Kommt nun die erste wichtige Einigung von Volkswagen im Abgasskandal? Der Wolfsburger Konzern steht zumindest nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters und der Zeitung „Die Welt “ kurz vor einer Dieselgate-Lösung in den Vereinigten Staaten.
Danach bietet der größte deutsche Industriekonzern jenen US-Kunden 5000 Dollar Entschädigung, deren VW-Modelle einst mit einer Betrugs-Software ausgestattet worden waren. Mit deren Hilfe verschleierte Volkswagen das tatsächliche Emissionsvolumen der VW-Fahrzeuge. Darüber hinaus werde Volkswagen die Kosten für die Umrüstung dieser Autos tragen, so dass die betroffenen Modelle künftig die strengen amerikanischen Abgasgrenzwerte einhielten.
Die Einigung mit dem US-Justizministerium sowie den amerikanischen Umweltbehörden EPA und Carb solle am heutigen 21. April 2016 dem zuständigen US-Richter Charles Breyer präsentiert werden, schreibt „Die Welt“.
So konkret die Übereinkunft scheint: Volkswagen hat den US-Behörden offenbar trotzdem noch kein ausgefeiltes Konzept etwa für die nötige Umrüstung der Fahrzeuge vorgelegt. Nach Angaben der Zeitung habe VW noch immer keinen detaillierten Plan, wie mit den rund 600.000 betroffenen VW-Fahrzeugen in den USA verfahren werden soll. Auch die Strafen und Wiedergutmachungszahlungen seien nicht in allen Einzelheiten geregelt.
„Es handelt sich vielmehr um eine Art Eckpunktepapier, in dem die große Linie für die kommenden Monate festgelegt ist und an dem weitergearbeitet wird“, sagte ein Prozessbeteiligter „Welt“.
Diese große Linie ermöglicht Volkswagen aber wohl bereits Kostenschätzungen für die Lösung des Dieselgate-Skandals. In einem ersten Schritt muss VW nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters in seiner Bilanz für das abgelaufene Jahr 2015 mindestens zehn Milliarden Euro zur Seite legen – mehr als bisher bekannt: Der Wolfsburger Konzern hatte im dritten Quartal 2015 bereits 6,7 Milliarden Euro zur Seite gelegt.
VW äußerte sich dazu bisher nicht. Insgesamt scheinen weltweit rund elf Millionen VW-Fahrzeuge von Manipulation der Dieselabgaswerte betroffen zu sein.
Der Milliardennachschlag auf die bisher erwarteten Kosten scheint die VW-Aktionäre allerdings nicht zu schrecken. Im Gegenteil, sie hatten offenbar mit noch weit höheren Lasten für sich und ihr Unternehmen gerechnet. So stieg der VW-Aktienkurs am 20. April 2016 bereits um 7 Prozent auf 127 Euro. Das entspricht einem Plus allein im April 2016 von 13,5 Prozent, während der deutsche Leitindex Dax in dieser Zeit nur um 4,5 Prozent zugelegt hat.
Während Volkswagen somit der Lösung seines Abgasskandals näherzukommen scheint, drohen anderen Autoherstellern jetzt offenbar ähnliche Skandale. So hat der japanische Autobauer Mitsubishi in dieser Woche zugegeben, ebenfalls bei Verbrauchswerten manipuliert und betrogen zu haben.
Betroffen sind vier Kleinstwagen-Modelle mit einem Hubraum von maximal 660 Kubikzentimeter und einer Breite von maximal 1,50 Meter. Die Manipulation der Verbrauchswerte dieser vor allem in Japan dank einer Steuerbegünstigung viel gefahrenen Kei-Cars war aufgeflogen, nachdem Nissan Verbrauchstest an Fahrzeugen vorgenommen hatte, die Mitsubishi zuvor für den Wettbewerber gebaut hatte. Diese Nissan-Daten wichen von jenen ab, die Mitsubishi zuvor den Behörden vorgelegt hatte.
Mitsubishi-Chef Tetsuro Aikawa zufolge liege die Diskrepanz zwischen faktischem und manipuliertem Verbrauchswert bei 5 bis 10 Prozent. Die Produktion und der Verkauf der betroffenen Autos sei gestoppt worden, so Aikawa auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz.
Insgesamt sind von dem Rückruf 625.000 Autos für den japanischen Markt betroffen. 468.000 hatte Mitsubishi für von Nissan gefertigt. Zum Vergleich: Volkswagen hatte mit seiner illegalen Software Abgastests bei weltweit elf Millionen Dieselfahrzeugen manipuliert, knapp 600.000 davon in den USA.
Die nun aufgeflogenen Manipulationen bei Mitsubishi zeigen, dass nicht nur Volkswagen unter großem Druck steht, die immer ambitionierteren Abgaswerte von fossil betriebenen Autos zu reduzieren. Wo jedoch bei der Optimierung von Fahrzeugen für Testbedingungen der gesetzliche Rahmen noch eingehalten oder bereits überschritten ist, darüber wird vor allem auch in Deutschland gestritten.
Dem Recherche-Verbund „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR zufolge ergaben beispielsweise Messungen bei mehreren Automobilherstellern stark überhöhte Schadstoffwerte bei Diesel-Fahrzeugen. Demnach hätten die untersuchten Autobauer ihre Motoren so konstruiert, dass Stickoxid bei niedrigen Temperaturen ungefiltert in die Luft geblasen wird. Somit seien die gesetzlichen Stickoxid-Grenzwerte bei vielen der mehr als 50 getesteten Fahrzeugmodelle um ein Vielfaches überschritten worden.
Zur Aufklärung solcher Testergebnisse tragen die Automobilhersteller dabei nach Ansicht von Umweltschützern nicht bei. Greenpeace wirft den Autokonzernen gar vor, die Aufklärung mit Lobbyarbeit zu verhindern. Die Umweltorganisation hat dazu in dieser Woche ein „Schwarzbuch Autolobby“ veröffentlicht, wo sie 33 Personen aus dem „Geflecht zwischen Politik und Autoindustrie“ nennt. Die Autobranche werbe Mitarbeiter aus dem Kanzleramt und dem Umfeld der Bundeskanzlerin ab, die dann ihre Kontakte nutzten. „Die Einflüsterer der Autolobby steuern den Verkehrssektor mit ihren politischen Kontakten in den toten Winkel der Umweltpolitik“, sagt Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup. „Auch die mangelnde Aufklärung des Abgasskandals ist das Ergebnis der gut geölten Drehtür zwischen Politik und Autolobby.“
Die Opposition im Bundestag scheint dies ähnlich zu sehen. Erst in der vergangenen Woche haben Grüne und Linke angekündigt, einen Untersuchungsausschuss zum VW-Skandal einzusetzen.