Die Deutsche Bank lässt Gegensätze aufeinanderprallen, und das in historischen Dimensionen: Noch in der Finanzkrise im Jahr 2008 triumphierten die Deutschbanker, ihr Vormann Josef Ackermann rieb den Deutschen genüsslich die angebliche Stabilität des bedeutendsten deutschen Geldhauses unter die Nase:
„Ich würde mich schämen, wenn wir in der Krise Staatsgeld annehmen würden“, sagte Ackermann am 20. Oktober 2008 dem Spiegel – mitten in einer Zeit, in der Deutschlands Steuerzahler Milliardensummen in andere hiesige Banken stecken mussten, um deren Kollaps doch noch abzuwenden.
Rund siebeneinhalb Jahre später ist der Satz nur noch Geschichte. Der Aktienkurs der Deutschen Bank purzelt in Richtung Finanzkrisen-Mininiveaus, von knapp 100 Euro im Mai 2007 sind im Februar 2016 weniger als 15 Euro übrig geblieben. Dafür schießen Versicherungsprämien für ausgegebene Anleihen der Bank in die Höhe, fast so stark, wie einst die Ausfallversicherungen für Griechenland-Bonds in den Zahlungskrisen des südeuropäischen Landes.
Die Lage der Deutschen Bank ist an der Börse so angespannt, dass sich selbst der deutsche Staat zu einer Stützerklärung herausgefordert sieht. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg am 9. Februar 2016, er habe „keine Zweifel“ an der Stabilität der Deutschen Bank. Und der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach, Obmann der Unionsfraktion im Finanzausschuss des Bundestags, sekundierte nach Angaben des Handelsblatt: „Die Deutsche Bank hat kein Liquiditätsproblem.“
Weil die Unsicherheit darüber aber so groß ist, wurde Schäubles verbale Staats-Stütze gleich Tausende Male in den sozialen Netzwerken weltweit geteilt, hier ein Beispiel für solch einen Re-Tweet:
RT @kanekos69: [#Germany’s Finance Minister Schäuble Has ‚No Concerns‘ Over Deutsche Bank.] – Τοτε γιατι πέφτουν οι μετοχές; hier auf Twitter zum Nachlesen: https://twitter.com/kanekos69/status/697074029698617344
Auch die Deutsche Bank kommt nicht mehr umhin, selbst auf die Lage zu reagieren. Bank-Chef John Cryan wendete sich am 9. Februar 2016 direkt an seine verunsicherten Angestellten: „Sie können Ihren Kunden mitteilen, dass die Deutsche Bank angesichts ihrer Kapitalstärke und ihrer Risikoposition absolut grundsolide ist“, schrieb der Brite nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa den Mitarbeiter des Dax-Konzerns.
Besonders in den Blick der Finanzprofis war zuvor eine Bond-Sonderform der Deutschen Bank geraten, die im Börsenjargon Coco genannt wird; gemeint sind Contingent Convertible Bonds. Die Deutsche Bank hatte zuvor ausdrücklich versichert, die rund fünf Milliarden Euro darin zurückzahlen zu können. Den Kurs dieser Papiere hatte das aber nicht entscheidend gestützt.
Deshalb konnten es Cryan und sein Finanzvorstand Marcus Schenck nicht mehr allein bei der Beteuerung belassen, die Deutsche Bank sei solide. Nach Angaben der Financial Times planen sie nun vielmehr einen milliardenschweren Rückkauf ausstehender Anleihen des Geldhauses. Quasi als Beweis ihrer finanziellen Stärke.
Vor allem vorrangig besicherte Papiere sollen nun angeblich zurückgekauft werden. Die Deutsche Bank hatte davon im September 2015 etwa 50 Milliarden Euro im Umlauf, schreibt die Financial Times.
Der kolportierte Schachzug wäre wahrlich alles andere als übertrieben. Die Misere der hiesigen Topbank färbt schon auf den Ruf der gesamten Bundesrepublik Deutschlands auf den Finanzmärkten ab. Plötzlich wird auch das Ausfallrisiko deutscher Staatsanleihen höher bewertet, obwohl der Bund finanziell so solide dasteht, wie seit Jahrzehnten nicht.
Das belächeln Finanzmarktprofis zwar, wie Duncan Weldon, Head of Research der Resolution Group. Er fragt in den sozialen Medien rethorisch: „How much of the rise in German CDS today is driven by people who can’t distinguish between Deutsche Bank & the Bundesbank?“ (hier auf Twitter zum Nachlesen: https://twitter.com/DuncanWeldon/statuses/697071962888261632). Doch die Finanzierungskosten der Bundesrepublik könnten dennoch steigen, zu Lasten der Steuerzahler.
Zudem hat allein das Gerücht über diesen geplanten Bond-Rückkauf den Aktienkursverfall der Deutschen Bank erst an der Börse in New York stark gebremst, dann in Frankfurt umgekehrt.
An der Kurstafel der Weltleitbörse in Manhatten tauchte noch in der Nacht zum 10. Februar 2016 nur ein bescheidenes Minus von rund einem Prozent hinter der Notierung der Deutschen Bank auf; im deutschen Xetra-Handel in Frankfurt war der Deutsche-Bank-Aktienkurs zuvor noch um 4,3 Prozent abgesackt. Und am Morgen des 10. Februar 2016 schießt der Aktienkurs der Deutschen Bank dann auch in Frankfurt um 16 Prozent in die Höhe.
Die Angst der Anleger, das größte deutsche Geldinstitut könnte in Zahlungsschwierigkeiten geraten, speiste sich zuvor aus gleich mehreren Quellen. Denn die Umsetzung der noch unter dem inzwischen entmachteten Vorstandsduo Anshu Jain und Jürgen Fitschen präsentierten „Strategie 2020“ hängt schon jetzt hinterher.
Geplant war unter anderem, das Filialnetz auszudünnen, sich im Investmentbanking aus margenschwachen Geschäftsfeldern zurückzuziehen und die Postbank 2016 an die Börse zu bringen.
Stattdessen ließen die Deutschbanker Ende Januar 2016 durchblicken, dass ein solcher Börsengang wohl nicht realistisch sei. Bis 2018 wolle man sich nun von der Postbank trennen, verkündete Cryan auf der Bilanzpressekonferenz Ende Januar 2016. In wie weit abermalige Rückstellungen für weitere Rechtsstreitigkeiten notwendig werden, ist ebenfalls offen.
Und auf eine Dividende werden Aktionäre wohl nicht nur im laufenden Jahr 2016 verzichten müssen.
Kurzum, die Deutsche Bank ist von ihrem einstigen Selbstverständnis, zu den bedeutendsten internationalen Geldhäusern zu zählen, deutlich entfernt. An der Börse wird der Finanzkonzern, der sich künftig als geschrumpfte Investmentbank mit angeschlossener Vermögensberatung positionieren will, gerade noch mit gut 20 Milliarden Euro bewertet.
Zum Vergleich: Die einst mit der Deutschen Bank auf Augenhöhe agierende US-Investmentbank JP Morgan verdiente 2015 unterm Strich 24,5 Milliarden Dollar (21,75 Milliarden Euro) und wird an der Börse mit rund 186 Milliarde Euro bewertet. Cryans ehemaliger Arbeitgeber, die auf Vermögensberatung spezialisierte UBS, legte für 2015 ein Ergebnis von 6,2 Milliarden Franken (5,6 Milliarden Euro) vor. An der Börse bringen die Schweizer gut 50 Milliarden Euro auf die Waage.
Ist die Deutsche Bank angesichts dieser Bewertungsunterschiede nun ein Schnäppchen, zumal die Aktie mit nur gut einem Drittel des eigenen Buchwerts bewertet wird? Die Antwort hängt auch davon ab, ob weitere Abschreibungen – etwa auf den Bilanzwert der Postbank – nötig sein werden.
Kurzum, es hängt davon ab, ob die Deutsche Bank in den Augen der Anleger wirklich so „absolut grundsolide“ ist, wie es ihr Vorstandsvorsitzender John Cryan in seinem Brief an die Deutsche-Bank-Mitarbeiter betont hat. Die Mehrheit der Anleger hat ihre Antwort angesichts des Kurssprungs am Morgen des 10. Februar 2016 schon gegeben.
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