Das hat gesessen. Experten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) um Professor Sascha Steffen haben gemeinsam mit Finanzspezialisten der New York University Stern School of Business, und Diane Pierret, Universität Lausanne, einen eigenen Stresstest für Europas Banken unternommen. Und ihr Ergebnis erschreckt vor allem die Aktionäre der Deutschen Bank.
Unter den neu angenommenen Krisenbedingungen hätte das größte hiesige Geldhaus kein ausreichendes Kapitalpolster, um sicher durch die unterstellten Turbulenzen zu steuern. Die Lücke würde sich in diesem Fall auf 19 Milliarden Euro belaufen, rechneten die Wissenschaftler vor.
Diese Summe ist nicht nur gigantisch groß, sie wäre nach Marktexperten aktuell nicht mal so einfach mit einer Kapitalerhöhung zu schließen. Denn der Marktwert der Deutschen Bank liegt Anfang August 2016 mit etwa 17 Milliarden Euro unter der ermittelten Kapitallücke. Mit anderen Worten: Der Kapitalbedarf, um die unterstellten Krisenbedingungen abzufedern, wäre höher, als die Deutsche Bank derzeit insgesamt an der Börse wert ist.
Aktionäre des Instituts haben in den vergangenen Jahren bereits mehrfach frisches Kapital in das Geldhaus gesteckt, um gerade ihre Kapitalbasis zu verbessern. Die Anteilseigner haben dazu etwa im Frühsommer 2014 insgesamt 8,5 Milliarden Euro an die bedeutendste hiesige Bank überwiesen. Mit dem Geld wollten die beiden damaligen Co-Chefs der Deutschen Bank, Anshu Jain und Jürgen Fitschen, damals zugleich das Investmentbanking der Bank anschieben.
Die Zahlungen der Aktionäre über eine Kapitalerhöhung waren allerdings nicht die einzigen Kosten, die Deutsche-Bank-Aktionäre seit der damaligen, Milliarden Euro schweren Kapitalerhöhung tragen mussten. Seitdem ist der Aktienkurs ihres Unternehmens von seinerzeit rund 27 Euro um 56 Prozent auf 12,42 Euro gefallen – das ist nur wenig mehr als das bisheriges Rekordtief der Deutsche-Bank-Aktie von 11,21 Euro.
Die Ergebnisse der Forscher sind auch insofern brisant, als dass die von ihnen unterstellten Marktverwerfungen zwar erheblich stärker als im Krisenszenario der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) aus dem Jahr 2014 ausfallen; sie rechnen mit einem Einbruch der weltweiten Aktienmärkte um 40 Prozent binnen sechs Monaten als Auslöser der angenommenen Krise. Aber völlig aus der Luft gegriffen scheint dieses Szenario nicht zu sein. Im Gegenteil.
Genau diese Annahme hat die US-Bankenaufsicht bei den amerikanischen Bankenstresstest im laufenden Jahr 2016 unterstellt. Die Forscher um Professor Sascha Steffen haben also Europas Banken unter den Bedingungen der US-Prüfer durchleuchtet.
Die Ergebnisse im Einzelnen: Die Wissenschaftler bewerteten wie die EBA im Jahr 2016 auch 51 europäische Kreditinstitute, 34 davon börsennotiert. Doch während Europas Bankenaufseher dabei insgesamt einen Kapitalbedarf von 5,6 Milliarden Euro aufdeckten, kamen die ZEW-Wissenschaftler mit ihren internationalen Kollegen auf ein Vielfaches: Sie ermittelten eine Kapitallücke in Höhe von insgesamt 123 Milliarden Euro für alle 51 betrachteten Banken.
Die Geldhäuser mit den größten Kapitallücken sind im US-Szenario die Deutsche Bank (19 Milliarden Euro), die französische Société Générale (13 Milliarden Euro) und die französische BNP Paribas (10 Milliarden Euro).
„Der kürzlich von der EBA durchgeführte Stresstest zielte in erster Linie darauf ab, die Eigenkapitalquoten der Banken in der Eurozone transparent zu machen, weniger darauf, die Kapitalschwächen der Banken offen zu legen“, erklärt Professor Steffen das Ergebnis.
Genau diese Kapitalschwäche allerdings fürchten die Aktionäre der Deutschen Bank. Die Bank selbst reagierte pikiert auf das Ergebnis der Untersuchung. „Wir können die vom ZEW genannte Zahl nicht nachvollziehen“, sagte die Deutsche Bank der Nachrichtenagentur Reuters.
Der Stresstest der europäischen Bankenaufsicht EBA habe die Kapitalausstattung der Banken unter sehr strengen Voraussetzungen geprüft. „Daraus ergab sich kein akuter Kapitalbedarf für die Deutsche Bank“, zitiert die Nachrichtenagentur die Deutsche Bank am 9. August 2016.
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