Volkswagen hat einen wichtigen Schritt zur Beilegung des Dieselgate-Skandals in den USA getan: Der Konzern unterbreitet den US-Klägern einen Vergleichsvorschlag. Das bietet VW-Aktionären, Mitarbeitern und auch den betroffenen US-Kunden endlich eine erste Schätzung der fälligen Skandalsumme – und die hat es in sich.
Volkswagen könnte insgesamt mehr als 15 Milliarden US-Dollar zahlen, und damit die höchste Wiedergutmachung, die je ein Autohersteller in Amerika berappen musste.
Zehn Milliarden Dollar davon wären laut Vergleichsangebot für den Rückkauf von einer halben Million VW-Fahrzeugen reserviert, die US-Kunden mit manipulierter Motorsoftware ausgeliefert worden war. Diese Technik sorgt dafür, dass auf Prüfständen geltende Abgasgrenzwerte eingehalten worden sind, auf der Straße aber nicht.
Zudem bietet Deutschlands größter Industriekonzern nach eigenen Angaben Zahlungen von rund zwei Milliarden Dollar an einen US-Umweltfonds und weitere zwei Milliarden Dollar zur Förderung der Elektromobilität. Zusätzlich will VW 600 Millionen Dollar an insgesamt 44 Bundesstaaten überweisen.
„Wir sind uns bewusst, dass wir noch viel tun müssen, um das Vertrauen der Menschen in Amerika zurückzugewinnen“, sagte Volkswagen-Chef Matthias Müller dazu.
Volkswagen hat damit am 28. Juni 2016 den letzten Tag der gesetzten Frist für ein Vergleichsangebot genutzt, die dem Konzern vor Gericht auferlegt worden war. Gut neun Monate also, nachdem VW im September 2015 die Manipulation mancher VW-Motoren zugegeben hatte.
Das gewaltige Vergleichsangebot ist offenbar nötig geworden, um damit auf einen Schlag eine Vielzahl von Klagen vom Tisch bekommen zu können, die US-Besitzer von manipulierten VW-Dieselfahrzeugen gegen den Wolfsburger Konzern eingereicht haben. Zugleich sollen damit offenbar auch Klagen von US-Behörden und US-Bundesstaaten gegen VW erledigt werden. Unter anderem hatte das US-Justizministerium gegen Volkswagen geklagt.
Beobachter gehen davon aus, dass VW sich nicht ohne Hintergedanken auf solch ein teures Vergleichsangebot eingelassen hat. Nach ihrer Meinung könnte andernfalls die Begleichung der Einzelklagen vor Gericht teurer werden – und das Unternehmen über Jahre mit Gerichtsverfahren belasten. Das mögen auch die Aktionäre von VW wahrscheinlich nicht.
Anleger hatten in der Vergangenheit beispielsweise gegen das Management der Deutschen Bank revoltiert, das laufende juristische Auseinandersetzungen über Jahre nicht in den Griff zu bekommen schien. Gleichzeitig musste die Deutsche Bank immer wieder Milliardenrückstellungen für diese juristischen Auseinandersetzungen bilden – wie es jetzt auch Volkswagen getan hat.
VW-Finanzchef Frank Witter sprach deshalb zwar von einer „erheblichen Belastung“ aus dem entwickelten Vergleichsangebot in den USA. Die dafür gebildeten Rückstellungen in Höhe von 16,2 Milliarden Euro reichten aber aus.
Ähnlich äußerte sich VW-Aufsichtsrat Stephan Weil, zugleich Niedersachsens Ministerpräsident: „Die positiven Aspekte dieser Vergleichsvereinbarungen überwiegen, trotz der damit verbundenen erheblichen finanziellen Belastungen“, sagte Weil der Nachrichtenagentur Reuters. Ursprünglich habe VW in den USA eine Strafe wegen Umweltverstößen von bis zu 46 Milliarden Dollar gedroht, berichtet die Agentur.
Wie hoch die Zahlungen von Volkswagen in der Endabrechnung werden, hängt jetzt von den Klägern in den USA ab. Noch nicht absehbar ist beispielsweise, wie viele US-Besitzer manipulierter VW-Autos ihre Fahrzeuge an Volkswagen zurückgeben. Zugleich steigen aber offenbar die Zahlungen von VW an den US-Umweltfonds, sofern VW nicht wenigstens 85 Prozent der manipulierten Autos von der Straße bekommt.
Zudem muss Volkswagen auch weiterhin hoffen, dass das zuständige US-Gericht den vorgeschlagenen Vergleich Ende Juli 2016 auch annimmt. Die Zahlungen können dann nach Expertenmeinung im Oktober 2016 beginnen. Volkswagen hatte sich kurz nach Bekanntwerden des Skandals einen Kredit über 20 Milliarden Euro bei einer Gruppe internationaler Banken gesichert.
Kritiker des VW-Konzerns bemängeln den Vergleich. Die Milliardensummen flössen nur dort pauschal, wo Verbraucherschutzrechte das Unternehmen dazu nötigten – nämlich in den USA, und gerade nicht etwa in Deutschland. Hierzulande müssen sich Geschädigte individuell einen Anwalt nehmen und gegen VW prozessieren. Darüber hinaus sieht sich VW aber auch in Deutschland Klagen von institutionellen Investoren ausgesetzt.
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