Jetzt wird die neue Krisendebatte geführt. Nobelpreisträger Joseph Stiglitz warnt in der Handelszeitung, wir sollten das „Risiko einer globalen Krise nicht mehr länger ignorieren.“ Der britische Telegraph gibt ebenfalls eine unmissverständliche Crash-Warnung heraus. Die Welt könne sich „eine weitere Finanzkrise nicht leisten.“ Dort heißt es über die möglichen Konsequenzen: „Eine neue Wirtschaftskrise würde einen politischen Rückschlag in Europa und den USA auslösen, der uns alle in die Armut ziehen kann.“
Mitte Februar 2016 wurden zudem in Deutschland Hilferufe verschiedener Banken an EZB-Präsident Mario Draghi bekannt. Er soll den Geldhäusern durch den Ankauf von Bankanleihen helfen.
Namen wurden in dem Exklusivbericht des Handelsblatts nicht genannt, doch die Äußerung eines „nicht näher genannten Bankvorstands“ schlug hohe Wellen: „Die Banken können alleine diese Krise nicht überwinden.“ Von einer Abwärtsspirale bis hin zur Systemkrise ist hier die Rede.
Zwar versuchte der zur Hilfe gerufene EZB-Präsident, Beruhigungspillen zu verteilen, indem er erklärte, die Banken der Euro-Zone hätten ihr Eigenkapital in den vergangenen Jahren deutlich gestärkt. Doch nicht überall hält man das für ausreichend. Die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel, seit 2014 Mitglied des Sachverständigenrats, findet die negativen Folgen der jüngsten Börsenturbulenzen für die Banken „sehr beunruhigend.“
Laut Schnabel gibt es in Form der schwächelnden Weltwirtschaft sowie der steigenden Kreditrisiken aus dem kollabierten Ölpreis und den anhaltenden Minizinsen einige Faktoren, die das Geschäft der Banken beeinträchtigen. Und auf der anderen Seite des Atlantiks will der Präsident der Fed-Zweigstelle in Minneapolis, Neel Kashkari, die Bankenregulierung dahingehend verschärfen, dass die Marktaufseher es leichter haben, die größten Finanzinstitute des Landes aufzuspalten.
„Die größten Banken sind immer noch ein Systemrisiko und stellen ein signifikantes Risiko für die Gesamtwirtschaft dar“, sagt Kashkari, der 2008 im Auftrag der Regierung Obama das 700 Milliarden Dollar schwere Rettungsprogramm für die Banken beaufsichtigte.
Die Deutsche Bank ist, wie hier im „aktionaersforum“ mehrmals berichtet, in den Fokus der neuen Angst um die Banken geraten. Die Aktie des Geldkonzerns hat in den sechs Monaten bis Mitte Februar 2016 knapp 47 Prozent Kursverlust erlitten. Selbst öffentliche Erklärungen der Bank, darunter die angekündigten Anleiherückkäufe, konnten die Börsianer nicht ganz beruhigen.
Sogar Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sah sich genötigt, öffentlich zu erklären, er mache sich „keine Sorgen“ um Deutschlands größten Finanzdienstleister. Dennoch: Die Beunruhigung verbreitet sich bis in die europäischen Auslandsmedien.
Die Neue Zürcher Zeitung etwa spricht von einem „Aderlass im europäischen Bankensektor“ und findet: „Die Probleme sind real.“ Spaniens El Pais fragt: „Was passiert mit Deutschlands Finanzsektor?“ Und im britischen Guardian heißt es über die Deutsche Bank: „Deutschlands Finanzkoloss stolpert.“ Nach 146 Jahren Solidität „ist die Bank, die unbeschadet durch die Krise von 2008 kam, jetzt im Mittelpunkt der Ängste von Investoren um das Bankensystem.“
Auch die Aktionäre sehen die Gefahren, allerdings für den ganzen Sektor in Europa. Der Stoxx Europe 600 Banks-Index erlitt in den sechs Wochen bis Mitte Februar 2016 ohne Unterlass Verluste. Das ist der längste Rückgang seit dem Krisenjahr 2008. Und das, obwohl die Geldinstitute auf den ersten Blick besser dastehen als im Krisenjahr 2008.
So sind die Banken nach der Finanzkrise beispielsweise mit der Stärkung ihrer Kapitalbasis soweit vorangekommen, dass sie jetzt den regulatorischen Anforderungen weitgehend genügen. Statt der benötigten Kapitalquote, die die Deutsche Bank in der Übergangsphase von Basel III bis Anfang 2019 zum jetzigen Zeitpunkt ausweisen muss – nämlich 10,75 Prozent – hat sie Anfang 2016 bereits nach eigenen Angaben 11,1 Prozent erreicht. Doch die Investoren und Aktionäre fragen sich, wie das Institut in den nächsten drei Jahren in dem absehbar schwierigen Umfeld die erforderlichen 12,25 Prozent erreichen kann.
Die Gewinne könnten zu gering sein, um die Kapitalbasis im geforderten Umfang zu stärken. Da ist die Deutsche Bank sicher kein Einzelfall, sondern eher wieder das Symbol für die aufkeimende Angst. Denn dieses Problem zeichnet sich für weite Teile des europäischen Bankensektors ab, falls die Ziele ohne Kapitalerhöhungen erreicht werden sollen. Genau hier setzen die Zweifel der Aktionäre an.
Sie fragen sich schon deswegen, wie die Marktführer – darunter die Deutsche Bank und die Credit Suisse – ihr Geld verdienen wollen, wenn sie sich in so schwierigen Zeiten aufwändig neu ausrichten.
Die Banken werden wohl versuchen, sich von unrentablem Geschäft zu trennen und riskante Geschäftsaktivitäten zu drosseln. Dabei könnte allerdings die Kreditvergabe leiden, was die ohnehin kaum wachsende Konjunktur weiter abbremsen dürfte. Hinzu kommt, dass viele Banken ihr Geld lieber bei der Notenbank deponieren, weil sich viele Firmen bei den derzeitigen Minizinsen lieber selbst Liquidität beschafften.
Mehr noch: Wie die UN in einem Bericht feststellten, stiegen die privaten Investitionen seit der Finanzkrise nicht so stark an, wie es die Verbilligung von fremdem Geld nahegelegt hätte.
Ein Blick in den jüngsten „Euro aera bank lending survey“ der EZB genügt, um festzustellen, dass die Banken derzeit ihre Vergaberichtlinien für Kredite lockern, um im wachsenden Wettbewerb gegen strengere Regulierung und eine abgeschwächte Weltkonjunktur Marktanteile zu gewinnen.
In diesem Wettlauf könnte sich in den kommenden Jahren mehr Risiko in den Büchern aufbauen und die Position der Geldhäuser zusätzlich schwächen. Zudem weist der monatliche Bericht über die Kreditvergabe der Banken in der Euro-Zone darauf hin, dass die Gewinnmargen auf Kredite kleiner werden.
Vielleicht wird die Deutsche Bank die sein müssen, die in dieser Lage voran geht. Die deutlich schrumpft und ihre Kapitalbasis stärkt. Nicht nur zum Wohl ihrer Anleger, sondern auch, weil sie zum Symbol der neuen Krisenängste geworden ist.
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