Es war eine von vielen Detailmeldungen infolge des Dieselgate-Skandals bei Volkswagen, doch dieser Bericht der Bild am Sonntag könnte VW nach Meinung von Beobachtern noch Probleme bereiten.
Das Blatt hatte am 14. Februar 2016 berichtet, dass der ehemalige Volkswagen-Chef Martin Winterkorn vielleicht doch früher als bisher gedacht über die Abgas-Täuschmethoden bei Dieselfahrzeugen der Volkswagen-Gruppe informiert worden sein könnte. Und zwar bereits im Mai 2014, also fast anderthalb Jahre bevor der Skandal in der Öffentlichkeit aufgedeckt wurde.
In einer internen VW-Mail, in der auffällige Stickoxidwerte thematisiert werden, an Winterkorn steht laut Bild am Sonntag: „Eine fundierte Erklärung für die dramatisch erhöhten NOx-Emissionen kann den Behörden nicht gegeben werden. Es ist zu vermuten, dass die Behörden die VW-Systeme daraufhin untersuchen werden, ob Volkswagen eine Testerkennung in die Motorsteuergeräte-Software implementiert hat“.
Volkswagen hat die Bild-am-Sonntag-Meldung weder bestätigt, noch dementiert. So kursiert sie, und offenbar ist sie zu den US-Ermittlungsbehörden durchgesickert. Dort soll man hellhörig geworden sein.
Nach Angaben des Magazins Bilanz soll eine „hochrangige Volkswagen-Delegation unter Führung von Beschaffungsvorstand Francisco Javier Garcia Sanz“ zuletzt in den Vereinigten Staaten vorstellig geworden sein, unter anderem um endlich eine Einigung mit den US-Behörden vorzubereiten. Denn noch immer ist nicht klar, wie viel Euro Strafe VW zahlen soll, wie hoch die Entschädigungen für US-Kunden ausfallen oder ob gar weitere Leistungen erbracht werden müssen, beispielsweise zusätzliche Umweltschutzinvestitionen in US-Werke von Volkswagen.
Doch nach Angaben der Bilanz habe die Meldung über die möglicherweise frühzeitigere Information des VW-Managements über die Verwendung von Täuschsoftware in der VW-Dieselmotorensteuerung die Gespräche in den USA weiter belastet.
Tatsächlich kann VW durch den Nichtabschluss der US-Verhandlungen in bisher nicht erwogene Schwierigkeiten geraten: Der Jahresabschluss des Konzerns könnte nicht testierbar sein, solange die Belastungen aus Dieselgate nicht klarer sind. Doch ohne testierten Jahresabschluss verbaue sich Volkswagen unter Umständen manche Finanzierungsmöglichkeit auf dem Kapitalmarkt, schreibt die Bilanz.
Ob es deshalb finanziell eng für Volkswagen wird? Zuletzt hat das Unternehmen eine große Kreditlinie mit mehreren Banken über 20 Milliarden Euro vereinbart, und der Konzern sitzt offenbar auf einem dicken Kapitalpolster von rund 28 Milliarden Euro. Experten rechnen deshalb nicht mit einem Liquiditätsengpass bei Volkswagen. Belastend wirken die nicht abgeschlossenen Verhandlungen in den USA aber wohl dennoch.
Unklar ist zum jetzigen Zeitpunkt auch, ob Volkswagen tatsächlich wie geplant seinen Käufern in Deutschland geringere Entschädigungsangebote als seinen US-Kunden unterbreiten kann. Zumindest der öffentliche Druck auf VW wächst, diese offenbar geplante Ungleichbehandlung zu überdenken – auch, wenn sie rechtlich korrekt wäre.
„In vergleichbarer Situation würde es kein Lebensmittelkonzern wagen, derart mit Informationen und Entschädigungsangeboten zu geizen, wie VW das gerade tut“, sagte Klaus Müller dem Handelsblatt am heutigen 19. Februar 2016; Müller ist Vorsitzender des Bundesverbands der Verbraucherzentralen.
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