Es war ein größeres Erdbeben. An einem Sonntag Abend im Mai hat die Deutsche Bank die zweitgrößte Kapitalerhöhung ihrer Geschichte präsentiert, und nebenbei noch einen neuen Großaktionär:
Der arabische Scheich Hamad Bin Jassim Bin Jabor Al-Thani nimmt dem größten hiesigen Geldhaus einen Teil der neuen Anteilsscheine im Wert von insgesamt acht Milliarden Euro ab, so die Ankündigung der Deutschen Bank. Und, immerhin, der ehemalige Premier- und Außenminister des Scheichtums Katar würde somit Titel im Wert von 1,75 Milliarden Euro erwerben.
Das Ergebnis der Ankündigung lässt sich am heutigen Aktienkurs des Geldhauses ablesen: Die Titel stehen mit deutlich mehr als einem Prozent im Minus, sie zählen zu den schwächsten Aktien des Tages. Kein Wunder.
Beobachter fragen sich, wie es um das Geldhaus bestellt ist, wenn es auf einen Schlag solch eine Menge frisches Geld benötigt – und das den eigenen Aktionären lieber noch hastig vor der Hauptversammlung der Deutschen Bank in der kommenden Woche mitteilt.
Tatsächlich wundern sich manche Bank-Experten über die schiere Größe der angekündigten Transaktion. „Ich habe bisher mit einer Kapitallücke von sieben Milliarden Euro gerechnet“, sagt beispielsweise Analyst Kinner Lakhani von der US-Großbank Citi Group.
Die Meinung anderer Experten dürfte für viele Anteilseigner des Geldhauses allerdings noch ernüchternder ausfallen: Der Zustand der Bank sei in Wahrheit noch schlechter, als sich am aktuell eingestandenen Kapitalbedarf von acht Milliarden Euro ablesen lasse.
„Die Bank braucht zehn Milliarden Euro“, sagte etwa James Chappell vom Bankhaus Berenberg schon Ende vergangenen Monats. Und auch heute halten andere Analysten das jetzt Angepeilte für zu wenig, um die Deutsche Bank auf sichere Füße zu stellen.
„Diese Kapitalspritze reicht schlicht nicht aus, die Bank braucht noch weitere fünf Milliarden Euro“, sagt etwa Andrew Lim, Analyst bei der Großbank Societe General, einem Deutsche-Bank-Konkurrenten aus Frankreich.
Erst mit zusätzlichem Kapital von insgesamt 13 Milliarden Euro, und nicht acht Milliarden Euro, komme die Deutsche Bank bis Ende 2015 auf eine Verschuldungsquote von 4,0 Prozent – und selbst das sei noch das untere Ende dessen, was globale Investmentbanken im Schnitt vorweisen könnten.
Damit rückt für Beobachter am deutschen Bankenstandort in Frankfurt wieder die Frage in den Vordergrund, wie stabil die Deutsche Bank denn tatsächlich dasteht, und das auch mit Blick auf den kommenden Banken-Stresstest im Herbst dieses Jahres; die Europäische Zentralbank will dann die Kapitalausstattung von 128 führenden europäischen Geldhäusern auf ihre Widerstandsfähigkeit in Krisenfällen testen.
Die Deutsche Bank wird sich diesem Test ebenfalls stellen müssen. Klar ist immerhin: Die aktuell angekündigte Kapitalzufuhr von acht Milliarden Euro wird die Kernkapitalquote des Kreditinstituts von derzeit 9,5 auf 11,8 Prozent steigen.
Allerdings waren es genau solche Vergleiche mit anderen Branchengrößen, in denen die Deutsche Bank zuletzt des Öfteren das Nachsehen mit ihren Konkurrenten eingestehen musste.
So schneidet sie nicht nur bei der Verschuldungsquote schwächer als andere Global Player ab, sondern auch insbesondere bei ihrem Börsenwert – das dürfte die Aktionäre der Bank direkt schmerzen. „Nur mit einer Kapitalerhöhung“, mutmaßte Berenberg-Experte Chappell, könne die Bank den Bewertungsabschlag von 40 Prozent auf die Aktien der Konkurrenz abbauen.
Ob diese in Aussichtstellung die Aktionäre der Deutschen Bank für das Management ihres Unternehmens einnehmen wird? Sie werden auf der kommenden Hauptversammlung zumindest sicher viele Fragen an die beiden Chefs des Bankhauses richten wollen, an Anshu Jain und Jürgen Fitschen. Immerhin: Ein bisschen Aufmunterung erhalten sie heute auch noch.
„Die heute angekündigte Kapitalerhöhung kann zum Kurskatalysator für die Deutsche-Bank-Aktie werden“, sagt Chevreux-Analyst Dirk Becker. Der Verwässerungseffekt aus der Kapitalerhöhung sei bereits mehr als eingepreist. „Und sobald die Transaktion abgeschlossen ist, dürften die Investoren die Stärke des operativen Geschäfts der Bank würdigen“, glaubt der Banken-Experte.
Und Citi-Analyst Lim erwartet sogar, dass Deutschlands größtes Geldhaus mit der neuen Kapitalausstattung „im Zuge der anstehenden Konsolidierung im globalen Investmentbanking jetzt mit Chancen dastehe.“ Ob das die Aktionäre der Deutschen Bank gerne hören wollen?
Wahrscheinlich werden sie zumindest keine Chance haben zu erfahren, wie ihr neuer Großaktionär aus dem Morgenland dazu steht.
Der Scheich aus Katar wird nach Meinung von Beobachtern nicht bei der Hauptversammlung des Geldhauses in der kommenden Woche auftreten; etwa 6 Prozent der Deutschen Bank gehören dem Ölmilliardär bald, die erfolgreiche Kapitalerhöhung vorausgesetzt. Das allerdings indirekt, denn als Investor soll sich offenbar der Staatsfonds aus Katar betätigen.
Der wiederum ist deutschen Aktionären schon recht gut bekannt.
Investoren aus Katar sind unter anderem mit rund 17 Prozent am Volkswagen-Konzern beteiligt. Und auch auf den Hauptversammlungen des größten europäischen Autokonzerns haben sich die Staatsfonds-Investoren nie selbst sehen lassen.
Bei der Deutschen Bank werden sie das nicht anders handhaben, sagen Beobachter – mag das prominenteste hiesige Kreditinstitut an einem Mai-Sonntagabend ankündigen, was es wolle.