wettbewerbsumfeld mit den US-Banken ein und stellt fest, die größte Investmentbank Europas sehe sich „immensen Herausforderungen“ gegenüber. Denn Analysten sähen die US-Konkurrenz besser für die inzwischen striktere Regulierung und die verschärften Kapitalanforderungen gerüstet.
„Banken von Barclays bis zur Credit Suisse, die wie die Deutsche Bank neue CEOs haben, hinken hinter den US-Banken bei der Aktienperformance hinterher und sehen sich mit drastischen Kostenmaßnahmen konfrontiert“, schreibt das Leib- und Magenblatt der Wall Street.
Das Wall Street Journal würdigt auch ausführlich die Kritik der Bafin an der Deutschen Bank. Die Bafin habe auf Auswechslungen im Topmanagement gedrängt, werden Manager mit Kenntnis der Gespräche zwischen Regulierungsbehörde und Bank zitiert. Als den weitreichendsten Schritt beim Umbau der Deutsche Bank bezeichnet die Zeitung mit Blick auf Kunden die Aufspaltung der Investmentbank.
Cryans neue Strategie trage den Beschwerden von Aktionären Rechnung, kommentiert die New York Times in ihrem „Deal-Book“-Blog. Die Anteilseigner hätten die Bank als zu kompliziert und nicht profitabel genug gerügt. Ausdrücklich wird in der NYT die Berufung von Sylvie Matherat zur Topmanagerin für Regulierungsfragen begrüßt. Damit werde ein Vorstand ergänzt, der bislang ausschließlich mit Männern besetzt worden sei.
Eine Anfrage der NYT bei der Deutsche Bank über den Zusammenhang zwischen den jetzt verkündeten personellen Veränderungen und Skandalen wie dem rund um die Libor-Manipulation und die Vorwürfe um angebliche Geldwäsche in Russland, wurde laut dem Blatt in der Zentrale in Frankfurt nicht kommentiert.
Im April hatten US- und britische Behörden die Bank zu einer Milliardenstrafe im Zusammenhang mit der Manipulation von Zinssätzen verdonnert. Die Deutsche Bank musste 2,3 Milliarden Euro zahlen, damit zivilrechtliche Ermittlungen der Behörden in Großbritannien und den USA eingestellt werden konnten.
Im Juni berichtete Bloomberg zudem über eine interne Untersuchung der Bank wegen möglicher Geldwäsche durch russische Kunden. Die Bank of Russia habe die Deutsche Bank kontaktiert, um „ungewöhnliche Handelsaktivitäten in Russland prüfen zu lassen.“ Analysiert werden demnach Datensätze von 2011 bis Anfang 2015.
Die Zeitung Moscow Times berichtete am 16. Oktober 2015, zwei Tage vor Bekanntgabe des Umbaus bei der Deutschen Bank, „einige Mitglieder von Präsident Wladimir Putins innerem Zirkel“ hätten von den mutmaßlichen Transaktionen profitiert. Laut Bloomberg hat sich das US-Justizministerium der mysteriösen Transaktionen angenommen.
Mit Klagen und juristischen Auseinandersetzungen wird sich also auch John Cryan noch auseinandersetzen müssen, trotz Konzernumbau.