Das war ein Paukenschlag. Die US-Einlagensicherung FDIC hat gestern Abend elf bedeutenden Geldhäusern die gelbe Karte gezeigt. Darunter sind auch Branchengrößen wie JP Morgan Chase und die Deutsche Bank.
Die Aufseher bemängeln, dass die sogenannten ‚Living Wills‘ dieser elf Kreditinstitute unzureichend seien; ein Living Will ist so etwas wie das Testament einer Bank, eine Erklärung über die mögliche Abwicklung in einem hypothetischen Pleitefall. Gefordert wird eine solche Erklärung seit dem Jahr 2010, als der US-Kongress das Dodd-Frank-Reformgesetz zur Bankenregulierung verabschiedete.
Seitdem haben große Banken jährlich solche Erklärungen an die Marktaufseher eingereicht, teils tausende Seiten lang. Darin müssen sie präzise darlegen, wie sie im schlimmsten Fall „ordentlich abgewickelt“ werden können – also zügig und ohne Steuerzahlergeld.
Die Vertreter der Kreditbranche beklagten sich zwar regelmäßig bei den US-Regulierern, dass die Vorgaben für die Abfassung dieser Erklärungen zu wenige Details enthielten. Nun aber haben die Banker den Spielraum, der ihnen mit den geringen Vorgaben zugestanden worden war, offenbar zu weit zu ihren Gunsten ausgelegt.
Am Dienstag platzte den Marktaufsehern schließlich der Kragen. Die vorliegenden ‚Living Wills‘ seien „nicht glaubwürdig“. Die vorliegenden Erklärungen, so der FDIC-Vize Thomas Hoenig in einem Statement, „demonstrieren eine geringe Fähigkeit, in adäquater Weise mit einem finanziellen Kollaps ohne Hilfe der Regierung auszukommen.“
Im Klartext: Das ‚Too-big-to- fail‘-Problem ist mit den vorgelegten Verfahren der Banker noch immer nicht gelöst, sechs Jahre nach der Finanzkrise. Jetzt gibt es neue Vorgaben der Aufseher an die Banken. Wieder mal.
Die Geldhäuser müssen bis Ende des Jahres beispielsweise „eine weniger komplexe juristische Struktur“ entwickeln und ihre Finanzkontrakte anpassen, einschließlich der Derivate-Positionen. Sonst bekommen sie kein grünes Licht der Regulierer. Wenn nicht, so die offene Drohung der FDIC, müsse entsprechend dem Reformgesetz Dodd-Frank eine Änderung erzwungen werden.
Was das heißt, hat die US-Senatorin Elizabeth Warren aus Massachusetts erst vor zwei Wochen in einer Anhörung des Bankenausschusses der Fed-Chefin Janet Yellen nahegelegt: Eine Zerschlagung jener Banken, die der Aufforderung nicht nachkommen.
Warren hatte Yellen in einem siebenminütigen Auftritt regelrecht gegrillt, wie man in den USA zu einer harschen Befragung sagt. Im Verlauf der kurzen Anhörung, bei der Yellen äußerst schwach aussah, stellte sich heraus:
Die Fed bekommt von den Banken zehntausende von Seiten Berichte und arbeitet sich mühsam mit Stellungnahmen voran, so langsam, dass sie mindestens eine Berichtsrunde hinterher ist. Warren warf der Fed vor, bisher kein klares Votum darüber abgegeben zu haben, ob die berichtspflichtigen Banken jeweils einen glaubwürdigen und nachvollziehbaren Plan vorgelegt haben.
Die Fed-Chefin erfülle ihren Auftrag nicht, obwohl sie über starke Instrumente verfüge, um im Zweifelsfall einzugreifen und Banken so lange zum Verkauf von Anteilen zu zwingen, bis sie nicht mehr das System gefährden.
Die US-Senatorin ging auch mit den bisherigen ‚Living Wills‘ hart ins Gericht. Was von den Geldhäusern vorgelegt werde, entspreche im Falle JP Morgans lediglich einer Din-A4-Seite für jeweils 100 Tochterunternehmen. JP Morgan betreibt laut Warren jedoch 3391 Töchter und Geschäftseinheiten.
Der peinliche öffentliche Auftritt hat offenbar gewirkt.
Von den betroffenen Geldhäusern war laut Bloomberg am späten Abend in Amerika keine Stellungnahme zu bekommen. Doch Rodgin Cohen, der Senior Chairman bei der Kanzlei Sullivan & Cromwell, die mehrere der genannten Banken zu ihren Klienten zählt, kritisierte die Regulierer:
„Es ist unglücklich, dass es jetzt einen öffentlichen Befund gibt, ohne dass es mit den Banken eine substanzielle Kommunikation darüber gegeben hat.“ Den Banken wurden dem Vernehmen nach detaillierte Briefe mit einer Auflistung der Maßnahmen zugeleitet, die sie nun ergreifen müssen.
Jahrelang haben Kritiker den Regulierern in den USA vorgeworfen, die Banken mit dem sanften Staubwedel zu behandeln. Doch jetzt hat die FDIC die Axt herausgeholt. Und das, obwohl sich große Geldhäuser schon von Geschäftseinheiten getrennt haben.
Der gestrige Rundumschlag der US-Regulierer dürfte den Bankern jetzt allerdings deutlich zeigen: Der bisher geleistete Rückzug aus einzelnen Geschäftsbereichen könnte nicht ausreichen, um weiter als Bank Geschäfte machen zu können. Und die rote Karte der US-Regulierer will wohl niemand abwarten.