Deutschlands Stahlkocher bangen um ihre Arbeitsplätze. In der Hauptstadt Berlin sowie in Duisburg und dem Saarland demonstrieren daher an diesem Montag Tausende von ihnen unter dem Motto „Stahl ist Zukunft“ gegen die Bedrohung des Billigstahls aus China.
„Deutschland muss ein Treiber in Brüssel sein auch für effektivere Schutzmaßnahmen gegen Dumpingstrategien“, forderte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann schon vorab in der Tageszeitung „WAZ“. Mit ihren „zu laschen“ Zöllen auf chinesische Importe gefährde die EU-Kommission die europäische Stahlindustrie. Auch die Klimaschutzpläne der EU, insbesondere die Neuregeleung des Emissionshandels, hält der Gewerkschafter für schädlich, wenn es um den Erhalt deutscher Stahlwerke gehe.
Der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, hat die EU-Politiker ebenfalls aufgefordert, im Sinne der hiesigen Stahlkonzerne zu handeln. „Es kann nicht sein, dass unsere wettbewerbsstarke Stahlindustrie in Deutschland mit ihrer Leistungs- und Innovationskraft untergraben wird von Dumpingstahl und einer Verschärfung des Emissionsrechtehandels“, sagte er im Vorfeld der Kundgebung in Duisburg, an dem Hoffmann und Kerkhoff ebenso erwartet werden wie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD).
An diesem Montag sollen die Duisburger Anlagen beim größten deutschen Stahlhersteller ThyssenKrupp heruntergefahren werden, so lange die Kundgebung stattfindet.
Bereits in der vergangenen hatten rund 4000 Stahlarbeiter am Standort Salzgitter des zweitgrößten deutschen Stahlkonzerns, der ebenfalls börsennotierten Salzgitter AG, gegen die Billigimporte aus China demonstriert. „Das ist ein Tsunami, dem wir aus eigener Kraft nicht viel entgegensetzen können“, warnte der Chef des zweitgrößten deutschen Stahlkonzerns, Heinz Jörg Fuhrmann.
Die Streiks sind nicht die ersten Proteste gegen Billigimporte aus China und insbesondere die EU-Klimapläne, die eine starke Reduzierung der Verschmutzungszertifikate für die europäische Schwerindustrie in den kommenden Jahren vorsehen.
Im Kalkül der EU-Beamten sollen die Unternehmen dadurch selbst dafür sorgen, dass ihre Anlagen weniger Dreck in die Luft pusten, sie somit weniger Verschmutzungszertifikate benötigen – und die EU ihr Ziel erreicht, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu verringern.
Die Stahlkocher und Stahlverarbeiter fürchten allerdings die Mehrkosten. Zumal die Änderungen sie härter als die meisten anderen Branchen treffen würden. Vor allem jene deutschen Firmen wie ThyssenKrupp und Salzgitter sowie Weltmarktführer ArcelorMittal sind alarmiert, die noch stärker mit der klassischen Hochofen-Technik arbeiten und dabei viel Kohle einsetzen.
Nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung Stahl würden die deutschen Stahlunternehmen durch die geplante Verknappung der CO2-Zertifikate insgesamt bis zum Jahr 2021 mit zusätzlichen Kosten von jährlich rund einer Milliarde Euro belastet, die bis zum Jahr 2030 auf 1,6 Milliarden Euro stiegen.
Zuletzt hatte das Beratungsaus Prognos vor einer Umsetzung der EU-Zertifikatepläne zum Klimaschutz gewarnt. In der deutschen Stahlindustrie würden Produktion und Beschäftigung bis zum Jahr 2030 um 60 Prozent gegenüber dem Niveau sinken, das sie ohne zusätzliche Kosten durch den Emissionshandel halten könnte.
Hinzu kämen Beschäftigungsverluste in den vor- und nachgelagerten Branchen in Höhe von rund 380.000 Mitarbeitern. Die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung fiele 2030 um 30 Milliarden Euro niedriger aus als ohne CO2-Zertifikateverknappung möglich. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl hatte die Prognos-Studie in Auftrag gegeben.
Nach Meinung der Saar-Wirtschaftsministerin Anke Rehlinge (SPD) zeigt der heutige Protest „wie dramatisch die Situation an den Stahlstandorten ist“. Vor allem im Saarland „geht es ums Ganze“. Rund 22.000 Arbeitsplätze seien bedroht, gerieten die Unternehmen in eine Schieflage. Die Mitarbeiter in der Zentralkokerei, an den Hochöfen, in den Stahlwerken und Walzstraßen sowie die Beschäftigten in der Weiterverarbeitung haben ein Bruttoeinkommen von rund 900 Millionen Euro“. Würde dies wegfallen, sähe es „zappenduster“ aus, sagte Rehlinger der Saarbrücker Zeitung.