Volkswagen kommt nicht aus dem Krisenmodus. Während noch immer keine Lösungen für die drohenden Dieselgate-Strafen abzusehen sind, ziehen nun ausgerechnet die VW-Vorstände verblüfftes Unverständnis der VW-Belegschaft auf sich.
Nach Angaben des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ wollen die Volkswagen-Vorstände nun doch um ihre Bonuszahlungen verhandeln, obwohl die Volkswagen-Krise weiter schwelt – und während der Betriebsrat glaubt, sich gar gegen drohende Kündigungen der einfachen Beschäftigten aufgrund der Dieselgate-Krise positionieren zu müssen.
Die Schieflage in der Wahrnehmung dessen, was aus Sicht der Arbeitnehmervertreter angemessenes Vorstandsverhalten gewesen wäre, fasst das Magazin in einem Zitat eines Betriebsrats zusammen: „Dem Management fehlt offenbar jedes Gespür für den Ernst der Lage.“
Konkret geht es beispielsweis um Millionen Euro hohe Zahlungen an den neuen VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Er soll nach Angaben des Spiegel zehn Millionen Euro als Ausgleich dafür erhalten haben, seinen besser dotierten Vorstandsjob gegen den des Chefaufsehers bei Volkswagen getauscht zu haben. Pötsch wechselte im Oktober 2015 an die Spitze des Aufsichtsrats.
Andere aktuelle Vorstände wenden sich nach Angaben des Magazins dagegen, auf ihre vertraglich fixierten Erfolgsprämien nun in Gänze zu verzichten. Trotz der wirtschaftlich wenigstens unklaren, vielleicht sogar heiklen Lage des Wolfsburger Konzerns sollen sie nur zu Abstrichen an ihren Sonderzahlungen bereit sein.
„Die Betroffenen tun sich keinen Gefallen damit, in der derzeitigen Situation um ihre Boni zu ringen. Die Mitarbeiter haben inzwischen verstanden, dass Einschnitte auf sie zukommen. Aber sie wissen auch, dass das nicht das Verschulden der Belegschaft ist. Und sie haben ein feines Gespür dafür, was jetzt angemessen ist und was nicht“, sagte dazu ein Betriebsratsmitglied der Zeitung Welt.
Vor allem der Zwist zwischen VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh und dem Vorstand der Kernmarke VW, Herbert Diess, hat sich in den vergangenen Monaten immer weiter verschärft.
Der ehemalige BMW-Manager Diess, seit Juli 2015 Markenchef der Kernmarke VW, hatte schon früh angedeutet, sich mit dem VW-Betriebsrat anlegen zu wollen. Mitte November 2015 war er jedoch erstmals zurückgerudert. Damals sagte er in einem gemeinsam Gespräch mit dem Chefbetriebsrat gegenüber deutschen Nachrichtenagentur dpa: "Ich sehe keine Bedrohung für die Stammbelegschaft", nachdem Osterloh ihn kurz zuvor für sein Krisenmanagement kritisiert hatte.
Ein weiteres Mal flammte der Konflikt zwischen Führungsetage und Arbeitnehmervertretung Ende Januar auf. Diess hatte inzwischen ein 12-Punkte-Programm zur Zukunft der Marke VW vorgelegt, dass unter anderem eine Produktivitätssteigerung von 10 Prozent vorsieht. Osterloh kritisierte dieses Ziel zwar nicht grundsätzlich, forderte aber von der Volkwagen-Führung eine Garantie für Arbeitsplätze, was er im Januar als „Leitungspakt“ bezeichnete.
Jetzt, Anfang April scheint der Konflikt sich zu verschärfen. Es gebe ein „gravierendes Vertrauensproblem“, heißt es in einem Rundbrief der Arbeitnehmervertreter an die VW-Belegschaft. Der Betriebsrat fordert darin, Verhandlungen mit dem Management über die Festschreibung von festen „Produkt-, Stückzahl- und Investitionszusagen für die nächsten Jahre“.
Aus dem „Leistungspakt“ ist dem Schreiben zufolge ein „Zukunftspakt“ geworden. Ob sich die Rhetorik weiter verschärft, hängt auch vom Ausgang der Dieselgate-Affäre ab.
Derweil kämpft Volkswagen noch immer um eine Einigung mit den US-Behörden infolge des Skandals um manipulierte Abgaswerte mancher VW-Dieselmotoren. Zuletzt hatte VW eine Fristverlängerung bekommen, um einen Plan für Rückrufe vorzulegen. Nichts desto trotz droht dem größten europäischen Autobauer eine Strafzahlung in Milliardenhöhe, nachdem US-Behörden gegen Volkswagen zu Felde gezogen sind.
Damit nicht genug: Nun steht Volkswagen auch der erste Rechtsstreit mit einem Händler aus dem eigenen US-Vertragsnetz ins Haus. Der Besitzer dreier Autohäuser hat am 6. April 2016 bei einem Gericht im US-Bundesstaat Illinois Klage wegen Betrugs gegen den deutschen Hersteller eingereicht, wie die zuständige Anwaltskanzlei Hagens Berman mitteilte. Und auch in Europa drohen VW noch erhebliche Klagen von Kunden. Wann und wie diese Klagen verhandelt werden, steht derzeit noch nicht fest.